Bundesregierung will Datenschutz für Internet-Nutzer einschränken
In einem kürzlich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) vorgelegten Referentenentwurf für ein Telemediengesetz (TMG) wird vorgeschlagen, dass Internet-Service-Provider (ISP) mehr Möglichkeiten zum Speichern von Nutzungsdaten erhalten sollen. Diensteanbieter sollen Nutzungsdaten zukünftig speichern dürfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Dienst rechtswidrig genutzt wurde.
Mit der geplanten Novellierung der Bestimmungen über Telemedien scheint das BMWA unter anderem die Umsetzung der europäischen Durchsetzungsrichtlinie vorbereiten zu wollen. Diese soll es europaweit möglich machen, Verletzungen des „geistigen Eigentums“ (wie etwa des Urheberrechts) effektiver zu verfolgen. Neben vielen anderen Bestimmungen enthält die Richtlinie in Artikel 8 ein „Recht auf Auskunft“. Danach müssen die Mitgliedsstaaten der EU bis zum 26. April 2006 ein Recht einführen, aufgrund dessen Rechteinhaber von ISPs verlangen können, Nutzerdaten herauszugeben.
Die Verwertungsindustrie fordert einen solchen Anspruch seit langem, insbesondere um Tauschbörsennutzer identifizieren und verklagen zu können. So heißt es in einem Positionspapier des „Forums der Rechteinhaber“ zum 2. Korb der Urheberrechtsnovelle: „Die fehlende ausdrückliche Anerkennung von Auskunftsansprüchen gegen Internet Service Provider sowie das geltende Datenschutzrecht […] führen im Ergebnis dazu, dass Rechtsverletzer vor Verfolgung geschützt werden.“
Grund für die mit Nachdruck vorgebrachte Forderung ist, dass die Rechteinhaber Tauschbörsen-Nutzer nur anhand der IP-Adresse identifizieren können. Während diese durch eine Überwachung der Filesharing-Aktivitäten ermittelt werden kann, steht die Information, welchem Nutzer eine bestimmte IP zu einer bestimmten Zeit zugeteilt war, nur den Online-Providern zur Verfügung. Um rechtliche Schritte gegen Tauschbörsen-Nutzer einleiten zu können, müssen jedoch ihre Namen bekannt sein. Daher verlangen die Rechteinhaber einen Anspruch auf Herausgabe dieser Informationen gegen die Provider.
Nach geltendem Recht ist jedoch umstritten, ob die Internet-Service-Provider solche Nutzungsdaten überhaupt speichern dürfen. Dies zeigt sich an einem Fall, über den bei Heise Online berichtet wurde: Ein Nutzer hat gegen T-Online Klage eingereicht. Er moniert die Praxis, Verbindungsdaten auch bei Flatrate-Tarifen zu speichern. Der Kläger bringt vor, dass diese Daten nach geltendem Datenschutzrecht nur gespeichert werden dürfen, wenn es zu Abrechnungszwecken erforderlich sind. Das sei bei Flatrate-Tarifen nicht der Fall, da hier die Abrechnung pauschal erfolge.
Diese Ansicht teilt auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar. In einer Stellungnahme zu der Klage schreibt er laut Heise Online: „Bei einer vollständigen […] Flatrate […] ist erst recht eine Speicherung der Verkehrsdaten inklusive der IP-Adresse für Abrechnungszwecke nicht erforderlich und somit unzulässig“. Andere Stellungnahmen, vor allem vom Regierungspräsidium Darmstadt, kommen indes zum gegenteiligen Ergebnis.
Könnte sich das BMWA mit seinem Vorschlag für ein Telemediengesetz durchsetzen, hätte das für den Datenschutz der Nutzer erhebliche Folgen. Zukünftig könnten bei bloßen Hinweisen auf rechtswidrige Handlungen Verbindungsdaten ohne konkrete zeitliche Begrenzung gespeichert und auch an Dritte – in diesem Fall die Rechteinhaber – übermittelt werden. Damit wäre der nach geltendem Recht bestehende Streit darüber, ob diese Praxis zulässig ist, vom Tisch und die notwendige datenschutzrechtliche Voraussetzunge dafür geschaffen, einen Auskunftsanspruch der Rechteinhaber gegen Internet-Service-Provider einzuführen. Einer Klagewelle gegen die Anbieter geschützter Werke in Tauschbörsen stünde nichts mehr im Wege.
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