Bundesregierung: Das reine Betrachten eines Videostreams ist keine Urheberrechtsverletzung

Foto: Eoin Gardiner CC BY 2.0
Die von der Kanzlei Urmann + Collegen auf Veranlassung des Unternehmens „The Archive AG” verschickten Abmahnungen sorgten im Dezember für Aufregung und Verwirrung in den Medien und bei Internet-Nutzern. Zum einen ist bis heute unklar, auf welcher rechtlichen Grundlage das zuständige Landgericht Köln angeordnet hat, dass der Internet-Provider die Nutzerdaten herauszugeben hat. Zum anderen, auf welchem Weg sich die an den Abmahnungen beteiligten Firmen die IP-Adressen der Nutzer zuvor beschafft haben. Außerdem wurde erneut die Frage aufgeworfen, ob Videostreaming als unerlaubte Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke gilt oder nicht.
Daher stellte die Bundestagsfraktion der Linken am 17. Dezember an die Bundesregierung eine kleine Anfrage mit dem Titel „Konsequenzen aus der Abmahnwelle gegen Nutzerinnen und Nutzer des Videostream-Portals Redtube.com“ zu. Ihre Anfrage gliederte die Linke-Fraktion in neun Einzelfragen. Die Antwort des neuen Ministers Heiko Maas, der nicht mehr nur für Justiz, sondern auch für Verbraucherschutz zuständig ist, liegt jetzt der Öffentlichkeit vor (PDF).
„Reines Betrachten eines Videostreams keine Urheberrechtsverletzung“
Als besonders bedeutend ist hierbei die Einschätzung zum Videostreaming zu bewerten: „Vor diesem Hintergrund hält die Bundesregierung das reine Betrachten eines Videostreams nicht für eine Urheberrechtsverletzung“, heißt es in der Antwort.
Zu dieser Einschätzung kommt sie, ähnlich wie prominente Rechtswissenschaftler, weil nach Paragraf 44a des Urheberrechtsgesetzes „eine Vervielfältigung ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zulässig [ist], wenn es sich um vorübergehende Vervielfältigungshandlungen handelt, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen … und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben“. Oder, wenn diese nicht der Fall ist, Paragraf 53 des Urheberrechtsgesetzes – die Privatkopie – greift:
Aber auch soweit die Voraussetzungen von §44a UrhG im Einzelfall nicht gegeben sein sollten, wäre eine Vervielfältigung, die bei Betrachten eines Videostream erfolgt, unter den Voraussetzungen des §53 Absatz 1 UrhG (so genannte „Privatkopie-Schranke“) zulässig. Nach § 53 Absatz 1 UrhG sind nämlich einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch erlaubt, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen.
Allerdings ist eine Vervielfältigung nur dann erlaubt, wenn die Quelle nicht „offensichtlich rechtswidrig” ist. Diese Rechtswidrigkeit muss auch nach Ansicht der Bundesregierung für die Nutzer klar erkennbar sein:
Dies gewährleistet, dass der Nutzer nicht mit unerfüllbaren Prüfpflichten belastet wird. Es obliegt dem Rechtsinhaber zu beweisen, dass die vervielfältigte Vorlage offensichtlich rechtswidrig hergestellt oder unerlaubt öffentlich zugänglich gemacht worden ist.
Im konkreten Fall handelt es sich bei Redtube um ein legales Angebot. Verschiedene Juristen gehen daher davon aus, dass es für die Nutzer nicht „offensichtlich” sein kann, wenn ein dort angebotener Film rechtswidrig angeboten wird.
Europäischer Gerichtshof müsste entscheiden
Insgesamt legt das Justizministerium damit seine Rechtsauffassung dar, weist aber darauf hin, dass nur der Europäische Gerichtshof eine abschließende Einschätzung treffen kann:
Ob die Nutzung von Streaming-Angeboten eine Vervielfältigung darstellt, die Rechte von Urhebern oder Leistungsschutzberechtigten verletzt, ist allerdings bislang noch nicht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt worden. Letztlich kann diese Frage nur vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschieden werden.
Desweiteren sieht die Bundesregierung in den betreffenden Abmahnungen durch die Kanzlei Urmann + Collegen (U+C) keinen Anlass, am erst kürzlich in Kraft getretenen Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken etwas zu ändern. Vielmehr lasse sich dieses Gesetz auch in diesem Fall zu Gunsten betroffner Privatpersonen anwenden. Ob dies allerdings gegen die konkreten Abmahnungen von U+C hinreichend hilft, bleibt fraglich, da die Kanzlei statt der Anwaltsgebühren erhöhten Schadensersatz forderte.
Keine Stellungnahmen zum Vorgehen des Landgerichts Köln
Zu den Fragen der Linke-Fraktion, wie das Unternehmen „The Archive AG”, das die Abmahnungen veranlasste, an die IP-Adressen der Nutzer gekommen sei und ob das Landgericht daran indirekt beteiligt war – etwa weil es die technischen Gegebenheiten des Redtube-Falls falsch eingeschätzt hat –, nahm die Bundesregierung keine Stellung.
7 Kommentare
1 Chantal am 7. Januar, 2014 um 21:19
Was soll der europäische Gerichtshof entscheiden, dass ich mir Filme anschauen darf?
Das ist doch wohl ein Scherz
2 Ivo am 7. Januar, 2014 um 21:42
Nein, ob das Abspielen eines Streams aus technischer Sicht eine Vervielfältigung darstellt..
3 Karsten am 28. Februar, 2014 um 09:30
Die ganze Diskussion ist verquer. Man sollte mal einen Augenblick innehalten und nachdenken, wie ein Computer funktioniert. Ohne jetzt auf technische Details eingehen zu wollen, wäre absolut alles, was mir mein Monitor aus dem Internet darstellt, eine Urheberrechtsverletzung, da alle Daten erst im Cache zwichengespeichert werden. Das ist computertechnisch bedingt! Es ist also völlig unerheblich, welche Seite im Internet ich aufrufe. In dem Moment, wo es auf meinem Monitor erscheint, ist es “raubkopiert”. Solange die Deppen das nicht verstehen, wie ein Computer funktioniert, so lange können sie auch keine Rechtssprechung darüber abliefern, ob Streaming legal ist oder nicht. Ja, es ist eindeutig und läßt sich schon mit dem gesunden Menschenverstand beantworten. Streaming ist legal, solange ich nicht erkennen kann, dass die Plattform, von der ich schaue, illegal ist. Brauchen wir nicht diskutieren. Filme schauen bei kinox.to und Konsorten ist eindeutig illegal, weil ich weiß, und das ist sicher, wie die Filme dort hingekommen sind!
Punkt!
4 Jochen am 14. August, 2014 um 07:37
Wäre kinox.to illegal, dann würde es wohl kaum solange online bleiben. Ich gehe davon aus, dass die Filme dort von den Produktionsfirmen absichtlich in schlechter Qualität hochgeladen werden um die Leute in die Kinos zu locken und das funktioniert auch.
Wie oft muss man ins Kino gehen und nach 20 Minuten schon wieder gehen, weil der Film so beschissen ist. Da platzt mir teilweise so heftig der Kragen, dass Kino für die nächsten 12 Monate komplett ausfällt. Bei nem Literpreis von 16 Euro für ne Coke fällt mir das auch nicht sonderlich schwer.
Also aus meiner Sicht: Kinox und Co. eindeutig legal!
Was sagen Sie dazu?