Brüssel: Keine Reform der Geräteabgaben
Noch Ende November sah es so aus, als hätte sich die Gerätehersteller auf europäischer Ebene gegen die Front aus Verwertungsgesellschaften und Künstlern durchgesetzt. In mehreren Reden hatte EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy deutlich gemacht, dass er das gegenwärtige System zur Erhebung und Verteilung von urheberrechtlichen Geräteabgaben durch nationale Verwertungsgesellschaften reformieren wolle. Dabei wusste er die Mehrheit der EU-Kommissare auf seiner Seite; lediglich Kulturkommissar Jan Figel war gegen McCreevys Plan. Europaweit hatte McCreevys Vorgehen für Unruhe unter Verwertungsgesellschaften und Künstlern gesorgt.
Intervention von De Villepin
Frankreichs Premierminister Dominique de De Villepin hatte kurz vor der für Mittwoch angesetzten Abstimmung innerhalb der Kommission in einem Brief vor der Umsetzung von McCreevys Plänen gewarnt: „Die urheberrechtlichen Geräteabgaben sind das legitime Gegengewicht zur Privatkopie“. Durch sie würde „ein zufrieden stellendes Gleichgewicht“ geschaffen, das den Künstlern angesichts der „Bedrohung durch Piraterie“ helfen und „die Vielfalt der europäischen Kultur unterstützen“ würde. Daher „sollte die vorgesehene Empfehlung verschoben werden, damit wir eine ernsthafte Auseinandersetzung unter Einbeziehung der Mitgliedstaaten führen können.“
Keine Empfehlung
Für den 20. Dezember hatte McCreevy angekündigt, seine Vorstellungen zur Neugestaltung der Geräteabgaben in Form einer Empfehlung der Kommission zu veröffentlichen. An dieser Empfehlung sollten die Mitgliedstaaten ihre Politik im Hinblick auf Geräteabgaben und Verwertungsgesellschaften neu ausrichten. Dem ist EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso auf Veranlassung von de Villepin gestern zuvorgekommen und hat McCreevy gestoppt. „Wir brauchen weitergehende Analysen…wir müssen das Richtige tun und dafür brauchen wir mehr Zeit“, ließ Barroso seine Sprecherin gestern verkünden.
Gerätehersteller empört
Die europäischen Hersteller von Haushaltselektronik und Computern zeigten sich verärgert. Mark MacGann, Sprecher der Allianz zur Reform der Urheberrechtsabgaben (CLRA) und Generaldirektor der European Information, Communications and Consumer Electronics Industry Technology Association (EICTA), sparte nicht mit harten Worten: „Die europäische Industrie ist tief verstört über die Kehrtwende der Europäischen Kommission in der Frage der Reform der urheberrechtlichen Geräteabgaben…Mit dieser Entscheidung macht die Kommission klar, dass sie nicht gewillt ist, ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, um Transparenz, Effizienz und Fairness im System der Geräteabgaben zu erreichen…“
MacGann kündigte an, dass die Verbandsmitglieder, zu denen unter anderem Philips, Nokia, Microsoft und Siemens gehören, mit rechtlichen Mitteln gegen die Beibehaltung der Geräteabgaben vorgehen würden. Die Gerätehersteller berufen sich auf die Europäische Urheberrechtsrichtlinie von 2001, in der ausdrücklich festgeschrieben wurde, dass mit der zunehmenden Verbreitung von Systemen für das digitale Rechte-Management (DRM) eine Revision der Geräteabgaben erfolgen solle. Da die Mitgliedstaaten sich einer solchen Reform verweigern, werden „namhafte Hersteller“ im kommenden Jahr bei der Kommission Beschwerden wegen Verstößen gegen das EU-Recht Beschwerde einlegen. Schnelle Ergebnisse erwartet MacGann jedoch nicht: Der letztendlich zuständige Europäische Gerichtshof werde sein Urteil wohl nicht so 2010 fällen.
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