Bär (CSU): “Leistungsschutzrecht darf kein deutsches ACTA werden”
Zur Person
Die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär ist Mitglied im CSU-Parteivorstand, stellvertretende Generalsekretärin der CSU, Vorsitzende des VerbandesCSUnet,Vorsitzende des CSU-Netzrates, Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und stellvertretende Vorsitzende der Jungen Union Deutschlands.
iRights.info: Sie gehören zu den Netzpolitikerinnen im Deutschen Bundestag, die die Pläne für das sogenannte Leistungsschutzrecht für Presseverlage bereits in der Vergangenheit immer wieder deutlich abgelehnt haben. Nun liegt ein erster Referentenentwurf vor und zum ersten Mal kann schwarz auf weiß nachgelesen werden, was die Bundesregierung plant. Hat sich ihre Meinung nun geändert?
Dorothee Bär:Im Gegenteil: Ich lehne den Entwurf in der Form, in der er nun vorliegt definitiv ab. Er würde zu erheblichen Einschränkungen der Kommunikation im 21. Jahrhundert führen, einseitig Interessen vertreten und dem Standort Deutschland schaden. Außerdem würde er die die Menschen massiv verunsichern. Das Leistungsschutzrecht droht zum deutschen ACTA zu werden.
iRights.info: Sind Sie überrascht, dass nun doch noch ein Entwurf vorgelegt wurde, obwohl dieser schon vielfach für tot erklärt wurde?
Dorothee Bär:Nein, denn er war ja angekündigt. Über den Inhalt bin ich schon ein bisschen überrascht – im negativen Sinne.
“Eine sinnvolle Kommunikation über Twitter wäre nicht mehr möglich”
iRights.info: Welches sind Ihre größten Kritikpunkte am Entwurf?
Dorothee Bär: Da gibt es viele. Insbesondere die Schwammigkeit der einzelnen Geltungsbereiche, die sich am Beispiel der Definition von gewerblicher Nutzung beschreiben lässt oder an der Frage, wann ein Text nur ein Text ist, und wann es sich um eine „redaktionell-technische Festlegung“ handelt und damit geschützt ist, halte ich für sehr problematisch.
Für völlig absurd halte ich allerdings die Adoption der sogenannten „Metall – auf Metall-Entscheidung“ des BGH, die sich ursprünglich auf den Leistungsschutz von Tonträgerherstellern bezieht. Der Entwurf sieht vor, dass damit auch kleinste Textausschnitte bis hin zu einzelnen Wörtern geschützt sein könnten.
Dass die Verwendung sogenannter „Snippets“, Überschriften oder URLs, die eine Überschrift beinhalten, vom Leistungsschutzrecht abgedeckt werden, ist abwegig und nicht praktikabel. Eine sinnvolle Kommunikation über Kanäle wie Twitter wäre nicht mehr möglich und auch im Hinblick auf die bisweilen unlösbare Frage, ob jemand seinen Account beruflich oder privat nutzt, beschränkt man die User in unverhältnismäßiger Weise in ihrer Kommunikations- und Informationsfreiheit.
Daneben würde das Leistungsschutzrecht zu einem Chaos von Lizenzverträgen und Einzelfallentscheidungen führen.
“Nicht alle Interessensvertreter an einen Tisch geholt”
iRights.info: Sowohl der Verband der bayerischen Wirtschaft als auch der BDI haben sich in der Vergangenheit kritisch zum Leistungsschutzrecht geäußert. Inwieweit teilen Sie die Bedenken?
Dorothee Bär: Ich teile diese voll und ganz, weil ich glaube, dass das Leistungsschutzrecht dem Standort Deutschland massiv schaden würde. Weltweit führende Aggregatoren wie Google ebenso wie kleinere Dienste würden ihre Leistung in Deutschland einfach nicht mehr anbieten. In einem Land wie unserem, dessen wichtigste Ressourcen Bildung und Wissen sind, hätte dies verheerende Folgen für Recherchearbeiten und die Zugänglichkeit wichtiger Informationsquellen.
iRights.info: Bis heute existiert kein wirtschaftliches Folgegutachten für die Einführung eines Leistungsschutzrecht. Muss so etwas nicht zwingend vorliegen, wenn man seriös über die Einführung eines solchen neuen Rechts abstimmen will? Fühlen Sie sich als Abgeordnete des Deutschen Bundestages hier ausreichend informiert?
Dorothee Bär: Ich kritisiere vor allem, dass wir hier wieder einmal nicht alle Interessensvertreter an den Tisch holen und vernünftig diskutieren. Nicht nur große Verlage müssen in die Beratungen mit einbezogen werden, sondern auch kleiner Dienstleister, Vertreter verschiedener Berufsgruppen und vor allem die Nutzer, die schließlich alle unmittelbar von einem solchen Gesetz betroffen sind.
“Freiheitsgedanken bewahren”
iRights.info: Wie bewerten Sie das geplante Leistungsschutzrecht im Kontext der aktuellen Debatten zur Modernisierung des Urheberrechts? Ist dies nicht ein Schritt in die falsche Richtung?
Dorothee Bär: Ich finde ja, weil Modernisierung nicht bedeuten darf, Regelungen aus der vordigitalen Zeit möglichst eins zu eins ins digitale Zeitalter zu übertragen. Modernisierung der Gesetze bedeutet, dass sie Sicherheit und Verlässlichkeit gewährleisten und dem Freiheits- und Kommunikationsgedanken der heutigen Zeit bewahren. Außerdem müssen sie einen fairen Interessensausgleich zwischen allen Betroffenen schaffen und dürfen nicht einseitig sein.
iRights.info: Auch in der Bundestagsfraktion der CDU/CSU gibt es bei der Bewertung des Leistungsschutzrechtes harte Auseinandersetzungen. Was wollen Sie tun, um Ihre Kollegen auf Ihre Kritik hinzuweisen?
Dorothee Bär:Ich werde versuchen, in den entsprechenden Gremien meine Bedenken zu äußern und zu diskutieren. Das versteht sich von selbst.
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