BMJV will gesetzliche Ausnahmen für Bildung und Wissenschaft entfristen, um für Akteure Rechtssicherheit zu schaffen
Anfang April stand für sehr kurze Zeit auf der Webseite des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) ein Referentenentwurf online, der die „Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts“ beinhaltet. Er bereitet das erste Gesetz zur Umsetzung der geltenden EU-Urheberrechtsrichtlinie in deutsches Recht vor.
Dieser Referentenentwurf, der uns vorliegt, folgt dem Diskussionsentwurf des BMJV von Anfang des Jahres, und er weicht von diesem in einigen Formulierungen und mit neuen Regelungen mitunter deutlich ab. Dazu zählen die im Referentenentwurf neu eingefügten Absätze (Paragraf 137q, Absätze 23 a) bis c)), nach der die gesetzlichen Ausnahmen für die Nutzung geschützter Werke, etwa für Bildungszwecke, in Unterricht und Lehre oder für Wissenschaft und Forschung (festgelegt in den Paragrafen 60a bis 60h des Urheberrechtsgesetzes) entfristet werden.
Diese Ausnahmen – auch Schranken genannt – gelten seit Inkrafttreten des Urheberrechtswissensgesellschaftsgesetzes (UrhWissG) im März 2018 und sind auf fünf Jahre befristet (laut Paragraf 142, Absatz 2 im Urheberrechtsgesetz), also bis Ende Februar 2023. Spätestens ein Jahr vor Ablauf dieser Frist muss die Bundesregierung eine Evaluation vorlegen, in der sie über die Auswirkungen der festgelegten Ausnahmen für Wissenschaft und Bildung berichtet.
Befristung im Licht der EU-Urheberrechtsrichtlinie
Die geplante Entfristung der seit gut zwei Jahren geltenden Wissenschaftsschranken stößt auf geteiltes Echo. So lässt die Initiative Urheberrecht, in der sich Urheberverbände, Gewerkschaften und Verwertungsgesellschaften zusammengeschlossen haben, ihren Sprecher Gerhard Pfennig verlauten, dass sie ein „untergejubelter Pferdefuß“ sei. Im Namen betroffener Urheber, beispielsweise Dokumentarfilmer, hält er es für geboten, dass zunächst die Evaluierung vorliegen müsste, bevor man über die Entfristung der Ausnahmen entscheide – womöglich sollte es eher eine Fristverlängerung geben.
Auf der anderen Seite ist aus Kreisen von Bildung und Wissenschaft zu vernehmen, dass sich viele möglichst schnell Rechts- und Planungssicherheit wünschen. Eine Entfristung der Wissenschaftsschranken würde Unsicherheiten beseitigen, ob und wie sich die Regelungen zukünftig womöglich erneut ändern.
Das BMJV rechtfertigt in seinem Referentenentwurf (in Abschnitt A II 2. der Begründungen) die Entfristung der betreffenden Ausnahmen damit, dass die Artikel 3, 5 und 7 der EU-Urheberrechtsrichtlinie verbindlich vorschreiben, entsprechende Nutzungserlaubnisse einzuführen. Und da die Richtlinie bis März 2021 umgesetzt sein muss, würde eine Befristung einzelner Maßgaben nicht gewährleisten, dass sie mit dem EU-Recht vereinbar blieben. Wörtlich heißt es in dem Entwurf (im Abschnitt B der Begründungen, Seite 48):
Ein Außerkrafttreten der §§ 60a bis 60h UrhG zum 28. Februar 2023 würde unmittelbar eine unionsrechtswidrige Rechtslage hervorrufen. Durch die zeitnahe Entfristung wird die für alle Akteure notwendige Rechtssicherheit hergestellt: Dies erlaubt es insbesondere den Akteuren in Bildung und Wissenschaft, die notwendigen Investitionen zu tätigen, um sich so langfristig auf die geänderte Rechtslage einzustellen, etwa bei IT-Systemen für Lehre und Forschung in den deutschen Hochschulen oder den Spitzenorganisationen der Wissenschaft, aber auch bei der Umsetzung des Digitalpakts Schule.
Leistungsschutzrecht und Verlegerbeteiligung
Neben diesen Festlegungen zu den Wissenschaftsschranken finden sich im Referentenentwurf auch geänderte Formulierungen und Regelungen zur Verlegerbeteiligung und zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Sie weichen ebenfalls teils erheblich von denen im Diskussionsentwurf ab, etwa bezüglich der Wortanzahl für erlaubte Nutzungen von Presseartikeln und Weiteres. Auch diese Vorschläge führten zu kontroversen Reaktionen bei Verbänden und in der Netzöffentlichkeit.
Es liegt nahe, dass das Ministerium in dem Referentenentwurf auf Vorschläge und Kritik aus den zahlreichen Stellungnahmen und Eingaben reagierte, die bei ihm eingereicht wurden und die mehrheitlich öffentlich zugänglich sind.
Warum das BMJV den Referentenentwurf von seiner Webseite wieder entfernte, erklärte es bislang nicht. Interessenverbände vermuten, dass er zunächst mit anderen Bundesministerien abgestimmt werden müsse, was wohl derzeit vor sich gehe.
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