Justizministerium: Nach der Anhörung ist vor der Reform

Bis April 2016 muss die Bundesregierung die „Verwertungsrichtlinie“ des Europäischen Parlaments und des Rates in deutsches Recht umgesetzt haben. Dafür hat das Justiz- und Verbraucherschutzministerium Anfang Juli eine Anhörung bei zahlreichen Branchen- und Berufsverbänden und bei Interessenvertretern von Urhebern, Verwertern und Verbrauchern gestartet.
Verwertungsgesellschaften
Verwertungsgesellschaften verwalten Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche an den Werken von Urheber*innen. Werden die Werke wirtschaftlich genutzt, sammeln sie meist pauschale Abgaben ein, zum Beispiel die „Bibliothekstantieme“ für das Verleihen von Büchern oder die „Leermedienabgabe“ für privates Kopieren. Die Einnahmen schütten sie an Urheber und zum Teil an andere Rechteinhaber aus. Bekannte Einrichtungen sind etwa die GEMA, die VG Bild-Kunst oder die VG Wort. Mehr zum Thema.
Dafür erhielten diese einen Fragebogen mit 17 Punkten (PDF), zu denen sie Stellung nehmen sollten. Zudem wies das Ministerium ausdrücklich darauf hin, dass mit den Stellungnahmen auch weitere Regelungsvorschläge im Kontext der kollektiven Rechtewahrnehmung unterbreitet werden konnten.
Wie das Justizministerium auf Nachfrage von iRights.info erklärt, seien bis Ende der Abgabefrist am 15. September rund 50 Stellungnahmen eingegangen, von Wirtschafts-und Berufsverbänden, Verbraucherschutzorganisationen und den Verwertungsgesellschaften sowie einzelnen Urheberrechtsexperten. „Diese Menge an Stellungnahmen finden wir beachtlich, zumal wir uns ja noch im Vorfeld eines Gesetzgebungsverfahrens befinden“, so ein Sprecher. Das Spektrum der Absender sei denkbar breit, so Scholz, die Auflistung aller Einreicher könne jedoch noch nicht veröffentlicht werden.
iRights.info hat sich vier Stellungnahmen näher angesehen:
- die Stellungnahme des IT-Branchenverbands Bitkom,
- des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV),
- der Initiative Urheberrecht, einem Zusammenschluss von Urheber-Verbänden
- der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), einer Organisation von Juristen, Unternehmen und Verbänden,
außerdem einen offenen Brief des Composers Club, dem Berufsverband der Auftragskomponisten in Deutschland.
Den Verwertungsgesellschaften mehr Beteiligung und Transparenz verordnen
Die Absender plädieren mehrheitlich dafür, den Verwertungsgesellschaften mehr Beteiligungsdemokratie zu verordnen, etwa bezüglich der Verteilungspraktiken. Es sollen nicht nur Mitglieder, sondern auch Wahrnehmungsberechtigte mitbestimmen können, beispielsweise einzelne Autoren in der VG Wort oder einzelne Musiker in der GEMA.
Unterschiedlich bewertet wird die Frage, ob die Wahrnehmungsberechtigten dann ihre Stimme übertragen dürften. Hier meldete der Composers Club Bedenken an – in einem offenen Brief an den Verbraucherzentrale Bundesverband – , weil er gerade in größeren Gesellschaften Missbrauch durch einzelne, personell starke Sparten befürchtet. Ähnlich äußert sich die GRUR in ihrer Stellungnahme (PDF) und schlägt folgende Regelung vor:
Um Missbräuche der Vertretungsmöglichkeit zu vermeiden, sollten Verwertungsgesellschaften Beschränkungen vorsehen können, z.B. die Anzahl der Stimmrechtsübertragung zu begrenzen sowie die Übertragung nur auf Mitglieder der gleichen Berufssparte (Kurie) zu beschränken.
Außerdem plädieren fast alle Absender für mehr und klare Transparenzpflichten der Verwertungsgesellschaften. Es gehe dabei zum einen darum, dass die Gesellschaften die Einnahmen sowie die Verteilungspraktiken sichtbarer und nachvollziehbarer gestalten, zum anderen aber auch, über die tatsächliche Nutzung der Werke detaillierter zu informieren.
Bei Streit soll Patentamt zuständig bleiben, Ausbau beim Oberlandesgericht München
Nahezu einstimmig sprechen sich die Verbände dafür aus, dass für eine effizientere und vor allem zeitnahe Behandlung von Streitigkeiten gesorgt werden muss, etwa hinsichtlich der Zahlungsverpflichtung und der Höhe von Vergütungen. Hierfür habe sich das bisherige Schlichtungsverfahren nicht bewährt. Daher soll die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), der Aufsichtsbehörde für alle Verwertungsgesellschaften in Deutschland, generell zuständig bleiben. Sie soll aber mit mehr Ressourcen ausgestattet werden. Dazu die GRUR:
Die Schiedsstelle nach dem UrhWG [Urheberrechts-Wahrnehmungsgesetz, d. Red.] und das dort geregelte Schiedsstellenverfahren haben sich bewährt. Deshalb sollte die Schiedsstelle auch mit diesen Streitigkeiten betraut werden. Allerdings wird die Schiedsstelle auf diese Weise in größerem Umfang als bisher in Anspruch genommen werden müssen […]. Es müsste deshalb für eine sachliche und personelle Aufstockung der Schiedsstelle nach dem UrhWG gesorgt werden, z. B. durch weitere Kammern. Dann könnte sich auch innerhalb der Schiedsstelle möglicherweise eine Spezialzuständigkeit der einzelnen Kammer für jeweils bestimmte Bereiche bilden.
Mehr noch, so der Branchenverband BITKOM in seiner Stellungnahme (PDF), sollte das zuständige Oberlandesgericht München einen weiteren Senat einrichten, der mit Streitigkeiten zum Urheberrechts-Wahrnehmungsgesetz betraut sein soll. Zusätzlich müsse es darum gehen, die Rechtsdurchsetzung zu verbessern, fordert die Initiative Urheberrecht. In ihrer Stellungnahme (PDF) heißt es:
Wir schlagen vor zu erwägen, schon in erster Instanz an Stelle der Verwaltungsgerichte bzw. des Bundespatentgerichts die Zuständigkeit der Schiedsstelle (beim DPMA) vorzusehen. Gegen ihre Entscheidungen sollte die Berufung entweder zum Bundespatentgericht bzw. zum OLG [Oberlandesgericht, d. Red.] eröffnet werden bei letztinstanzlicher Zuständigkeit des BGH.
Abschlusszwang und Erlaubnispflicht erhalten
Der sogenannte „Abschlusszwang“ soll nach überwiegender Meinung der von uns betrachteten Stellungnahmen grundsätzlich erhalten bleiben. Er besagt, dass die Verwertungsgesellschaften prinzipiell niemanden die Aufnahme versagen können, der von ihnen Rechte wahrnehmen lassen will. Diese Regelung schütze davor, dass sich die Verwertungsgesellschaften nur bestimmten Urhebern oder Rechteinhabern widmeten und alle anderen benachteiligten. Die GRUR räumt jedoch ein, dass dieser Abschlusszwang nicht für Verwertungsgesellschaften aus anderen EU-Ländern gelte. Daher regt sie an, den Abschlusszwang auf das Maß zu reduzieren, das in der Verwertungsgesellschafts-Richtlinie der EU bereits definiert sei.
Schließlich solle die Erlaubnispflicht für Verwertungsgesellschaften erhalten bleiben, die zu den Hoheitsaufgaben des DPMA gehört. Die Verbände stimmen auch darin überein, dass auch ausländische Verwertungsgesellschaft für alle Aktivitäten auf deutschen Märkten vom DPMA zugelassen werden müssten, weil sonst Wettbewerbsverzerrungen drohten.
Option für nicht-kommerzieller Lizenzen nicht bei allen erwünscht
Die Anhörung des Justizministeriums befasste sich ebenfalls mit der Frage, ob Verwertungsgesellschaften auf Wunsch der Wahrnehmungsberechtigten mit nicht-kommerziellen Lizenzen agieren sollten. Hier zeigten sich in den betrachteten Stellungnahmen unterschiedliche Auffassungen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband spricht sich in seiner Stellungnahme (PDF) dafür aus und empfiehlt sogar, freie Lizenzen zu verwenden:
Dabei ist eine gesetzgeberische Definition des Begriffs „nicht-kommerziell“ zu begrüßen. Die Lizenzvereinbarungen unter Creative Commons sollten dabei als Orientierung einfließen.
Dem gegenüber melden der Bitkom und die GRUR Bedenken an; die Initiative Urheberrecht wendet sich unmittelbar gegen eine solche Forderung. Sie alle argumentieren ähnlich: Es soll den Verwertungsgesellschaften überlassen bleiben, inwieweit bei nicht-kommerziellen Nutzungen entsprechend günstige Tarife aufgestellt oder im Einzelfall Sonderregelungen getroffen würden. Sie befürchten, dass bei nicht-kommerzileller Nutzung der Druck auf Verwerter und Urheber steigen würde und mehr freie Lizenzen die Verwertungschancen generell verschlechtern würden.
Hinterlegungspflicht für Vergütungen bleibt umstritten
Nicht zuletzt bleibt die von der Bundeseregierung beabsichtigte Hinterlegungspflicht für Vergütungen ein Streitpunkt für die Verbände. Dabei geht es darum, dass bei etwaigen Streitigkeiten die Abgabepflichtigen, zum Beispiel Gerätehrsteller, durch eine gesetzliche Regelung gezwungen sind, einen Teil der geschuldeten Vergütung für die Verfahrensdauer in einem Sperrkonto zu hinterlegen. Dies würde im Fall, dass ein Gericht eine Vergütung festsetzt, zumindest diesen Anteil der Vergütungen sichern. Außerdem könnten dadurch die Abgabepflichtigen ein größeres Interesse an einem schnelleren Verfahren haben, so die Initiative Urheberrecht in einer Mitteilung von Anfang des Jahres.
Der VZBV sieht die Einführung einer Hinterlegungspflicht „vor dem Hintergrund der Monopolstellung der Verwertungsgesellschaften skeptisch“ und plädiert dafür die Mittel der Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften zu stärken, um den Druck auf die Streitpartner zu erhöhen.
Demgegenüber wendet sich der Bitkom strikt gegen eine solche Hinterlegungspflicht:
Eine derartige Regelung wäre system- und verfassungswidrig und würde die Situation der Rechteinhaber nicht verbessern. Die bestehenden Probleme zu Verhandlungen und Streitigkeiten bei Privatkopieabgaben können allein dadurch gelöst werden, dass der Gesetzgeber klare Spielregeln für die Tarifgestaltung, -veröffentlichung und -verhandlung festlegt.
Spätestens in den Differenzen zu dieser Frage offenbart sich, wie schwierig es für das Bundesjustizministerium wird, sowohl beim Umsetzen der EU-Richtlinie als auch bei einzelnen Änderungen des deutschen Urheberwahrnehmungsgesetzes den angestrebten Interessenausgleich zu erzielen.
Nach Prüfung der Stellungnahmen erster Referentenentwurf
Schon bei den Verhandlungen zu ihrem Koalitionsvertrag (PDF) hatten sich CDU und SPD darauf geeinigt, „die Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften effektiver zu gestalten“, im Klartext: zu reformieren. Zu den vereinbarten Punkten gehörte, in Zukunft notwendige Verhandlungen und entstehende Streitigkeiten schneller zu Ende zu bringen, wie beispielsweise den Kampf um die Höhe der Privatkopievergütung, den Verwertungsgesellschaften und Geräteindustrie seit Jahren führen. Ebenso beschlossen war die Einführung einer Hinterlegungspflicht für gesetzliche Vergütungsansprüche, die es in Deutschland bisher nicht gibt. In der Anhörung sieht das Justizministerium den ersten konkreten Schritt, die Koalitions-Verabredungen umzusetzen.
Wie die Pressestelle des Ministeriums mitteilte, würden als nächstes alle Stellungnahmen ausgewertet, danach erarbeite das Ministerium einen ersten Referentenentwurf, der als erster Schritt eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens notwendig sei. Dieser Entwurf würde erneut den Verbänden und Experten zur Kommentierung vorgelegt und gegebenenfalls entsprechend überarbeitet. Das Verfahren soll vor der Sommerpause 2015 abgeschlossen werden, um nach der Pause die parlamentarischen Schritte für eine Gesetzesänderung einzuleiten. Das soll bis Frühjahr 2016 abgeschlossen sein, der Frist um die EU-Richtlinie umzusetzen.
2 Kommentare
1 Detlef Lauster am 12. November, 2014 um 14:00
Meine Beschwerde über den DEUTSCHEN STAAT:
Wer in Deutschland sich als Musiker nicht organisiert oder sich wert, wird von Monopolen wie die GVL um seine Leistungen geprellt. Und die DEUTSCHE Justiz die auch aus Politikern besteht die von Lobbyisten der Monopole bezahlt werden dürfen. (sogar Politiker Bestechung war vor kurzen noch Straf frei) und das DPMA was andauernd seine Verantwortlichen wegselt(und seit über ein Jahr keine Antworten gibt und überfordert scheint) Unterstützen diese unsozialen und undemokratische Ungerechtigkeiten,(Das DPMA hat sich überhaubt nicht als Überwachung bewährt, höstens als komlieze) die beweisen das wir nicht in einem demokratischen Land leben. Sondern ausbeutende undemokratische und unsoziale Monopole erfolgreicher sind als soziale Demokratie.
Ich fühle mich nicht nur von der GVL betrogen sondern auch vom DEUTSCHEN STAAT der die Demokratie nicht lebt und diese dadurch gefährdet und Musiker wie mich in die Armut führt. Begrundet ist wohl das verhalten des DEUTSCHEN STAATES dadurch wenn man nach verfolgt wer von den Monopolen wie GVL, GEMA und öffentlich rechtlichen Rundfunksender profitiert.
2 Detlef Lauster am 12. November, 2014 um 14:04
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