BITKOM wirbt mit neuer Broschüre für DRM
Digitales Rechtemanagement (DRM) ist bei Verbrauchern nicht sonderlich beliebt. Nicht nur gibt es Probleme mit der Interoperabilität von Datenformaten und Abspielgeräten, auch die Möglichkeit, vom Recht auf die Privatkopie Gebrauch zu machen, wird oft durch DRM eingeschränkt. Das gesetzliche Umgehungsverbot für technische Schutzmaßnahmen hindert die Verbraucher daran, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, wollen sie nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Sollten die Lieferanten eines DRM-Systems beschließen, die Lizenzverwaltung einzustellen, haben die Verbraucher das Nachsehen, wie zuletzt an den Beispielen von Sony Connect und MSN Music deutlich vor Augen geführt wurde. Und nicht zuletzt haben das XCP-Debakel und andere Vorfälle in der Vergangenheit ernste Sicherheitsrisiken beim Einsatz von DRM und Kopierschutzverfahren aufgezeigt. Der weitgehende Verzicht der Musikindustrie auf DRM und der branchenweite Umstieg auf das interoperable MP3-Format belegen, dass die Industrie zunehmend bereit ist, den Verbraucherbedürfnissen entgegen zu kommen.
BITKOM will DRM statt Pauschalabgaben
Der BITKOM macht sich hingegen für einen flächendeckenden Ausbau von DRM stark und verweist in der neuesten Publikation seiner „Schriftenreihe Politik“ auf dessen Segnungen. Im Vorwort von Verbandschef August-Wilhelm Scheer heißt es: „DRM-Systeme schützen digitale Inhalte vor der illegalen Nutzung oder Verbreitung. DRM kommt damit eine marktschaffende Funktion zu“ und weiter: „DRM-Systeme bieten dem Verbraucher eine unausschöpfliche Möglichkeit, digitale Inhalte nach ihren Bedürfnissen zu nutzen.“
Scheer macht zugleicht deutlich, wo die Interessen der BITKOM-Mitglieder liegen, zu den unter anderem alle großen Hersteller aus der IT-Branche gehören: „Alte Vergütungsmodelle wie die Pauschalabgabe sind für digitale Inhalte unbrauchbar und verhindern Innovationen. Stattdessen sollten ‚kluge’ DRM-Anwendungen zur Grundlage der Vergütung für Rechteinhaber gemacht werden.“ Die Gerätehersteller wollen sich also von der Zahlung von Urheberabgaben auf Festplatten, Drucker, DVD-Rohlinge und so weiter befreien. Stattdessen soll die individuelle Nutzung von Musik, Filmen und anderen digitalen Medieninhalten der Verbraucher erfasst und der Abrechnung mit Rechteinhabern zugrunde gelegt werden. Genau diese Möglichkeiten stellt die Broschüre dar.
Bundeswirtschaftsminister Glos: „DRM ist Alternative und Ergänzung“
Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos, steuert ein Grußwort zur Broschüre bei. Glos ist vorsichtiger, was die Ablösung von Pauschalabgaben durch ein rein DRM-basiertes Abrechnungssystem angeht. Für ihn „kann [DRM] eine Alternative und Ergänzung zu den am Markt bisher praktizierten Vergütungs- und Pauschalsystemen sein.“ Er spricht auch die eingangs erwähnten Probleme existierender DRM-Systeme an, wenn er sagt: „DRM ist ein marktflexibles Instrument und bietet Entwicklungspotential für neue Märkte und neue Geschäftsmodelle. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass DRM im Konsens aller Beteiligten entwickelt und praktiziert wird. Die eingesetzten Verfahren und Geräte müssen interoperabel und transparent sein. Freilich darf die Nutzung digitaler Werke nicht in wettbewerblich oder sachlich nicht gerechtfertigter Weise begrenzt werden.“
DRM verändert Wertschöpfung
Die Broschüre beschreibt die grundlegende Funktionsweise und ökonomische Bedeutung von DRM. Anhand von Beispielen wird verdeutlicht, wie sich Wertschöpfungsketten durch DRM-Einbindung verändern. Es werden Geschäftsmodelle vorgestellt, die sich DRM-Funktionen bedienen, um beispielsweise Abonnements oder Vorschaufunktionen für digitale Inhalte zu realisieren. Auch auf Fragen der Standardisierung und der Interoperabilität wird eingegangen, ohne allerdings die Folgen fehlender Standards tiefer gehend zu problematisieren.
Im Kapitel „Anwendungsfelder“ geht es dann um „Embedded Systems in industriellen Anwendungen“, „Anwendungs-Software“, „E-Books“, „Spiele“, „Audio“, „Video“ und „Fernsehen“. Gerade im Audiobereich hat die DRM-Akzeptanz in den vergangenen Jahren große Rückschläge hinnehmen müssen. Branchenkenner reden allerorten davon, dass DRM für Musik praktisch „tot“ sei, mit Ausnahme von Musikdownloads für Mobiltelefone. Für den BITKOM „basiert das aktuelle Akzeptanzproblem von DRM-Anwendungen im Musikbereich auf Vorstellungen von Eigentums- und Verwertungsrechten, die durch Geschäftsmodelle des analogen Zeitalters geprägt sind.“
BITKOM: „Rechtsverständnis anpassen“
Aus Sicht des BITKOM geht es darum, „das Rechtsverständnis an die digitale Welt anzupassen“, wie es in der Zusammenfassung der Broschüre heißt. Durch – „aus analytischer Sicht“ – „Rekonfiguration der DRM-Optionen“, das heißt „[a]nstelle restriktiver Nutzungsrechte wie Kopierschutz werden Musikdateien zu einem höheren Preis ohne diese Restriktionen verkauft“, würde gegenwärtig die Kundenakzeptanz erhöht, stellt der BITKOM fest. Wer die Preisentwicklung bei Musikdownloads seit dem weitgehenden Verzicht der großen Tonträgerhersteller verfolgt hat, wird sich wohl nicht ohne Grund fragen, was der BITKOM hier meint. Ein allgemeiner Preisanstieg durch den DRM-Verzicht ist keineswegs zu beobachten, ganz im Gegenteil.
Was sagen Sie dazu?