Bundesgerichtshof bestätigt: Birkenstock-Sandalen ohne Urheberrechtsschutz

Aufnahme von aaronisnotcool (Quelle: Wikimedia Commons), lizenziert unter CC BY 2.0
Die ikonischen Birkenstock-Sandalen sind weltweit bekannt und längst mehr als nur ein Gesundheitsschuh – sie gelten als echtes Mode-Statement. Die Beliebtheit der Sandalen bewirkte, dass andere Schuhunternehmen Nachahmungen der Birkenstock-Modelle verkaufen. Ein Teil der Birkenstock-Gruppe klagte in diesem Zuge gegen drei Unternehmen wegen Verletzung des Urheberrechts auf Schadensersatz, Unterlassung der weiteren Produktion und Vernichtung bereits produzierter Sandalen. Die beklagten Unternehmen hatten Nachahmungen der von Karl Birkenstock, Enkel des Birkenstock-Gründers Konrad Birkenstock, entworfenen Sandalenmodelle „Madrid“ (1963) und „Arizona“ (1973) produziert.
Birkenstock war der Ansicht, dass es sich bei den Birkenstock-Modellen um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst handele und dem Unternehmen damit Abwehrrechte gegen Nachahmungen zustünden. Die Gerichte mussten in diesem Zusammenhang folgende Frage klären: Wann ist ein Gegenstand – der auch einen Gebrauchszweck hat – über das rein technische Maß hinaus ausreichend künstlerisch gestaltet, um die erforderliche Schöpfungshöhe für ein urheberrechtlich geschütztes Werk zu erreichen?
Das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln) und der Bundesgerichtshof (BGH) sind sich im Birkenstock-Fall nun einig: Die Sandalen sind nicht ausreichend künstlerisch gestaltet sondern dem reinen Design zuzuordnen. Aufgrund fehlender Schöpfungshöhe besteht demnach auch kein Urheberrechtsschutz.
Wo die Grenzen zwischen technischer und künstlerischer Gestaltung liegen
Knackpunkt der Entscheidung war die Frage, ob die Sandalen als Werke der angewandten Kunst gelten und somit urheberrechtlich geschützt sind. Auch bei Werken der angewandten Kunst muss es sich, nach den allgemeinen Grundsätzen des Urheberrechts, um persönliche geistige Schöpfung handeln.
Werke der angewandten Kunst unterscheiden sich von zweckfreier Kunst durch ihren praktischen Gebrauchszweck. Ein solcher Gebrauchszweck schließt eine Einordnung als Werk nicht aus, macht jedoch eine genauere Betrachtung als bei zweckfreier Kunst notwendig. Denn Gegenstände, die einem praktischen Nutzen dienen, sind in ihrer Gestaltung zumindest auch technisch bestimmt. Es ist daher präzise zu ermitteln, ob über diese technische Gestaltung hinaus das Werk auch künstlerisch gestaltet ist. Erst dann ist ein urheberrechtlicher Schutz möglich.
Eine künstlerische Leistung meint, so der BGH in seinem Urteil vom Februar 2025, nicht mehr und nicht weniger als eine „schöpferische, kreative, originelle, die individuelle Persönlichkeit ihres Urhebers widerspiegelnde Leistung auf dem Gebiet der Kunst“. Dabei muss ein gestalterischer Freiraum durch künstlerische Entscheidungen, und nicht nur technisch-funktionale, ausgefüllt werden. Festzuhalten ist jedoch, dass keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werks der angewandten Kunst als bei Werken der zweckfreien Kunst bestehen.
Designschutz begründet noch keinen Urheberrechtsschutz
Der Designschutz eines Werkes bedeutet nicht zugleich den urheberrechtlichen Schutz. Das Designrecht schützt neuartige Muster, wohingegen das Urheberrecht künstlerische Leistungen schützt. Anders als beim Design genügen Unterschiedlichkeit und Abstand zu bereits bekannten „Formenschätzen“ für sich genommen nicht für einen urheberrechtlichen Schutz.
Die beiden Rechtsregime Designschutz und Urheberrecht haben somit unterschiedliche Schutzrichtungen. Es ist zwar in bestimmten Fällen denkbar, dass beide Schutzarten nebeneinander bestehen. Ob die jeweiligen Rechtsregime zum Greifen kommen, ist jedoch separat für das jeweilige Regime nach den dort geltenden Grundsätzen zu beurteilen.
Birkenstock-Sandalen: Wohl ein Handwerk – aber ohne künstlerische Leistung
Das OLG Köln erkannte in der Gestaltung der Birkenstock-Sandalen keine künstlerische Leistung, die einen Urheberrechtsschutz begründen könnte. Diese Ansicht bestätigte nun auch der BGH.
Birkenstock behauptete die Einordnung der Sandalen als Werke der angewandten Kunst. Daher musste der Sandalen-Hersteller auch den Nachweis einer persönlichen geistigen Schöpfung erbringen. Birkenstock brachte vor, dass die sich die Schutzwürdigkeit der Sandalen aus der individuellen Ausgestaltung von Sohlenform und -schnitt sowie der Materialauswahl ergebe. Dadurch würden die Sandalen ein „ikonisches“ und „brutalistisches“ Design erhalten.
Diese Ausführungen überzeugten allerdings weder das Kölner OLG noch den Karlsruher BGH: Die gestalterischen Entscheidungen von Karl Birkenstock gehen nach der Meinung der beiden Gerichte nicht über das bloße Handwerk hinaus. Bei der Entwicklung der Sandalen bestand zwar ein gewisser Spielraum. Karl Birkenstock orientierte sich jedoch bei der Entwicklung der Sandalen an bereits Vorbekanntem im Schuhmacherhandwerk und nutzte den Gestaltungsspielraum bloß in technisch-handwerklicher Weise aus. Demnach gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dieser Spielraum künstlerisch ausgeschöpft und über das Alltägliche hinaus erweitert wurde. Die Modelle unterscheiden sich nicht wesentlich von bereits bekannten Gesundheitssandalen. Ein ausreichender Nachweis dafür, dass Birkenstock den Gestaltungsspielraum auf eine kreative Weise nutzte, die seine Persönlichkeit widerspiegele, konnte dabei nicht erbracht werden.
Entscheidung auch für Design von Möbeln oder Mode relevant
Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die klare Unterscheidung zwischen technisch-handwerklicher und künstlerischer Gestaltung. Diese Unterscheidung ist für alle relevant, die Werke der angewandten Kunst schaffen – etwa in den Bereichen Möbeldesign, Mode oder Industriedesign. Sie stellt klar, dass funktionale Gestaltung allein nicht ausreicht, um Urheberrechtsschutz zu begründen, sondern eine kreative Leistung erkennbar sein muss. Im Fall der Birkenstock-Sandale lag keine hinreichende künstlerische Gestaltung vor; es wurde lediglich das handwerkliche Können ausgenutzt, ohne dass die Persönlichkeit des Designers in einer kreativen Weise zum Ausdruck kam.
Jedoch hat die Rechtsprechung in anderen Fällen bereits den urheberrechtlichen Schutz für ungewöhnlich gestaltete Lampen bejaht. Siehe dazu etwa ein Urteil des Kammergerichts Berlin zur sogenannten „Bauhaus-Glasleuchte“ von 2005 oder ein älteres Urteil des Bundesgerichtshofs zu künstlerisch gestalteten (Sitz-)Möbeln von Le Corbusier aus dem Jahr 1986. Einen urheberrechtlichen Schutz für Modeschöpfung verneinen die Gerichte jedoch regelmäßig.
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