Betrugsvorwürfe gegen US-Musikindustrie
Am 14. März hat die von Tanya Andersen beauftragte Kanzlei Lybeck Murphy die ergänzte Klageschrift für die Auseinandersetzung mit der Musikindustrie bei Gericht eingereicht. Bereits in der Einführung der 104-seitigen Klageschrift wird Klartext gesprochen: „Fast drei Jahre lang sahen sich Tanya Andersen und ihrer kleine Tochter einer unerhörten Folge grundloser Vorwürfe und der Bedrohung des finanziellen Ruins ausgesetzt. Die vier größten Plattenfirmen der Welt haben sich illegal zusammengeschlossen, um ihr weitgehendes Monopol für die Verbreitung von Musik zu bewahren. Dabei gehen sie ohne Rücksicht auf Unschuldige vor. Tote wurden verklagt. Kinder wurden verklagt. Menschen ohne Computer wurden verklagt.“
„Drohungen und Erpressungsversuche“
Die „Treibnetzfischerei“, mit der die Musikindustrie seit einigen Jahren vorgeht, sei „illegal und mit massiven Fehlern behaftet“, heißt es in der Klageschrift. Die von der Musikindustrie beauftragten Ermittler von MediaSentry hätten sich „rechtswidrig Zugang zu den Festplatten von Zehntausenden Amerikanern verschafft“ und die so ermittelten Daten „der RIAA und den vier großen Plattenfirmen verkauft“.
Auf der Basis dieser Daten wären die Plattenfirmen und die RIAA dann auf „betrügerische Weise…mit Drohungen, Zwangsmaßnahmen und Erpressungsversuchen“ gegen die von MediaSentry identifizierten Personen vorgegangen, um von ihnen Geld zu bekommen. Wenn diese Versuche nicht gefruchtet hätten, wären „Schuldeneintreiber“ zum Zuge gekommen, die unter dem Dach eines extra dafür eingerichteten „Vermittlungszentrums“ operiert hätten. Wenn die Plattenfirmen auch auf diesem Wege nicht zum Ziel gekommen wären, heißt es weiter, hätten ihre Anwälte schließlich zu Tausenden „grundlose und täuschende Klagen gegen Einzelne“ eingereicht. Damit hätten sie auch die Gerichte missbraucht. Mit der Sammelklage soll die Musikindustrie nach dem Willen von Andersen und ihren Unterstützern jetzt gestoppt werden.
Das zuständige Gericht muss nun entscheiden, ob die von Andersen initiierte Sammelklage gegen die Plattenfirmen, die RIAA, MediaSentry und das Vermittlungszentrum begründet und zulässig ist. Die Liste der im Einzelnen aufgeführten Rechtsverstöße ist lang. Sollte das Gericht tatsächlich einen Prozess ansetzen, könnte das für die Beklagten äußerst unangenehm werden. Sie wären dann gezwungen, praktisch alle von den Klägern geforderten Unterlagen, die verfahrensrelevant sind, herauszurücken. Bisher war es den Vertretern der Musikindustrie immer wieder gelungen, eine Offenlegung ihrer Unterlagen zu verhindern.
Zu Unrecht verklagt
Tanya Andersen war Anfang 2005 von mehreren Plattenfirmen und der RIAA wegen der angeblichen, illegalen Verbreitung von 1.046 Musikstücken im Internet verklagt worden. Andersens Anwälten war es allerdings gelungen, den Nachweis zu erbringen, dass die Musikstücke nicht über Andersens Internetzugang verbreitet worden waren. Im Auftrag von Andersen erhoben die Anwälte Gegenklage gegen die Vertreter der Musikindustrie. Die zogen Monate später ihre Klage gegen Andersen zurück und wollten Andersen auf ihren Anwaltskosten sitzen lassen. Für die Verteidigung gegen die ungerechtfertigten Vorwürfe waren damals schon zehntausende Dollar aufgebracht worden.
Andersen war nicht bereit, sich damit zufrieden zu geben. Sie verklagte die Plattenfirmen und die RIAA auf die Zahlung ihrer Anwaltsgebühren. Das Gericht befand zu Gunsten von Andersen und verurteilte Plattenfirmen und RIAA zur Erstattung der Anwaltsgebühren. Zur Begründung führte der Richter an, dass die Kläger seinerzeit ihre Sorgfaltspflichten verletzt hätten. Das sei im Interesse der Öffentlichkeit nicht hinnehmbar.
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