Bessere Menschen durch “offene Bildungsressourcen”?
Das Projekt „Open e-Learning Content Observatory Services“ (OLCOS) ist ein Zusammenschluss von sechs europäischen Institutionen unter der Leitung von Salzburg Research in Österreich, darunter auch zwei deutsche Partner, das Europäische Zentrum für Medienkompetenz in Marl/Düsseldorf und die Fernuniversität Hagen. In der Untersuchung ging es darum herauszufinden, wie offene Bildungsressourcen (Open educational resources – OER) die Lehre und das Lernen verändern können. Nun liegt – zunächst nur in englischer Sprache – die so genannte Roadmap vor, in der die Beteiligten empfehlen, wie OER eingesetzt werden sollten.
Weg von der Lehrer-zentrierter Wissensvermittlung
Die Fähigkeiten, die dazu verhelfen, in einer wissensbasierten Gesellschaft zu bestehen, würden häufig nicht gefördert, wenn Bildungseinrichtungen und Lehrer davon ausgingen, dass die Lehrer die „Wissensspender“ sind („dispensers of knowledge“), kritisieren die Autoren der Roadmap und schreiben: „Dieses Modell wird von vielen Experten und Praktikern der Lehre kritisiert, und es ist oft diskutiert worden, dass eine Bildungsrevolution nötig ist, die durch E-Learning-Methoden, neue Bildungswerkzeuge und Inhalte angeregt werden könnte, die über das Web verfügbar sind.“ Diese Revolution sei deshalb noch nicht eingetreten, weil derartige Bildungsinnovationen eine neue Lehrkultur und Mentalität voraussetzten, außerdem starke organisatorische Hindernisse in den etablierten Bildungseinrichtungen überwunden werden müssten. Daher gehen die Autoren davon aus, dass sich die Situation eher langsam verändern wird.
Diese Situation könne allerdings durch offene Bildungsressourcen nur bedingt beeinflusst werden. „OER können zwar eine treibende Kraft hin zu einer derartigen Veränderung sein, aber nur wenn Lehr-Richtlinien und Organisationsstrukturen Lehrer und Lernende befähigen, diese Ressourcen sinnvoll zu nutzen“, so die Studie. Wenn die derzeitige Praxis von Lehrer-zentrierter Wissensvermittlung bestehen bleibe, werden OER nur einen geringen Einfluss haben. Dennoch sei es sinnvoll, sie einzusetzen. Die Autoren zitieren den Bildungsexperten C. Sidney Burrus, der in den Anhörungen zur Studie gesagt hatte: „Traditionellen Lehrern moderne offene Bildungsressourcen an die Hand zu geben, ist wohl nicht so effektiv, wie die Variante, sie modernen Lehrern zur Verfügung zu stellen, aber es ist besser als nichts. Wichtige Veränderungen geschehen in zwei Phasen: Zuerst macht man die alte Aufgabe besser, dann definiert man die Aufgabe neu. Einige der traditionellen Lehrer werden sich verändern, aber langsam und teilweise. Ich empfehle, jeden zu beteiligen, der bereit ist mitzumachen.“
Was sind Offene Bildungsressourcen?
Es gibt bisher keine eindeutige Definition dafür, was OER ausmacht; für die Studie wurden folgende Bestandteile zugrunde gelegt:
– der Zugang zu Inhalten und deren Metadaten ist für Bildungsinstitutionen, Lehrer, Schüler und Studenten sowie „content services“ kostenfrei;
– Inhalte sind wenig restriktiv lizenziert, so dass sie im Unterricht einfach verwendet werden können. Die Lizenzen sollen möglichst erlauben, dass die Inhalte verändert und in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet werden können. Dafür geeignet sind vor allem offene Standards und Formate;
– Software sollte als Open Source mit offenen Schnittstellen (open APIs) vorliegen, so dass Web-basierte Dienste frei verwendet werden dürfen, etwa für RSS-Feeds.
Ein wichtiger Bestandteil eines umfassenden OER-Ansatzes sind nach Einschätzung der Autoren auch so genannte Open Access Repositories, also Datenbanken, aus denen vor allem wissenschaftliche, aber auch andere Veröffentlichungen kostenfrei abgerufen werden können. Doch hier sehen sie ein Manko: „Das Kernproblem aktueller Open Access Repositories ist, dass sie Lehrende und Lernende als Konsumenten von Inhalten sehen, die nützliches Material herunterladen wollen. Ein besserer Ansatz wäre, Interessengemeinschaften zu fördern, die sich um ein bestimmtes Thema herum bilden (etwa Geschichte oder Biologie), indem ermöglicht wird – zusätzlich zu den Inhalten –, Kommentare zu Fragen abzugeben, wie man die Inhalte am besten nutzt, seine eigenen Projektergebnisse zu dokumentieren, Links zu verwandten Themen anzulegen und neue Ideen in bestimmten Fachgebieten zu diskutieren.“
„Lurken“ oder beitragen: Wie viele machen mit?
Bei der Frage, wie viel Teilnahme an derartigen Projekten erwartet werden kann, kommt die Studie zu interessanten Schlussfolgerungen. Nicht-repräsentative Statistiken zur Nutzung von Yahoo Groups zeigen, dass ein Prozent der Nutzer eine eigene Gruppe anlegt und zehn Prozent sich aktiv beteiligen, indem sie eine Diskussion beginnen. Strategien, eine ähnliche Beteiligung zu erreichen – also zehn Prozent Nutzer, die zu dem ursprünglichen Inhalt selber etwas beitragen –, müssten auf der so genannten „Searching–Lurking–Contributing“-Theorie beruhen. Danach suchen potenzielle Nutzer über Suchmaschinen Inhalte, die sie interessant finden. Dann beobachten sie vor allem Ballungen von Inhalten, die sie interessieren (etwa ein Wiki, Weblog oder Forum zum Thema), ohne aktiv teilzunehmen („lurking“). Schließlich beginnen sie, selber etwas hinzuzufügen. Daher müssten Bildungs-Communities dafür sorgen, dass neue Interessenten nicht ausgesperrt werden, nur weil sie nicht von Beginn an etwas beitragen, und aktiv Informationen streuen, um die Interessengruppe zu vergrößern, etwa durch RSS-Feeds oder Newsletter.
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