Bericht zum britischen Urheberrecht löst gemischte Reaktionen aus
„Ein ideales System des geistigen Eigentums schafft Anreize zur Innovation, ohne den Zugang für Verbraucher und Folgeinnovatoren unnötig einzuschränken“, schreibt Gowers in seinem Vorwort. In diesem Sinne empfiehlt er, das britischen Regulierungssystem für geistiges Eigentum in drei Aspekten zu reformieren: bestehende Rechte sollen besser durchgesetzt werden können; die Kosten dafür, Schutzrechte anzumelden und durchzusetzen, aber auch anzufechten, sollten für alle Betroffenen verringert werden; vorhandenes geistiges Eigentum sollte flexibler genutzt werden können.
Gowers fordert in dem 150 Seiten starken Bericht unter anderem, Verletzungen geistiger Eigentumsrechte so zu behandeln wie Rechtsverstöße in der physischen Welt. Unerlaubt Online-Kopien herzustellen soll auch dann, wenn das ohne Gewinnerzielungsabsicht, aber in größerem Umfang geschieht, mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Privatnutzer sollen aber Kopien machen dürfen, was nach britischem Recht bisher unzulässig ist. Außerdem soll die britische Regierung das Europäische Abkommen zur Regelung von Patentstreitigkeiten (EPLA) vorantreiben, damit ein EU-weit zuständigen Berufungsgerichts eingerichtet werden kann.
British Library erfreut
Lynne Brindley, Chefin der British Library, begrüßte die Vorschläge des Gowers-Berichts: „Wir sind insbesondere darüber erfreut, dass der Gowers-Bericht empfiehlt, privates Kopieren für Forschungs- und Archivzwecke […] zu erlauben.“ Die British Library hatte mehrfach davor gewarnt, dass ein zu striktes Urheberrecht negative Folgen haben könnte für die Archivierung kulturellen Erbes (siehe Linkliste unten).
Cliff Richard empört
Kein Verständnis zeigt der Gowers-Bericht für die Forderung von Musikern und Vertretern der Musikindustrie, die urheberrechtliche Schutzfrist für Musikaufnahmen von derzeit 50 Jahren nach Veröffentlichung auf 95 Jahre zu verlängern. Im Gegenteil: der EU-Kommission wird ausdrücklich empfohlen, die 50-Jahre-Regelung beizubehalten. In seiner ausführlichen Begründung schreibt Gowers dazu unter anderem: „Die vorliegenden ökonomischen Zahlen sprechen dafür, dass bereits die jetzt gültige Schutzfrist bei weitem das notwendige Maß überschreitet, um Anreize für neue Werke zu schaffen.“
Bereits vor Veröffentlichung des Berichts hatten Musikindustrie und einige Musiker – neben Cliff Richard sprachen sich auch andere bekannte Künstler wie Paul McCartney, Peter Gabriel und U2 für die Verlängerung der Schutzfrist aus – in einer Lobby-Kampagne mobil gemacht. In ganzseitigen Zeitungsanzeigen forderten sie „Fairness“ und „Gleichbehandlung“ für darbietende Künstler. Ihnen sollten, so sagte Cliff Richard gegenüber der BBC, „die gleichen Rechte“ gewährt werden wie den Songwritern, deren Werke Urheberrechtsschutz bis 70 Jahre nach ihrem Tod genießen – alles andere wäre „ungerecht“.
Peter Jamieson, Vorsitzender des britischen Musikindustrie-Verbandes BPI, machte sich gegenüber der schottischen Zeitung The Herald ebenfalls für eine Verlängerung der Schutzrechte stark: „Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, darbietende Künstler – die ein wesentliches Element des kreativen Mixes darstellen – zu diskriminieren. Es ist auch nicht zu rechtfertigen, dass Großbritannien und Europa im globalen Musikmarkt schlechter gestellt werden. Eine Musikaufnahme ist urheberrechtlich genauso wichtig wie eine Musikkomposition oder ein Film und verdient dieselbe Schutzdauer.“
Cliff Richard, der im Laufe seiner Karriere bisher mehr als 250 Millionen Platten verkauft hat, hatte seinen ersten Hit im Jahr 1958. Unter geltendem Recht läuft der Urheberrechtsschutz für „Move It“ im Jahr 2008 aus, die Rechte für Richards Hit „Living Doll“ im Jahr darauf. Von da an hätten Richard und seine Plattenfirma keinen Anspruch mehr auf Lizenzgebühren für die Verwertung der Aufnahmen, weshalb sie die Initiative ergriffen haben.
Kritiker: Kampagne ist „absolut lächerlich“
Für Simon Frith, Professor an der Universität von Edinburgh und Vorsitzender des Mercury-Musikpreis-Komitees, ist die Kampagne „absolut lächerlich“. Für ihn seien „50 Jahre eine völlig ausreichende Zeitspanne, um für eine einzelne Musikaufnahme entlohnt zu werden“.
James Boyle, Rechtsprofessor an der Duke-Universität, geht in seiner Kritik in der Financial Times noch weiter. Was die Musikindustrie und die sie unterstützenden Musiker verlangten, sei schlicht und einfach „Vertragsbruch“. Die Musikindustrie und die Musiker hätten vor 50 Jahren genau gewusst, worauf sie sich einließen, als sie die Musikaufnahmen veröffentlichten. Die geltende Schutzfrist hätte ihnen seinerzeit genug wirtschaftliche Anreize geboten. Rückwirkend die Schutzfrist zu ändern würde bedeuten, die Öffentlichkeit um ihren Profit aus dem Vertrag zu bringen – den umfassenden Zugang zu kulturellen Gütern.
Musikindustrie will nicht aufgeben
John Kennedy, Vorsitzender des internationalen Verbandes der Musikindustrie (IFPI), hat bereits angekündigt, sich nicht mit dem Status quo zufrieden zu geben: „Wenn die britische Regierung nicht bereit ist, das Urheberrecht anzupassen, müssen wir unsere Kampagne in Europa fortsetzen“, sagte er gegenüber der BBC.
Die Musikindustrie setzt nicht nur auf Lobbyismus, um sich die Einnahmen aus Musikaufnahmen zu sichern, deren Urheberrechtsschutz bereits abgelaufen ist oder kurz davor steht, abzulaufen. Wer die Jazz-Abteilungen im Musikladen durchsucht, stößt seit kurzem immer häufiger auf den Hinweis „Copy Controlled“ auf CDs mit Aufnahmen aus den 1950er Jahren. Da der Kopierschutz nicht umgangen werden darf, nützt es den Käufern wenig zu wissen, dass der Urheberrechtsschutz abgelaufen ist. Kritiker warnen seit langem, dass durch die Regelungen zum Kopierschutz, die in der EU-Urheberrechts-Richtlinie von 2001 festgeschrieben wurden, Technik vor Recht gehe und die Öffentlichkeit gegenüber den Rechteinhabern benachteiligt werde.
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