Fair use und Recht auf Remix sorgen für kontroverse Diskussionen
Mit einem Zuruf an die Politik eröffneten Gerhard Pfennig von der Initiative Urheberrecht und Philipp Otto von iRights.Lab heute morgen den gemeinsam veranstalteten Urheberkongress 2013: „Aus der Sicht der Urheber war die Politik dieser Regierung eine Enttäuschung. Die abwartende Herangehensweise der Kanzlerin gefällt den Urhebern nicht“, so Pfennig. Otto ergänzte: „Uns ist wichtig, dass das Urheberrecht im kommenden Koalitionsvertrag eine Aufwertung bekommt.“ Die von ihm genannten konkrete Anforderungen, etwa ein Recht auf Remix und Recht auf Privatkopie,waren im ersten Kongress-Blocks die Hauptthemen der Diskussionen auf dem Podium und mit dem Publikum, neben Fair use und unterschiedlichsten Vergütungsmodellen.
Thomas Krüger: Urheberrecht sollte „Eigentumstitel”, kein Hemmschuh sein
Rund 300 Teilnehmer fanden den Weg in die Verdi-Hauptzentrale in Berlin, um an dem Kongress teilzunehmen. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, erläuterte in einem recht ausführlichen Grußwort die gesellschaftliche Dimension der Urheberrechtsdiskussion: „Als Gesellschaft müssen wir uns die Frage stellen, welche Informationen wir hinter Paywalls wegschließen wollen und welche frei zugänglich sein sollen, etwa in Bibliotheken und Bildungseinrichtungen.“
In einem Urteil dazu habe das Bundesverfassungsgericht klargemacht, dass moderne Gesellschaften auf den einfachen Zugang zu Wissen angewiesen seien. Das Urheberrecht, so Krüger, sei der „Eigentumstitel“, mit dem Inhalte auch kommerziell verwertet werden könnten. Doch es müsse verständlich sein, dann habe es große Chancen, ein akzeptiertes Recht zu werden. Er sehe diesbezüglich Änderungsbedarf, damit es sich nicht als Hemmschuh erweise.
Helga Trüpel: Europa will flexiblere Regeln
Auch auf europäischer Ebene würden Änderungen des Urheberrechts erwogen, so Helga Trüpel, Mitglied des Europäischen Parlaments und dort stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Kultur. In der kommenden Legislaturperiode stünden, so Trüpel, mehrere Überlegungen auf der Agenda, die darauf abzielten, die Rechte der Urheber zu sichern und die Kriminalisierung der Nutzer zu verhindern.
Sie nannte eine mögliche Erweiterung der Leermedienabgaben, insbesondere auf Cloud Computing, zugleich sollen die Abgabesysteme einfacher und transparenter für Nutzer werden. „Die EU-Kommission will eine vereinfachte Rechte-Klärung erreichen, gerade für kleine Unternehmen, am besten ein One-Click-Licensing“, so Trüpel.
Ihrer Meinung nach gehe der euro-politische Trend hin zu einer Flexibilisierung, zu mehr offenen und freien Lizenzen für Content, die durch die Urheber vergeben werden können. Dafür müsse sich aber zugleich das gesellschaftliche Verständnis für Vergütung und Entlohnung von Urhebern weiter entwickeln. „Es geht auch dem europäischen Parlament darum, dass Urheberrecht an die Realitäten des 21. Jahrhunderts anzupassen.
Karl-Nikolaus Peifer: „Internetzugangsgebühr” möglich
Karl-Nikolaus Peifer, Professor am Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht an der Universität Köln, stellte die rechtlichen Entwicklungen rund um die private Nutzung urheberrechtlicher Werke vor. So bleibe die Privatkopie als solche unangetastet. Zwar halte er die Überführung von Vergütungsmodellen aus der analogen Welt – wie Leermedien- und Geräteabgaben – in die digitalen Gegebenheiten – Downloads, Streaming, Cloud-Computing – für schwierig, doch laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs sei dies möglich und hinreichend.
Bei seiner Abwägung unterschiedlicher Vergütungsmodelle für die private Nutzung eröffnete Peifer die Diskussionen des Vormittags, die mehrheitlich um Flatrate-Modelle und das sogenannte „Fair use“ kreisten, also eine Erlaubnis für Nutzer, um fremde, urheberrechtlich geschützte Werke remixen und bearbeiten zu dürfen.
So sei eine Internetzugangsgebühr, die nach Berechnungen von Professor Spindler aus dem Jahre 2012 zwischen 6 und 95 Euro betragen müsste und alternativ als steuerfinanzierte Medienabgabe erhoben werden könnte, zwar nur „eine Second-best-Lösung, aber konzeptionell tragbar“. Gleichwohl wäre sie industriepolitisch, rechtspolitisch und verteilungspolitisch wohl eher unbeliebt, so Peifer.
Bei Fair use zitierte er ein von iRights.Law-Mitglied Till Kreutzer entwickeltes Modell, nach dem es zulässig sein könnte, veröffentlichte Werke zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben, zu bearbeiten und umzugestalten. Eine wesentlich Bedingung dafür sei, dass diese eine selbständige eigene geistige Schöpfung darstellten, und sich vom Sinngehalt und von der geistig-ästhetischen Wirkung von den aufgenommenen Werken unterscheiden, also eine „transformative Werknutzung“ vorliege, die das Ausgangswerk nicht schädige.
Widerstände gegen Remix und Mashup
Derlei Vorschläge, der Kulturtechnik des Remix und Mashups mehr rechtliche Räume zu geben, stieß bei nachfolgenden Podiums- und Publikumsbeiträgen teilweise auf erregten Widerstand, etwa beim Musiker Matthias Hornschuh oder beim Drehbuchautoren Jochen Greve. Sie konstatierten, dass gerade die Weiter- und Zweitverwertungen ihrer Werke wichtige Einkommensquellen seien, die man ihnen nicht wegnehmen dürfe.
Für Lina Ehrig vom Verbraucherzentrale Bundesverband müsse man aber auch die Realität des Mediennutzungsverhaltens akzeptieren: „Digitale Medien machen es eben leicht, zu nutzen, zu remixen, und das macht allen Spaß. Ob da eigene Werke entstehen, das müssen im Zweifel Gerichte anhand von Einzelfallentscheidungen für Klarheit sorgen.“ Es sei hierbei wichtig, dass das Urheberrecht leichter und verständlicher gefasst wird, damit die Nutzer einen Rahmen erhalten, bis wohin sie gehen könnten. Momentan hätten sie in der Praxis nicht die Möglichkeit, sich legal Lizenzen einzuholen und legal zu agieren.
„Als Autor halte ich Fair use für Unsinn“, so Greve. Dieser Grundsatz sei in den USA entstanden und dort gebe es ganz andere Strukturen und Vertragsverhältnisse zwischen Auftraggebern und Autoren. Sie könne man in Deutschland so nicht durchsetzen, etwa die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft als Voraussetzung für eine Beschäftigung bei einer Filmproduktion.
Leonhard Dobusch: Fair use dringend gefordert
Für Leonhard Dobusch, Professor an der Freien Universität Berlin, zeigte sich „Geh wählen“-Video der IG Metall, das gerade im Netz Aufsehen erregt, beispielhaft, wie dringend eine Fair-use-Regelung nötig sei. Das Video würde vermutlich in einem Dutzend Fällen das deutsche Urheberrecht verletzen. „In den USA wäre dieses Video durch Fair use abgedeckt. Eine Fair-use-Schranke würde es erleichtern, solche Remix-Videos zu erlauben.“
Mehrere Teilnehmer schlugen vor, die Internetservice-Provider und großen Internetfirmen in die Pflicht zu nehmen, um die private Nutzung im Netz zu vergüten. Diese würden im Internet für Wertschöpfung sorgen und dort maßgebliche Erlöse erzielen, an denen über entsprechende, auch gesetzlich formulierte Abgaberegelungen die Urheber beteiligt werden müssten.
Nicht zuletzt meldeten sich die Repräsentanten der Verwertungsgesellschaften – GVL, VG Wort, VG Bild-Kunst – zu Wort, die sich als erfahrene und infrastrukturell gut aufgestellte Organisationen anboten, um erweiterte Aufgaben im Dienste neuer Vergütungsmodelle zu übernehmen. Genaue diese Verwertungsgesellschaften sah Professor Peifer in einem zusammenfassenden Statement in der Pflicht. Auch wenn es um deren Image derzeit nicht immer zum Besten bestellt sei, „wir sollten sie verfeinern, aber nicht zerstören“, so Peifer.
* Der Urheberkongress 2013 wurde veranstaltet von der Initiative Urheberrecht zusammen mit dem iRights Lab.
11 Kommentare
1 Stefan Herwig am 7. September, 2013 um 15:29
Viele Punkte wurden hier m.E unterschlagen ode rverzerrt dargestellt.
vielleicht sollte sich irights demnächst um eine neutralere Zusammenfassung bemühen…
2 Henry Steinhau am 7. September, 2013 um 16:12
@Stefan Herwig: Welche Punkte meinen Sie denn, die unterschlagen oder verzerrt dargestellt wurden?
Konkrete Ergänzungen oder Ihrer Meinung nach notwendige Klarstellungen sind durchaus willkommen.
3 Volker Rieck am 8. September, 2013 um 11:35
Fangen wir doch mal mit der Begrüßung an.
Als Co Gastgeber einer solchen Veranstaltung hielte ich eine moderate bzw. neutrale Begrüßung der Teilnehmer für angemessen.
Am Freitag wurde gleich mal Stimmung gemacht. Stichwort Leistungsschutzrecht für Presseverlage.
Das hat Herr Pfennig deutlich souveräner gemacht.
Es ist schön, dass man hier etwas von den Statements von Herr Dobusch liest. Ich saß hinten, ich konnte ihn nicht verstehen. Aber nicht wegen der Akustik sondern weil er schneller sprach als ein Maschinengewehr. Das gepaart mit seinem Akzent hat es mir unmöglich gemacht, ihm zu folgen.
Was, um auf Akustik zu kommen, bei anderen Wortmeldungen durchaus möglich war. +
Was war von den zahlreichen Wortbeiträgen der Irights Aktivisten zu halten?
Schwierig. Das neue Lieblingskind ist ja der Remix. Auf die berechtigte Frage, wieviele Nutzer (Remixer) das denn überhaupt betrifft kam dann eher so eine halbgare Aussage, auch die Musik, die irgendwo im Hintergrund eines Videos trällert, wäre transformative Werknutzung. Ähemmm.
Und beim Thema Privatkopie habe ich mir bei mancher Irights Äußerung an den Kopf gefasst. Da erwarte ich von einem Juristen etwas mehr Wissen und Durchblick. Von einer Verbraucherschützerin übrigens auch.
Genau das hat ja auch Matthias Hornschuh angemahnt und ein konkretes Beispiel genannt, dem der anwesende Angesprochene nichts entgegen setzen konnte. Ganz einfach, weil er an anderer Stelle mit Unwissen gearbeitet hat.
Wenn Irights an dem Freitag irgendwie punkten wollte, dann kann ich das nur als misslungen betrachten.
Das einzig positive ist die Tatsache, dass hier gemeinsam diskutiert wurde, miteinandern und nicht übereinander.
4 Henry Steinhau am 8. September, 2013 um 12:59
@ Volker Rieck: Sie schreiben, „Und beim Thema Privatkopie habe ich mir bei mancher Irights Äußerung an den Kopf gefasst.“
Konkretisieren Sie doch mal, welche Äußerung Sie meinen und was daran zum ‘an den Kopf fassen‘ sein soll.
Und welche der Äußerungen von Herrn Hornschuh meinen Sie konkret – ohne dies zu präzisieren, läuft Ihre Kritik ins Leere, weil sie nicht wirklich greifbar ist.
5 Volker Rieck am 8. September, 2013 um 13:26
OK, dann wollen wir mal.
Es war Herr Kreutzer, der seine (vermutlich existierende?!) 6 jährige Tochter ins Spiel brachte, die sich von einer Webseite ein pdf herunterlädt. Er verbucht das unter Privatkopie. Bitte noch mal genau schauen, wie die Privatkopie definiert ist, denn nach der Argumentation ist der Download einer urheberrechtlich geschützten Datei von einem Filehoster ebenfalls Privatkopie.
Matthias Hornschuh hat den auf der Tagung in Wien angesprochenen Fall des Filmmusikkomponisten benannt.
Da wurde nämlich (erneut von Herr Keutzer)allen Ernstes erzählt, dass diese mit einer Einmalzahlung abgegolten werden. Fragen Sie gern mal bei einem Komponisten nach, wie es sich in der Realität verhält, was Verwertung bedeutet.
Dieses Wissensdefizit hat Matthias Hornschuh kritisiert und berechtigterweise Applaus erhalten.
6 Philipp Otto am 8. September, 2013 um 15:23
Hallo Herr Rieck,
kurz zu Ihrer allgemeinen Kritik (Kommentar No 2). Der Kongress war auch deswegen ein Erfolg, da es hier der Initiative Urheberrecht und iRights gelungen ist, eine breite Palette an Themen konstruktiv und unter Einbeziehung von sehr vielen Interessierten diskutieren zu lassen.
Es ging uns um die Frage, wie ein Urheberrecht für die Zukunft ausgestaltet sein soll. Mit Blick auf die Bundestagswahl haben wir uns hier im Vorfeld auf etliche inhaltliche Schwerpunkte verständigt. Die Slots haben wir jeweils mit Vertretern widerstreitender Positionen besetzt. Dies ist uns aus unserer Sicht gelungen.
Wichtig war, dass die Themen aus Sicht der Urheber und der Nutzer diskutiert werden, da dies einerseits die wichtigste und andererseits die größte Gruppe der Beteiligten bzw. Betroffenen im und vom Urheberrecht ist. An dieser Stelle muss auch kurz für die anderen Leser dieser Diskussion darauf hingewiesen werden, dass Sie als beruflichen Background die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen haben. Vielleicht täusche ich mich, aber alleine aus diesem Grund dürften Sie kein Interesse an einer Modernisierung des Urheberrechts haben? http://www.dach-contentprotection.org/volkerrieck.html
Sie kritisieren meine einleitenden Worte, in denen ich darauf hingewiesen habe, dass das Leistungsschutzrecht für Presseverlage eine Schnapsidee war. Zwar etwas vornehmer ausgedrückt, aber das ist auch die überragende Meinung der Urheberrechtsexperten in Deutschland. Quer über alle Schulen und strukturellen Zugehörigkeiten hinweg. Nicht zuletzt auch der Fachausschuss der GRUR teilt die Kritik. Ein Hinweis darauf dürfte also keine Stimmungsmache, sondern vielmehr eine Beschreibung der Realität sein. Wenn dies der einzige Punkt der von Ihnen ausgemachten fehlenden Neutralität bei der Begrüßung oder Verabschiedung war, bin ich aber beruhigt.
Dass man hinten im Saal akustisch nicht soviel verstanden hat, sollte nicht sein. Und ja, Herr Dobusch hat schnell gesprochen, ich konnte ihn aber gut verstehen. Schade dass dies hinten bei Ihnen nicht möglich war.
Auf jeden Fall Danke für Ihre Anmerkungen und die konstruktive Kritik.
Besten Gruß
Philipp Otto
7 Volker Rieck am 8. September, 2013 um 17:38
Hallo Herr Otto,
Das ist jetzt in der Tat etwas merkwürdig.
Wieso schließen Sie aus der Kurzbeschreibung darauf, dass ich ein Gegner einer Modernisierung bin?
Ich weiss nicht, ob Sie im November vor 2 Jahren bei der GVU zugegen waren und meinem Vortrag gesehen haben.
Ich vermute nicht. Denn wären Sie es, hätten Sie es so nicht geschrieben.
An dem Freitag habe ich brav Herrn Kreutzer meine Karte in die Hand gedrückt, für den Fall, dass er noch weitere Informationen zum Thema unregulierte Distribution benötigt. Dort geht es um Filehosting (Rapidshare und Co.) und nicht, auch wenn Sie das sicher lieber hätten, um das Vorgehen gegen Filesharing inkl. Abmahnanwälte.
Das machen wir nicht. Oder in anderen Worten: Sie täuschen sich.
Und, trotz Google haben Sie leider nicht herausgefunden, dass ich ebenfalls Geschäftsführers eines kleinen Gamepublishers bin, der hautnah die Folgen der unregulierten Distribution (hier auch wieder Filehosting!) zu spüren bekommt.
Mein Angebot, Ihre Organisation (ich glaube sie standen direkt dabei) mit Hintergrundinformationen zu versorgen, steht nach wie vor.
8 Philipp Otto am 8. September, 2013 um 17:46
Hallo Herr Rieck,
nicht umsonst habe ich deswegen eine Frage gestellt und keine Aussage getätigt. Umso besser also. Bei der GVU vor zwei Jahren saß ich sogar auf dem Podium. Verzeihen Sie mir dass ich mich an Ihren Vortrag nicht mehr im Detail erinnere.
Wir werden Ihr Angebot auf jeden Fall annehmen. Besten Dank dafür. Bitte eine kurze E-Mail an otto@irights.info
Viele Grüße
Philipp Otto
9 Volker Rieck am 8. September, 2013 um 18:07
Hallo Herr Otto,
im Kontext sieht die Frage trotzdem merkwürdig aus, wenn Sie mir den Hinweis gestatten.
Mein Vortrag beschäftigte sich mit den Geschäftsmodellen der Filehoster bzw. anderen Teilnehmern des Marktes sowie Menschen und Maschinen. Er fand im Erdgeschossbereich statt, es gab auch Vorträge im 1. Stock.
Ich sende Ihnen mal meine Kontaktdaten.
Gruß
Volker Rieck
10 Till Kreutzer am 8. September, 2013 um 18:45
@Herr Rieck: Ich verstehe nicht,wollen Sie damit sagen, dass Downloads aus dem Netz niemals Privatkopien sind?
11 Volker Rieck am 8. September, 2013 um 20:14
Hallo Herr Kreutzer,
Anders: So wie Sie es am Freitag beschrieben haben, wäre jeder Download (auch der eines urheberrechtlich geschützten Werks) per se eine Privatkopie.
Das kollidiert meiner Meinung nach mit der Definition des Gesetzgebers dazu.
Mit andere Worten, es ist weit vielfältiger als die Erklärung vom Freitag.
Gruß
Volker Rieck
Was sagen Sie dazu?