Ben Scott: „Das Internet ist zu einem öffentlichen Gut geworden“

Foto: Eric Bridiers, CC BY
Ben Scott war Berater für Innovation bei US-Außenministerin Hillary Clinton, seit kurzem leitet er gemeinsam mit Stefan Heumann das Programm „Europäische Digitale Agenda“ bei der in Berlin ansässigen Stiftung Neue Verantwortung. Aus seiner Sicht war das Internet einst als regulierter kommerzieller Dienst gedacht, doch durch seine weltweite, massenhafte und auf mobile Kommunikationsgeräte ausgedehnte Verbreitung sei es zu einem öffentlichen Gut geworden. Und Wesen eines öffentlichen Gutes sei es, quasi im Überfluss und für jeden gleichberechtigt verfügbar zu sein, sich „neutral“ gegenüber Nutzern und Nutzung zu verhalten.
Dem stünde gegenüber, dass Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt und Nutzer ungleich behandelt würden, weil Zugangs- und Transport-Methoden kommerzialisiert werden. Gewiss komme es in der gesamten Internet-Infrastruktur immer wieder zu technologisch bedingten Engpässen und Stau-Situationen, die nur mit großem Aufwand und Investitionen aufgelöst werden könnten. „Und dass große Unternehmen, wie in Deutschland die Deutsche Telekom, sich diese Engpässe zu Nutzen machen wollen und auf Basis von Kommerzialisierung die Verknappung favorisieren, das sollte nicht verwundern. Es ist doch vielmehr zu erwarten, dass Manager eines Wirtschaftsunternehmens so handeln müssen, auch wenn sie so eine Art ‚kreative Zerstörung’ des quasi-öffentlichen Kommunikationsraums Internet betreiben“, so Scott: „Wenn viel Geld im Spiel ist, geht bei Unternehmen die Rationalität verloren“.
Doch genau deswegen halte er staatliche Richtlinien für erforderlich, um die Netzneutralität zu erhalten. In Deutschland sei ein breiter gesellschaftlicher Diskurs dringend notwendig, um solche Richtlinien zu entwickeln und durchzusetzen. Hierfür sehe er unter anderem die Bundesnetzagentur in der Pflicht, aber auch die einzelnen Landesmedienanstalten, um entsprechende Entwürfe zu erarbeiten. Wenn sich die Gesellschaft für das Internet als öffentliches und neutrales Gut entscheide, so Scott, dann müsste sie es auch als Teil der staatlichen Fürsorge betrachten, Netzneutralität zu sichern und auszubauen. Doch bis dahin sei es wohl noch ein langer Weg mit vielen Debatten.
4 Kommentare
1 Stefan Herwig am 11. September, 2013 um 14:19
Mit viel Phantasie könnte man das Internet aöls öffentliches Gut bezeichnen, wobei das netz so viel umfasst, dass ich es garnicht in eine Güterkategorie schmeißen würde. Wir sagen ja auch nicht, dass komplexe Systeme wie eine “Wirtschaftsgesellschaft” ein “gut” ist.
Aber: Darauf das Argument mit einer definierten Netzneutralität zu satteln geht fehl, denn der ZUgang zum Netz selber, die Verbindungsqualität hat natürlich IMMER Rivalität, und auch exklusivität, insofern kann eine Internetverbindung kein öffentliches Gut sein.
Das ist schon eine abenteuerliche Argumentation, die hier vielleicht etwas mehr kritische Distanz erfordert hätte.
SH
2 Henry Steinhau am 11. September, 2013 um 14:55
@Stefan Herwig: Zunächst einmal: Obiger Text ist erkennbar eine nachrichtliche Meldung, die zusammenfassend wiedergeben will, was der betreffende Referent öffentlich sagte. Wie (distanziert) dessen Aussagen und Rückschlüsse zu bewerten sind, ist an anderer Stelle vorzunehmen. Beispielsweise mit einem Kommentar.
Zur Sache: So „abenteuerlich“ finde ich Scotts Argumentation keineswegs, nimmt man sie als prinzipielle Überlegung. Mir würde hier beispielsweise die Analogie zu Gewässern einfallen. Sofern als öffentliches Gut definiert, sollte der Zugang zu ihnen, beispielsweise zu einem See in der Gemeinde oder in der Stadt, jedem völlig diskriminierungsfrei zustehen. Das schliesst eine (komplette) Privatisierung der den See umgebenden Flächen oder Grundstücke aus, aber auch etwaige Inkasso-Schranken oder Privilegien.
Dass der Zugang zum Internet und die Archtiektur des Internet durch technische Geräte und deren Eigenschaften bei der Datenhandhabung definiert sind, macht die Betrachtung eines solchen „Systems“ als öffentliches Gut zugegebenermaßen nicht einfacher, im Gegenteil – aber warum soll dies nicht möglich sein?
Stromnetze, Wasserstraßen, Luft- und Straßenverkehr sind mitunter auch komplex in der Regulierung und doch sind Diskriminierungs-Aspekte berücksichtigt – oder?
Zudem werden sie ja auch immer wieder neu verhandelt, Stichwort LKW- und PKW-Maut.
Und genau diese Verhandlungen auf der gesellschaftlich-politischen Ebene sind meiner Auffassung nach gemeint, wenn man zum Nachdenken über das Internet als „öffentliches Gut“ anregt – oder nicht?
3 Harry Steinhau am 18. Oktober, 2016 um 08:14
Lieber Harry Steinhau,
Danke für die ausführliche Antwort, die ich leider jetzt erst gesehen habe, deswegen mein spätes Feedback.
IhrenSee-Metapher gefällt mir gut. Daran möchte ich anknüpfen. Zwar kann man einen öffentlich zugänglichen See auch als öffentliches Gut bezeichnen, jedoch gilt das nicht für das gesamte Sytsem “See”, inklusive der darin schwimmenden Boote, Schiffe und Surfbretter. DIese sind garantiert keine öffentlichen Güter. Aber genauso verwendet Scott ja seine Internet-interpretation. Er sagt also nicht, dasss er sich nur auf die Zugangs- oder die Diensteebene beschränkte, sondern auf quasi das Gesamtsystem.
Wenn sie nun an diesem See einen Treetbootverleih aufmachen wollen, hat diese Einordnung für sie erhebliche auswitkungen, denn ihre Treetboote sind garantiert keine öffentlichen Güter….
4 Stefan Herwig am 18. Oktober, 2016 um 08:23
…. und genau so relevannt ist die Äusserung von Scott für zum Beipiel Access Provider, denn deren Internetzugang ist auch definitiv kein öffentliches gut. Er soll aber einer werden, zumindest in der Argumenttation von Scott.
Genauso wie also der Treetbootbetreiber in Scoots Argumentation mal eben “mit demokratisiert wird” so wird auch hier dann der Netzzugang zu einem quasi- öffentlichen Gut. Dabei wird “Netzzugang” garantiert mit Ressoaurcen und einem Aufwand realisiert, der definitiv kein öffentliches gut ist.
Günther Dück hat zum Thema Netzneutralität mal gesagt: “Netzneutralität …Das hört sich auf den ersten Blick nach einer guten Idee an, genauso wie freies Letiungswasser für alle. Aber was machen sie mit den Leuten, die damit ihre Parkanlagen sprengen?
Was sagen Sie dazu?