Neues Werk – altes Vorbild: Wie viel Abstand ist genügend für die freie Bearbeitung?
KI-generiert von iRights.info-Redaktion, gemeinfrei
Ohne Werk kein Schutz: Ursprungswerk muss Werkcharakter haben
Sowohl die Inspiration als auch das Original müssen Werkcharakter haben. Entscheidendes Kriterium dafür ist unter anderem die so genannte Schöpfungshöhe. Diese liegt vor, wenn der/die Urheber*in bei dem Erschaffen seiner/ihres Werkes einen Gestaltungsspielraum kreativ ausgenutzt und dem Werk somit eine Art „persönlichen Stempel“ aufgedrückt hat. Die Anforderungen der Schöpfungshöhe inklusive Beispiele gibt es hier.
So wird die Bearbeitung definiert
Von einer Bearbeitung spricht man, wenn ein Original wesentlich umgestaltet beziehungsweise verändert wird. Einen detaillierten Beitrag zu zustimmungsbedürftigen Bearbeitungen mit hilfreichen Beispielen gibt es hier.
Was eine „Bearbeitung“ ist und in welchen Fällen es ohne Zustimmung der Urheber*innen geht
Wer sich mit Urheberrecht oder Lizenzen beschäftigt, stößt immer wieder auf die „Bearbeitung“. Dieser Text erklärt anhand typischer Fälle, was unter dem Begriff zu verstehen ist. Außerdem werden zustimmungsfreie Nutzungsmöglichkeiten vorgestellt, die das Urheberrecht selbst bietet. » mehr
Die „erlaubte“ Bearbeitung: hinreichend Abstand zum Ursprungswerk
Grundsätzlich darf ein Werk nur bearbeitet werden, wenn die der/Urheber*in dem zustimmt. Hat die Bearbeitung allerdings genügend Abstand zum Ursprungswerk, sieht das Gesetz sie rechtlich nicht als Bearbeitung an mit der Folge, dass sie auch ohne Zustimmung der Urheberin/des Urhebers des Ursprungswerks erfolgen darf.
Ob ein solcher ausreichender Abstand vorliegt, beurteilen die Gerichte folgendermaßen:
Wie bei der Beurteilung des Werkcharakters betrachtet man auch hier zuerst alle objektiven – also mit den Sinnen wahrnehmbare – Merkmale des Ursprungswerks, die dessen schöpferische Eigentümlichkeit ausmachen. Das sind bei einem Gemälde zum Beispiel die Farbwahl, die verwendete Technik, den Stil und das Medium. Man identifiziert so den „persönlichen Stempel“ des Ursprungswerks.
Hat man diese entscheidenden Merkmale identifiziert, betrachtet man im nächsten Schritt das Werk, das sich von dem Ursprungswerk hat inspirieren lassen: Wurden die Merkmale, die die schöpferische Eigentümlichkeit des Ursprungswerks ausmachen, von dem neuen Werk übernommen? Wenn ja, in welchem Umfang?
Sind die gestalterischen Züge der beiden Werke nach dieser Prüfung derart verschieden, dass das Ursprungswerk nur noch am Rande erkennbar ist und ansonsten hinter dem neuen Werk „verblasst“, hat das neue Werk genügend Abstand.
Ein solcher Abstand kann einerseits bei Wechsel der Werkart zwischen Inspiration und Ursprungswerk bestehen. Das ist beispielsweise bei der Umarbeitung eines Gemäldes in ein Gedicht oder eines Gedichts in ein Theaterstück der Fall. Wie genügend Abstand innerhalb derselben Werkkategorie geschaffen werden kann, zeigt folgendes Beispiel.
Ein Beispiel einer „Bearbeitung“ mit ausreichendem Abstand

Nehmen wir als Ursprungswerk „The Starry Night“ von Vincent van Gogh*. Der persönliche Stempel kann hier einerseits die Komposition des Bildes mit der Zypresse im Vordergrund, dem Dörfchen im Hintergrund und dem überproportional großen Sternenhimmel sein. Ein weiteres entscheidendes Merkmal ist auch die Anfertigung des Bildes im Stil des Post-Impressionismus. Dabei stehen Darbietung von Farben und Form und der sich daraus ergebenden Emotion im Vordergrund, während die realistische Darstellung des Motivs zweitrangig ist.
Nimmt man nun das Motiv des Bildes und malt dieses mit der Darstellung des Himmels bei Tageslicht im Stil des Realismus, hat man zwar Elemente des Originals verarbeitet. Diese treten aber im Vergleich zu den neuen Elementen in den Hintergrund und „verblassen“. Das Beispiel daher eine zustimmungsfreie Bearbeitung mit genügend Abstand darstellen.
*Dieses Gemälde wurde aufgrund seiner hohen Popularität und seines Wiedererkennungswert gewählt. Aufgrund des zurückliegenden Versterbens des Künstlers ist das Gemälde gemeinfrei. Es bedarf für Bearbeitungen dieses Gemäldes deshalb auch keine Zustimmung.
Hinweis: Dieser Beitrag ist Teil einer Kooperation von iRights.info, dem Deutschen Bildungsserver und OERinfo. Der Text stammt von Lea Singson, steht unter der Lizenz CC BY 4.0 und wurde zunächst bei OERinfo veröffentlicht.
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DOI für diesen Text: https://doi.org/10.59350/irights.32636 · automatische DOI-Vergabe für Blogs über The Rogue Scholar






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