„Schulen ans Netz” fordert bildungsfreundliches Urheberrecht
Im Visier der Kritik steht vorrangig, dass der „Unterrichts- und Forschungsparagraf” 52a Urheberrechtsgesetz (UrhG) in Kürze außer Kraft tritt. Nach dieser Regelung ist es unter bestimmten Umständen gestattet, im Unterricht urheberrechtlich geschütztes Material auch online wiederzugeben. Sie wurde erst im Jahr 2003 in das Urheberrechtsgesetz aufgenommen (eingeführt durch den „ersten Korb”), wird jedoch aufgrund einer Verfallsklausel bereits Ende 2006 ersatzlos entfallen.
Gesetzlicher time-out kritisiert
Im Rahmen seiner – wiederholten – Kritik an dieser Verfallsregelung beruft sich Schulen ans Netz auf den Jura-Professor Ulrich Sieber, der für den Verein bereits 2004 ein „Memorandum zur Berücksichtigung der Interessen des Bildungsbereichs bei der Reform des Urheberrechts” sowie verschiedene Stellungnahmen erstellt hat. Sieber sieht die Verfallsregelung der Unterrichtsschranke besonders bedenklich: „Das bedeutet für Schulen, die in die technische Infrastruktur investiert haben, und für Lehrkräfte, die sich das erforderliche Know-How angeeignet haben, dass ihre Anstrengungen möglicherweise bald wertlos werden. Andere werden durch die fehlende Planungssicherheit davon abgehalten, sich überhaupt für einen vernetzten Unterricht zu engagieren.“
Der ungewöhnliche „time-out“ der Unterrichtsschranke ist auf einen Kompromiss zurückzuführen, auf den sich der deutsche Gesetzgeber seinerzeit angesichts des massiven Drucks der Verwertungsindustrie (vor allem der Verleger) eingelassen hatte. Die Rechteinhaber hatten argumentiert, durch die Unterrichtsschranke massiv in ihren wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt zu werden. Statt Entwicklung und Auswirkungen (die 2003 noch nicht absehbar waren) der Regelung abzuwarten und zu beobachten – wie dies bei neuen Gesetzen mit ungewissen Folgen üblicherweise geschieht – hatte man sich im ersten Korb für eine zeitliche Befristung entschieden. Wird diese nicht wieder aus dem Gesetz gestrichen, entfällt Ende des Jahres die Möglichkeit, ohne Zustimmung der Rechteinhaber Werke im Schulbetrieb für Unterrichtszwecke online darzustellen. Die Folge wäre, dass vor jeder einzelnen Nutzung dieser Art, Nutzungsrechte vom Rechtsinhaber erworben werden müssten.
Unklare Regelungen belasten Rechtssicherheit
Dieselbe Regelung (Paragraf 52a UrhG) kritisiert Schulen ans Netz wegen ihrer zum Teil unklaren Formulierungen. „Dadurch wird das Arbeiten im schulischen Intranet oder in so genannten virtuellen Klassenräumen sehr erschwert. Weil das Gesetz missverständlich formuliert ist, wird zum Beispiel nicht deutlich, ob die Materialien den Unterrichtsteilnehmern auch außerhalb der eigentlichen Unterrichtsstunde online zugänglich gemacht werden dürfen“, heißt es in der neuen Pressemitteilung.
Der Verein verweist im Übrigen auf seine letzte Stellungnahme, die sich noch auf die Anfang 2006 vorgestellte zweite Version des Referentenentwurfs zum zweiten Korb bezog. Er habe darin auf Rechtsunsicherheiten hingewiesen habe, die im neuen Regierungsentwurf nicht behoben worden seien.
Keine „Enteignung“, sondern Ausgleich
In der Pressemitteilung wird ausdrücklich hervorgehoben, dass es Schulen ans Netz nicht darum gehe, die Interessen der Urheber in Frage zu stellen. Neben diesen seien jedoch auch die berechtigten öffentlichen Interessen an einem zukunftsfähigen Unterricht zu wahren, zitiert die Meldung den Rechtsgelehrten Sieber. Diese Balance werde angesichts unklarer und nicht ausreichender Regelungen verfehlt.
Einsatz für einen modernen Unterricht
Der Schulen ans Netz e.V. setzt sich schon seit Beginn der Reform des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft für eine bildungs- und unterrichtsfreundliche Ausgestaltung der Materie ein. Der Verein wurde im Rahmen einer Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Telekom im Jahr 1996 gegründet. Sein Ziel liegt darin, „die neuen Medien und die Nutzung des Internet im Schulalltag zu verankern“. Neben Schulen ans Netz setzt sich vor allem das Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“, dem sich unter anderem die größten deutschen Wissenschaftsorganisationen angeschlossen haben, für eine bildungsfreundliche Ausgestaltung des Urheberrechts ein. Auch das Aktionsbündnis hat sich bereits in einer Stellungnahme und einem Forderungskatalog gegen die Ausgestaltung des Regierungsentwurfs gewendet.
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