Archiv und Bibliothek zugleich – was gilt dann rechtlich?
Deckblatt des Leitfadens, bearbeitet
Kleinere Institutionen beheimaten häufig Orte für Recherche, die beides sind: Bibliothek und Archiv. Doch die rechtlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich für diese beiden Typen von Einrichtungen. Das Digitale Deutsche Frauenarchiv hat gerade einen Leitfaden herausgebracht, der die rechtlichen Bedingungen von Lesesaal-Nutzung und Kopienversand beleuchtet. Geschrieben als Hilfe für feministische Erinnerungseinrichtungen, ist es eine wichtige Orientierung für Mitarbeiter auch anderer Institutionen, die als „Zwitter“ sowohl Bibliothek als auch Archiv sind.

Den Leitfaden gibt es hier.
Die Rechtslage für Bibliotheken und Archive generell
Sowohl Archive als auch Bibliotheken werden im Urheberrecht als „Kulturerbe-Einrichtungen“ bezeichnet. Grundsätzlich wird für Archive auf die Regelungen von Bibliotheken verwiesen – mit einigen wichtigen Ausnahmen. So gibt es zum Beispiel beim Kopienversand auf Bestellung große Unterschiede im Recht für Bibliotheken und für Archive. Das liegt daran, dass die Interessenlage eine andere ist. Der Bestand von Bibliotheken besteht idealtypisch aus Büchern, also aus Objekten, die gehandelt und kommerziell vertrieben werden. Daher gibt es im Urheberrecht ein komplexes Geflecht an Regelungen, das die Interessen der Allgemeinheit an Zugang zu Büchern mit den Interessen der Verlagswirtschaft austariert. Bibliotheken dürfen danach nur in sehr begrenzten Umfang und gegen gesonderte Vergütung auf Bestellung hin aus Verlagspublikationen Kopien erstellen und verschicken, damit die Geschäftsinteressen von Verlagen und Autoren am Vertrieb ihrer Publikationen nicht zu sehr beeinträchtigt werden.
Im Gegensatz dazu bewahren Archive in der Regel keine Objekte auf, die (noch) kommerziell vertrieben werden – also keine Handelsware, sondern Unikate wie etwa Akten. Daher dürfen sie auch für Dritte, also für Nutzer, Kopien anfertigen und diese verschicken. Denn davon sind Verwertungsinteressen der Urheber meist nicht besonders beeinträchtigt. Selbst wenn es sich um urheberrechtlich geschützte Inhalte handelt, erlaubt beispielsweise die Privatkopie unter bestimmten Umständen Kopien. Auch zu wissenschaftlicher Nutzung sind – in begrenzten Umfang – Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke erlaubt. Und wenn die Voraussetzungen für eine Kopie durch den Nutzer vorliegen, dann darf sie auch durch jemand anderen – also dem Archiv – vorgenommen werden.
Welches Recht bei „Zwitter“-Einrichtungen anwendbar ist
Ob nun die Regelungen für Bibliotheken oder Archive anwendbar ist, richtet sich danach, um was für Objekte es geht – um Bücher oder um Archivalien. Aus Büchern oder anderen Verlagspublikationen darf eine Einrichtung zwar auch im Auftrag seiner Nutzer Kopieren und die Kopien an den Nutzer schicken bzw. mailen– allerdings nur von 10% des Werkes. Nur einzelne Beiträge aus Fachzeitschriften oder wissenschaftliche Zeitschriften dürfen ganz kopiert und verschickt werden.
Archivalien hingegen dürfen auch durch die Einrichtung ganz kopiert und verschickt werden, sofern der Nutzer ein Recht hat, Kopien zu erstellen.
Personenbezogene Daten bei Bibliotheken und Archiven
Auch der Datenschutz hat bei Bibliotheken und Archiven eine unterschiedliche große Bedeutung. Die personenbezogenen Daten im Bibliothekswesen, wie etwa die Namen von Autoren oder Herausgeberinnen, sind durch die Veröffentlichung ohnehin bekannt und ja auch mit Einverständnis der Betroffenen bekannt gemacht worden. Die Interessen an einer Verarbeitung dieser Daten – auch in öffentlich zugänglichen Datenbanken wie etwa OPACS – wiegt in aller Regel schwerer als die mögliche Interessen der Betroffenen, dass von ihnen selbst veröffentlichte Daten nicht für die Auffindbarkeit ihrer Publikationen genutzt werden.
Ganz anders in Archiven. Archive bewahren eine Vielzahl an Dokumenten auf, die personenbezogene Informationen enthalten, die in der Regel noch nicht öffentlich sind. Jede Nutzung dieser Informationen bedarf daher eine Abwägung. Die Archivgesetze, die direkt nur auf staatliche Archive anwendbar sind, enthalten in der Regel Sperrfristen, die die Nutzung von Dokumenten mit Personenbezug zu Lebzeiten weitgehend untersagen und nur in besonderen Fällen und unter besonderen Voraussetzungen erlauben. Diese Sperrfristen kann man als generalisierte Interessenabwägungen begreifen. Nach Sinn und Zweck sind solche Regelungen auch auf nicht-staatliche Archive übertragbar
Mehr dazu im neuen Leitfaden
Die hier nur kursorisch angerissenen Unterschiede in den rechtlichen Rahmenbedingungen von Archiven und Bibliotheken und ihre Folgen in der Praxis werden im Leitfaden ausführlich behandelt, den Katrin Lehnert vom Digitalen Deutschen Frauenarchiv zusammen mit Rechtswalt Paul Klimpel, iRights.law, geschrieben hat.
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