Angemessene Vergütung: Debatte um Gesetzentwurf nimmt Fahrt auf (Update)
Zu der angekündigten Reform kursiert seit kurzem ein erster Entwurf (PDF) aus dem Justiz- und Verbraucherschutzministerium. Die geplanten Änderungen betreffen das Urhebervertragsrecht und damit die Verhandlungsmacht von Urhebern gegenüber Verwertern, mit denen sie Verträge schließen. Bereits der Titel des „Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung“ verweist auf die letzte größere Reform am Urhebervertragsrecht, die im Juli 2002 in Kraft trat.
Damals sollte ein Gesetz der Bundesregierung die vertragliche Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern verbessern. Ein Anspruch auf „angemessene Vergütung“ wurde in Paragraf 32 des Urheberrechtsgesetzes festgeschrieben. Hinzu kam das neue Prinzip der „gemeinsamen Vergütungsregeln“, die Urheber- und Verwerterverbände aushandeln und damit konkrete Mindestwerte für die Bezahlung in den jeweiligen Branchen schaffen sollten.
Angemessene Vergütung blieb oft Papiertiger
Verhandlungen darüber kamen jedoch oft nur schleppend voran und zogen sich über Jahre hin, beispielsweise bei freien Journalisten an Tageszeitungen, für die Gewerkschaften und Verlegerverbände in vielen Verhandlungsrunden um Cent-Beträge gerungen hatten. Auch für Film- und Fernsehregisseure bei privaten Sendern und für Übersetzer wurden Regeln gefunden. In anderen Bereichen gibt es bis heute keine oder nur teilweise Verhandlungsergebnisse, etwa bei Fotografen, Illustratoren oder Schauspielern.
Es habe sich gezeigt, so das Ministerium in den Erläuterungen zum Referentenentwurf, dass vielen Urhebern nach wie vor eine angemessene Vergütung verwehrt bleibe. Zum einen hielten sich Unternehmen nicht an die Regelungen, zum anderen habe die Praxis der Total-Buy-out-Verträge zugenommen und es werde vermehrt über Knebelbedingungen geklagt. Den Urhebern fehlten die Hebel, um sich gegen unangemessene Vergütungen auch zu wehren. So müssten sie für einen Rechtsstreit viel Geld aufbringen und es drohe ihnen, vom Auftraggeber nicht mehr angefragt zu werden und dort auf schwarzen Listen zu landen.
Der Entwurf aus dem Ministerium umfasst drei Schwerpunkte.
- Erstens sollen Urheber mehr Handhabe bekommen, wo es um Buy-out-Verträge, die tatsächliche Verwertung ihrer Werke und deren Vergütung geht. So soll im Gesetz klarer festgeschrieben werden, dass die mehrfache Verwertung eines Werks jeweils separat zu vergüten ist, weiterhin soll es ein Rückrufrecht und einen Anspruch des Kreativen auf Auskunft und Rechnungslegung gegenüber Verwertern geben.
- Zweitens sollen Urheberverbände ein Verbandsklagerecht erhalten, sodass Urheber sich mit ihren Interessenverbänden rechtlich gegen zu niedrige Vergütungen wehren könnten.
- Drittens soll eine Schiedsstelle für Schlichtungsverfahren eingerichtet werden, damit Vergütungsverhandlungen nicht endlos verschleppt werden können.
Reaktionen aus den Verbänden
Die Gewerkschaft Verdi lobt die Zielrichtung des „lange überfälligen“ Entwurfs, fordert aber Nachbesserungen. So wirke das vorgesehene Verbandsklagerecht nicht gegenüber „schwarzen Schafen“, die sich gemeinsamen Vergütungsregeln mit der Gewerkschaft von vornherein verweigert hätten. „Vergütungsregelungen sollten deswegen künftig durch Verordnungen verbindlich gemacht werden“, so die Forderung.
Ähnlich äußert sich der Deutsche Journalistenverband (DJV). Der Entwurf weise in die richtige Richtung, auch wenn an einigen Punkten nachgebessert werden solle. Laut DJV gebe es im Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) Bestrebungen, die gemeinsamen Vergütungsregeln zur freiwilligen Bestimmung abzuwerten; dem schiebe der Entwurf einen Riegel vor.
Die Schauspielervereinigung BFFS (Bundesverband Schauspiel) äußert sich erwartungsvoll und verweist auf „die im Vorfeld der neuen Gesetzgebung gestiegene[…] Ernsthaftigkeit auch der öffentlich-rechtlichen Sender, mit Vereinigungen von Urhebern und ausübenden Künstlern endlich ins Gespräch zu kommen und mögliche Beteiligungen der Kreativen bei der Finanzierung einzuplanen“. Zu dem konkreten Referentenentwurf findet sich noch keine Positionierung, bei Veröffentlichung der Erklärung lag er noch nicht vor.
Der Berufsverband Freischreiber, der freiberufliche Journalisten vertritt, begrüßt ebenfalls die Stoßrichtung. Er kritisiert jedoch ebenfalls, dass Vergütungsregeln nicht überall griffen. Daher sollten sie verbindlich verordnet oder die Beweislast umgekehrt werden, so Vorsitzender Benno Stieber zu iRights.info. „Auch ein Verwerter, der nicht zu einem der unterzeichnenden Verbände gehört, müsste durch eine Verbandsklage in Anspruch genommen werden können und müsste dann darlegen, warum in seinem Fall eine Abweichung gerechtfertigt ist“. Auch solle klargestellt werden, dass Journalisten die Verbände trotz Vertraulichkeits-Klauseln über Honorare informieren dürfen. Der Verein schlägt auch eine Beschwerdestelle für unangemessene Vergütung vor, die Verlage zur Zahlung auffordern würde. Ein Verlag müsste demnach gegen die Beschwerdestelle klagen, nicht der Journalist gegen den Verlag. Weiterhin kritisiert Freischreiber am Entwurf, dass nur solche Verbände klagen dürften, die einen „überwiegenden Teil“ der Berufsgruppe vertreten. Das solle gestrichen oder präzisiert werden, um die Freischreiber und andere Urhebervereinigungen nicht zu benachteiligen.
Der Verein DOMUS, der mehrere Verbände von Komponisten, Textdichtern, Musikern und Musikmanagern als Dachverband vertritt, begrüßt in einer Erklärung die Gesetzesinitiative, fordert aber ebenfalls Änderungen. So solle stärker zwischen verschiedenen Medien und Nutzungsarten differenziert werden und überdacht werden, „welche Nutzungen und Entgelte durch Wahrnehmungsgesellschaften wahrgenommen werden“. Die Praxis, dass bei Streaming-Erlösen wenig bis nichts bei Kreativen ankomme, müsse beendet werden.
Die Produzentenallianz, die deutsche Film- und Fernsehproduzenten vertritt, verweist auf Äußerungen des Münchner Rechtsanwalts Mathias Schwarz, der bei der Allianz die Abteilungen Kino/Animation leitet. Schwarz hält die Vorschläge des Ministeriums für „missglückt“, weil sie Eingriffe in die Vertragsfreiheit verschärfen würden; er spricht von „Folterwerkzeugen“. Verwerter würden mit der Neuregelung danach streben, gemeinsame Vergütungsregeln „so eng wie möglich zu halten, und in allen Zweifelsfällen einen Abschluss ablehnen beziehungsweise einem Schlichterspruch widersprechen“. Schwarz war als Autor am „Münchner Entwurf“ (PDF) für eine Urheberrechtsnovelle beteiligt, einem Gesetzgebungsvorschlag, hinter den sich Prosieben-Sat1, Constantin Film, die Verlage Hanser und Beck und weitere Medienunternehmen stellten. Im Vorfeld der Reformpläne stand dieser dem „Kölner Entwurf“ gegenüber.
Update, 12.10.2015: Weitere Stellungnahmen
Die Initiative Urheberrecht, ein Zusammenschluss von 35 Verbänden und Gewerkschaften, hat ebenfalls eine Stellungnahme veröffentlicht. Darin heißt es, die Richtung der geplanten Reform stimme, der Entwurf sei aber in einigen Punkten überarbeitungsbedürftig. So schlägt sie unter anderem vor, dass Verbände auch Allgemeine Geschäftsbedingungen gerichtlich überprüfen lassen können. Auch will sie durch geänderte Formulierungen erreichen, dass sich Verwerter dem Abschluss von Vergütungsregeln nicht mehr entziehen können, Schlichtungsergebnisse verbindlich werden und das Verbandsklagerecht auch gegen Verwerter angewandt werden kann, die nicht zu den Unterzeichnern von allgemeinen Vergütungsregeln gehören. Mit weiteren Änderungsvorschlägen soll der Schutz vor ungerechtfertigten Rechteabtretungen gestärkt werden.
In einer weiteren Stellungnahme äußert der Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) die Hoffnung, dass es im Zuge der geplanten Reform zukünftig zu einer tatsächlich fairen Verhandlung über Mindesthonorare und gemeinsame Vergütungsregeln komme. Zudem würden die Rückrufsrechte, das Verbandsklagerecht und die verbindliche Schlichtung dafür sorgen, das Gleichgewicht zwischen Urhebern und Werknutzern zu stärken, so der VDD. Darüber hinaus erhofft sich der Verband einen Zugewinn an Vertragsfreiheit für Drehbuchautoren.
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) machen in einer gemeinsamen Erklärung ihre Ablehnung des Referentenentwurfs deutlich. Sie meinen, dass es für die „fehlende Augenhöhe von Urhebern und Werkmittlern“, die das Ministerium als einen Grund für die Reformen anführte, keine empirische Grundlage gebe. Zudem lehnen die Verbände explizit die gesonderte Vergütung des Urhebers für mehrfache Verwertungen ab, besonders, wenn derselbe Beitrag in der gedruckten und elektronischen Ausgabe erscheine. Diese Regelung würde ein geändertes Verhalten der Nutzer verkennen, die denselben Inhalt auf unterschiedlichen Wegen lesen würden.
Der Referentenentwurf liegt zunächst den anderen Ministerien vor, am 5. Oktober gab ihn das Ministerium an Verbände weiter, die dazu bis Ende dieses Jahres Stellungnahmen einreichen können. Die jetzt offiziell veröffentlichte Version (PDF) ist mit der vorab kursierenden Fassung identisch. Bis dahin dürften sich noch weitere Organisationen und Interessenvertretungen öffentlich zu Wort melden. Danach soll der Entwurf als Vorschlag der Bundesregierung ins Gesetzgebungsverfahren gebracht werden.
Offenlegungen: Der Autor ist Mitglied im Vorstand des Vereins Freischreiber. iRights e.V. erhält Zuwendungen des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums.
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