Netlabel: Alternative Vertriebswege
Wer seine Musik im Internet veröffentlichen wollte, war lange Zeit auf große Plattformen wie MP3.de oder Vitaminic.com angewiesen. In den letzten Jahren hat sich jedoch eine vitale Szene so genannter Netzlabel etabliert, die diesen großen Musik-Hostern mit Geschmack und Spezialisierung Konkurrenz machen.
Der Begriff Netzlabel verrät dabei schon viel über die Intention ihrer Macher: An Stelle von Masse setzen sie auf Qualität und Auswahl. Meist vereint ein Label Musiker einer bestimmten Stilrichtung. So wie Motown, Sub Pop oder Kompakt im Plattenladen als Leitfaden für einen bestimmten Sound genutzt werden können, verstehen sich Netzlabel als Online-Konzentrationspunkt für ihre jeweilige Nische.
Viele Netzlabel betreiben dazu eine ganz klassische Talentsuche. Wie bei traditionellen Plattenfirmen hört man sich durch Demos und verwirft, was nicht den eigenen Stil- und Qualitätsansprüchen genügt. Im Gegensatz zu klassischen Plattenfirmen wird die Musik jedoch fast ausnahmslos kostenlos zum Download angeboten. Ihr Geld verdienen die Online-Musiker über DJ-Sets und Live-Auftritte.
Die ersten Netzlabel mit kostenlosen MP3-Downloads entstanden bereits gegen Ende der Neunziger Jahre. Mittlerweile ist daraus eine nahezu unüberschaubare Szene mit hunderten von Websites geworden. Allein das Internet Archive listet derzeit mehr als 250 Netzlabel. Dazu existieren zahlreiche Online-Magazine und Podcasts, die einen Einstieg in die Welt der Netzlabel erleichtern. Die meisten Label haben sich verschiedenen Spielarten elektronischer Musik verschrieben. Doch es gibt auch Plattformen für Gitarrenrock, Hip Hop und Pop-Experimente.
Die rechtliche Seite
Da die meisten Netzlabel ihre Musik umsonst anbieten, spielen rechtliche Aspekte für alle Beteiligten oft eine untergeordnete Rolle. Die wenigsten dieser Plattformen schließen traditionelle Bandübernahme-Verträge mit ihren Künstlern ab. In der Regel verlässt man sich auf mündliche Absprachen oder trifft Abmachungen per E-Mail.
Ganz gleich ob mit Vertrag oder per E-Mail-Handschlag: Künstler sollten bei einer Zusammenarbeit mit einem Netzlabel darauf Wert legen, sich nur nicht-exklusiv an die Plattform zu binden. Damit ist es ihnen jederzeit möglich, ihre Musik auch noch anderweitig zu verwerten. Detaillierte Übereinkünfte sollten zudem spätestens dann geschlossen werden, wenn tatsächlich Einnahmen im Spiel sind – sei es, weil CDs verkauft oder Spenden gesammelt werden.
Viele Netzlabel setzen auf Creative-Commons-Lizenzen, um die rechtlichen Grenzen der Downloads zu definieren (mehr zu Creative Commons im Magazin-Artikel dazu, Link am Ende des Textes). So wird Hörern mit einfachen Mitteln signalisiert, was sie mit einem Song anstellen dürfen – etwa, dass sie ihn kostenlos weiter geben dürfen, aber weiterhin die Erlaubnis des Urhebers brauchen, wenn sie ihn bearbeiten wollen.
Creative-Commons-Lizenzen werden von einigen Labels auch genutzt, um die Beziehung zwischen Künstler und Label zu regeln. Dabei behalten die Künstler die Verwertungsrechte an ihren Werken, geben sie jedoch unter einer Creative-Commons-Lizenz frei. Das Label macht dann lediglich von dieser Lizenz Gebrauch, um die Songs im Netz zu veröffentlichen.
Netzlabel und die GEMA
Als Stolperstein für Netzlabel-Musiker kann sich eine Mitgliedschaft in der GEMA entpuppen. Die Verwertungsgesellschaft verlangt 12,5 Cent pro Download eines Werkes ihrer Mitglieder – und zwar auch dann, wenn mit diesen Downloads gar kein Geld verdient wird. Für viele Netzlabel, die tausende von Downloads ohne nennenswerte Einnahmen verzeichnen, ist dies schlichtweg unbezahlbar.
Zwar gibt es von der GEMA eine Sonderregelung zur Präsentation von Musik auf der eigenen Website. Wer seine eigenen Songs zu nicht-kommerziellen Zwecken im Web anbietet, muss seit Neuestem (Ende Juni 2006) nichts mehr dafür zahlen. Doch dies gilt nur für Streams. Im Falle von MP3-Downloads bittet die GEMA wieder voll zur Kasse.
GEMA-Mitglieder haben keine Möglichkeit, einzelne Titel von der Verwertung durch die Gesellschaft auszuklammern. Grund dafür ist die im GEMA-Vertrag verankerte Ausschließlichkeits-Vereinbarung. Die GEMA verwertet demnach alle Rechte an allen zukünftigen Werken ihrer Mitglieder. Ausnahmen ausgeschlossen. Eine GEMA-Mitgliedschaft ist deshalb nur schwer mit einer Veröffentlichung auf Netzlabel-Plattformen zu vereinbaren. Leider ist es nach Auskunft der GEMA nicht möglich, die Online-Verwertung von vornherein aus dem GEMA-Wahrnehmungsvertrag auszuklammern, da verschiedene Wahrnehmungsrechte betroffen wären, die sich nicht aufsplitten lassen.
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