ACTA: Haftstrafen für Filesharer geplant?
Hollywoods Lobbyisten können offenbar einen wichtigen Erfolg für sich verbuchen. Wie der Bürgerrechtler James Boyle von Knowledge Ecology International (KEI) mitteilt, enthält der Entwurf zum geplanten internationalen Anti-Piraterie-Abkommen ACTA einen eigenen Passus zum Schutz der Filmindustrie vor Kinobesuchern mit bösen Absichten. In dem entsprechenden Abschnitt heißt es:
„Jeder Verhandlungspartner ist verpflichtet, im Strafrecht Vorkehrungen zu treffen, um Personen strafrechtlich zu verfolgen, die ohne Genehmigung der Inhaber von Urheberrechten oder sonstigen Schutzrechten an einem Film […] in einem öffentlich zugänglichen Filmtheater audiovisuelle Aufnahmen von einem Film […] mit der Absicht anfertigt, diese öffentlich zu verbreiten.“
Peer-to-Peer-Nutzer im Fokus
Der kanadische Wissenschaftler und Bürgerrechtler Michael Geist ergänzt die Informationen von Boyle in seinem Blog unter Berufung auf eigene Quellen. Geist zufolge sollen die vorgesehenen strafrechtlichen Maßnahmen nicht nur in Fällen kommerzieller Patent-, Marken- und Urheberrechtsverletzungen zur Anwendung kommen, sondern auch dann, wenn ohne Gewinnerzielungsabsicht, aber bewusst das Urheberrecht verletzt wird. Michael Geist: „Mit anderen Worten, Peer-to-Peer-Filesharing würde wahrscheinlich erfasst werden.“
EU-Kommission im Zwielicht
Die jetzt an die Öffentlichkeit gelangten Informationen stehen in deutlichem Widerspruch zu dem, was nach Aussage der EU-Kommission Inhalt von ACTA ist. Die EU-Kommission hatte Ende November 2008 schriftlich erklärt: „Bei ACTA geht es darum, kriminelle Aktivitäten im großen Stil zu bekämpfen. Es geht nicht darum, bürgerliche Freiheiten einzuschränken oder Verbraucher zu belästigen.“ In Anbetracht der strikten Geheimhaltung, der die Verhandlungen zu ACTA unterliegen, lässt sich nicht überprüfen, wer denn nun Recht hat: die Bürgerrechtler oder die EU-Kommission.
EU-Parlament und Bürger im Dunkeln
Im November 2008 hatte der Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII) versucht, an EU-Dokumente zu gelangen, die die Verhandlungen betreffen, indem er sich auf die europäischen Bestimmungen zur Informationsfreiheit berufen hatte. Die Anfrage wurde abgelehnt. Begründung: „Die Freigabe dieser Dokumente würde die Position der Europäischen Union in den Verhandlungen schwächen und könnte die Beziehungen zu Dritten beeinflussen.“
Auch das EU-Parlament hatte nicht mehr Glück. Die EU-Kommission lehnt es bisher ab, die Parlamentarier im Detail über den Stand der Verhandlungen zu ACTA zu informieren.
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