British Library warnt vor digitalem Gedächtnisschwund
Die Chefin der British Library, Lynne Brindley, fordert größere Anstrengungen zur Archivierung digitaler Dokumente zur Zeitgeschichte. Andernfalls droht in absehbarer Zukunft ein digitaler Gedächtnisschwund von tragischem Ausmaß.
George W. Bush ist spurlos verschwunden. Das gilt jedenfalls für die Website des Weißen Hauses. Mit der Amtsübernahme von Barack Obama hätten sich alle Spuren seines Vorgängers auf der Website des US-Präsidenten “in Luft aufgelöst”, beklagt Lynne Brindley in einem Beitrag für den britischen Guardian.
Brindley, Chefin der British Library in London, verweist am Beispiel des Weißen Hauses auf die Flüchtigkeit des kulturellen Gedächtnisses im Digitalzeitalter:
“Auf der Website gab es eine Broschüre mit dem Titel ‘100 Informationen über die Bush-Regierung, die Amerikaner nicht kennen’ – und nun womöglich auch nie erfahren werden. Mit dem Wechsel der Website verwaiste der Link und die Broschüre wurde unerreichbar.”
Wenn sich dieser Trend ausbreitet, wird sich das digitale Wissen des 21. Jahrhundert den Historikern der Zukunft als schwarzes Loch präsentieren, warnt Brindley.
Als Leiterin einer der größten Bibliotheken der Welt sieht Brindley naturgemäß die Bibliotheken in der Pflicht. Bei der Archivierung der digitalen Gegenwart will die British Library dabei mit gutem Beispiel vorangehen. Aus Anlass der Olympischen Spiele 2012 in London wird die British Library eine umfangreiche Sammlung von Website-Inhalten zur Olympiade für die Nachwelt archivieren, kündigte Brindley an.
Doch Archivieren allein genügt nach Brindleys Aussage nicht. Die Archivbestände müssten auch zugänglich gemacht werden. Brindley verweist als Beispiel auf ein ambitioniertes Projekt zur Digitalisierung der eigenen Bibliotheksbestände: Seit Anfang des Monats sei der Gesamtbestand der British Library an Zeitungen aus dem 17. und 18. Jahrhundert in digitalisierter Form für Hochschulen und andere höhere Bildungseinrichtungen im Vereinigten Königreich online zugänglich.
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