Europäische Digitale Bibliothek öffnet Online-Pforte
Die auf Initiative von EU-Kommissarin Viviane Reding ins Leben gerufene “Europäische Digitale Bibliothek” hat ihre Internetpräsenz offiziell eröffnet. Mehr als die Hälfte der Dokumente kommt aus Frankreich, Deutschland steuerte nur rund 1 Prozent des Bestandes bei.
Die Europäische Kultur wurde zu über der Hälfte in Frankreich geschaffen und zu zehn Prozent in Großbritannien. Diesen Eindruck könnte gewinnen, wer die neu eröffnete Internetpräsenz der “Europäischen Digitalen Bibliothek” Europeana besucht. Mehr als die Hälfte der zwei Millionen der dort angebotenen Dokumente stammt aus Frankreich. Lediglich ein Prozent der Dokumente enthalten Informationen zur deutschen Kultur. Spanien steht mit 1,4 Prozent nicht viel besser da. Das verwunderte auch die für Informationsgesellschaft und Medien zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding. “Ich finde die Zahlen erstaunlich. Aus Frankreich stammt die Hälfte der Inhalte. Sogar der Fall der Berliner Mauer wird mit einer französischen Dokumentation präsentiert”, wird Reding in der New York Times zitiert.
Die im Portal der Europeana veröffentlichten Dokumente aus den 27 EU-Mitgliedstaaten sollen das kulturelle Erbe Europas – “Literatur, Kunst, Wissenschaft, Politik, Geschichte, Architektur, Musik, oder Kino” – weltweit zugänglich machen. Mehr als 1000 kulturelle Einrichtungen haben dazu Material beigesteuert. Der Andrang ist allerdings dem Anschein nach so groß, dass Server immer wieder für längere Zeit nicht erreichbar ist. Wer sich die Magna Charta oder Vermeers “Mädchen mit dem Perlenohrring” online ansehen will, muss sich also vorerst in Geduld üben.
Das ambitionierte Projekt wurde nach einer Online-Konsultation Anfang 2006 von EU-Kommissarin Reding gestartet. Die damals formulierte Zielstellung: Binnen fünf Jahren sollten mindestens 6 Millionen kulturelle Artefakte aus der europäischen Geschichte online verfügbar sein. Bei der Konzeption ließ sich Reding unter anderem von Google-Vizepräsident Nikesh Arora beraten. Die Begeisterung für die Teilnahme hielt sich in den EU-Mitgliedsstaaten allerdings in Grenzen. Das veranlasste die Kommission im August 2006, die Mitgliedsstaaten in einer Mitteilung zu mehr Engagement aufzurufen.
Im Juli 2007 nahm sich dann auch das EU-Parlament in Form der Verabschiedung des Berichts “i2010: Easy access to European cultural heritage” der Angelegenheit an. Die zuständige Berichterstatterin Marie-Hélène Descamps erklärte damals: “Mit der einstimmigen Annahme dieses Berichts hat das für Kultur und Bildung zuständige Komitee deutlich gemacht, dass es die Errichtung einer europäischen digitalen Bibliothek befürwortet, die den Zugang zum reichen und vielfältigen kulturellen Erbe Europas ermöglicht.”
Nicht zuletzt aus finanziellen und rechtlichen Gründen werden vorerst kaum aktuelle Inhalte angeboten. Die Kosten für die umfängliche Lizenzierung urheberrechtlich geschützter Werke würden den Etat des Projekts schnell sprengen, der sich in den ersten vier Jahren auf 200-250 Millionen Euro beläuft. In Zukunft könnte jedoch ein integriertes Authentifizierungssystem und die Möglichkeit von “pay-per-use” per Mausklick implementiert werden, das Nutzungsbeschränkungen “für bestimmte Länder oder Domains” gewährleistet (laut FAQ). So könnte die Europeana auch für die europäischen Rechteinhaber attraktiv werden. Ob die europäischen Verbraucher sich dafür ebenso begeistern können, wird die Zukunft zeigen müssen.
3 Kommentare
1 Matthias am 21. November, 2008 um 10:50
Es gibt nicht nur Probleme mit den Servern, sondern einen Totalausfall, der fast vier Wochen anhalten wird:
“The Europeana site is temporarily not accessible due to overwhelming interest after its launch (10 million hits per hour).
We are doing our utmost to reopen Europeana in a more robust version as soon as possible.
We will be back by mid-December.”
Was für eine Blamage. Sicher ist es schön, dass der Andrang überraschend groß ist, aber dass das gleich die ganze Struktur abrauchen lässt, ist doch sehr peinlich.
Was sagen Sie dazu?