Google Book Settlement überarbeitet
Gestern ist in New York das „Amendend Google Book Settlement“ vorgestellt worden, die überarbeitete Version des gerichtlichen Vergleichs über die Google Buchsuche. Der Vergleich soll zwischen amerikanischen Autoren und Verlagen einerseits und Google andererseits geschlossen werden.
Die wichtigsten Änderungen sind in einem Dokument zusammengefasst (”Amended Settlement Agreement with Revisions from Original”), das auf der Website des gerichtlichen Vergleichs heruntergeladen werden kann. Hier ein Überblick:
– Artikel 1.19: Bücher, die nicht in den USA veröffentlicht wurden, sind nur noch dann von dem Settlement betroffen, wenn sie entweder beim United States Copyright Office registriert wurden oder nachweislich in Kanada, Großbritannien oder Australien erschienen sind. Folglich fallen die meisten europäischen Bücher, auch deutsche, aus dem Definitionsbereich heraus.
– Artikel 3.2 (i): Zur Definition, ob ein Buch „commercially available“ ist oder nicht, wird Google sich zukünftig auch Datenbanken Dritter aus den USA, Kanada, Großbritannien und Australien bedienen. Die dabei verwendete Methode muss mit dem Book Rights Registry abgestimmt werden.
– Artikel 4.5 (iii): Einzelne Rechteinhaber (also etwa auch einzelne Verlagsgruppen) können mit Google Preismodelle aushandeln, die vom Standard Revenue Split (37 Prozent für Google) abweichen. Das Book Rights Registry darf solche abweichenden Absprachen nicht öffentlich machen.
– Artikel 4.5 (v)2.: Konkurrenten von Google dürfen ebenfalls einen Zugang zu Googles Datenbank verkaufen und erhalten dann den überwiegenden Teil („a majority“) der von Google erzielten Einnahmen.
– Artikel 4.7: Print on Demand und Download werden explizit als zukünftige Geschäftsmodelle festgeschrieben, vorausgesetzt, Google erzielt darüber eine Einigung mit dem Register.
– Artikel 6.2 (iii): Es wird eine „Unclaimed Works Fiduciary“ eingerichtet, die die Rechte jener Autoren vertreten soll, die keine Ansprüche anmelden – also hauptsächlich der Autoren verwaister Werke. Wie sich aus der Gesamtlektüre des Amended Settlement ergibt, soll diese Instanz im Hinblick auf sämtliche Nutzungsarten, die in dem Settlement vereinbart sind, dieselben Rechte haben wie andere Rechteinhaber, auch was die „Display Uses“ angeht, also die Frage, ob und ggf. in welchem Ausmaß einzelne Bücher in der Buchsuche angezeigt werden.
– Artikel 6.3: Wenn Zahlungen, die Google an das Book Rights Registry geleistet hat, von den betreffenden Rechteinhabern nicht in Anspruch genommen werden („unclaimed funds“), werden sie zunächst fünf Jahre aufbewahrt. Innerhalb der nächsten fünf Jahre darf das Register bis zu 25% dieser Gelder für die Suche nach den Rechteinhabern verwenden. Nach weiteren fünf Jahren soll das Geld literarischen Einrichtungen oder gemeinnützigen Stiftungen („literacy-based charities“) zugute kommen, die entweder im Interesse von Autoren oder des allgemeinen Lesepublikums arbeiten („benefit the Rightsholders and the reading public“). Das genaue Verfahren soll gerichtlich festgelegt werden.
Verwaiste Werke
Die eigentliche Überraschung des überarbeiteten Vertrags ist der Artikel 6. Die streitenden Parteien haben hier gewissermaßen eine Interessenvertretung für die Autoren verwaister Werke eingerichtet und nicht zuletzt eine begrenzte Repräsentativität der Author’s Guild anerkannt. Autoren, die sich nicht von selbst mit Google in Verbindung setzen, um entweder eine Entfernung ihrer Bücher aus der Google Buchsuche zu verlangen oder aber Zahlungen zu erhalten, werden nun von einer Art Treuhänder gegenüber dem Book Rights Registry vertreten. Die geänderten Pläne zum Umgang mit dem nicht beanspruchten Geld zeigen, dass ein Umdenken stattgefunden hat. Ursprünglich war geplant, solche Einnahmen zu verwenden, um die Funktionalität des Registers aufrecht zu erhalten bzw. sie nach Ablauf einer Frist an andere Rechteinhaber auszuschütten. Nun sollen sie für die Suche nach den Urhebern verwaister Werke verwendet werden und ansonsten literarischen Einrichtungen zugute kommen, die einen Nutzen für das Gemeinwohl haben.
Vielfach war das ursprüngliche Settlement dafür kritisiert worden, dass Autoren verwaister Werke enteignet würden, indem die ihnen zustehenden Einnahmen an andere Rechteinhaber umverteilt werden – ein Verfahren, wie es derzeit auch die deutschen Rechteinhaber vorsehen. Dass die jetzt vorgenommene Revision geeignet sei, die Frage der verwaisten Werke grundsätzlich zu lösen, ist nicht sicher. Ohne eine Initiative des Gesetzgebers sind die Aussichten darauf gering.
Deutsche Bücher
Deutsche Bücher sind in aller Regel von dem Vergleich nicht mehr betroffen. Deutsche Autoren und Verlage behalten auch dann, wenn sie nichts unternehmen, alle Ansprüche gegen Google. Sind sie der Ansicht, dass Google ihr Urheberrecht verletzt, können sie weiterhin jederzeit gegen Google klagen – falls das deutsche Urheberrecht betroffen ist, vor einem deutschen Gericht; falls ihr Copyright in den USA tangiert ist, vor einem amerikanischen. Sie erhalten einstweilen allerdings auch keine Zahlungen aus dem Settlement – auch nicht die bisher vorgeschlagenen 60 US-Dollar Entschädigung pro ungenehmigt genutztem Buch. Außerdem profitieren sie nicht vom wirtschaftlichen Ertrag zukünftiger Nutzungen, da Google diese nicht vornehmen darf.
Wer dies dennoch möchte, muss zukünftig einen Partnervertrag mit Google schließen, wie es zahlreiche Verlage bereits getan haben. Allerdings ist die Teilnahme an Googles Partnerprogramm nicht ohne Tücken: Die Abrechnungsmodalitäten sind für den Rechteinhaber nicht zu kontrollieren, die Gewinnbeteiligung ist in der Regel geringer als bei dem im Settlement vorgesehenen „Standard Revenue Split“ von 63 Prozent für Rechteinhaber zu 37 Prozent für Google.
Es bleibt abzuwarten, ob jene deutschen Verlagsgruppen, die das Settlement zunächst begrüßten, zukünftig auf Vertragsbasis mit Google zusammenkommen werden oder nicht. Random-House-Geschäftsführer Jörg Pfuhl hatte auf der von der Heinrich-Böll-Stiftung und iRights gemeinsam veranstalteten Tagung zum Google Settlement noch erklärt, seine Verlagsgruppe habe in der Vergangenheit nicht mit Google zusammenarbeiten wollen, weil die Partnerverträge für den Verlag eher nachteilig waren. Die Rechtssicherheit, die durch das Settlement geschaffen werde, hatte Pfuhl hingegen ausdrücklich begrüßt.
In Deutschland wird sich für die Google Buchsuche vorerst nichts ändern – die vom Settlement betroffenen Bücher werden lediglich in den USA angezeigt.
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