LG Offenburg: Providerdaten können ohne Gerichtsbeschluss herausgegeben werden
Im Auftrag der Musikindustrie hatte die Firma proMedia IP-Adressen eines Tauschbörsenteilnehmers ermittelt und an eine Anwaltskanzlei weitergeleitet, die ebenfalls im Auftrag von Rechteinhabern arbeitet. Die Kanzlei erstattete Anzeige. Daraufhin wollte die Staatsanwaltschaft Offenburg im Juni 2007 einen Gerichtsbeschluss erwirken, um den Internet-Service-Provider (ISP) zu zwingen, die Nutzerdaten zur IP-Adresse zu übergeben.
Das zuständige Amtsgericht in Offenburg lehnte das jedoch am 20. Juli 2007 „wegen offensichtlicher Unverhältnismäßigkeit“ ab. Die Begründung des Gerichts: Bei den identifizierenden Informationen zu einer dynamischen IP-Adresse handele es sich „um Verkehrsdaten, und nicht um Bestandsdaten“, und „infolge dessen unterliegen sie dem Fernmeldegeheimnis“. Das Gesetz sehe hohe Anforderungen vor, die erfüllt sein müssen, bevor Verkehrsdaten heraus gegeben werden würfen. Diese Anforderungen seien nicht erfüllt. Die in der Anzeige vorgeworfenen Straftaten seien nicht „von erheblicher Bedeutung“, es handele sich lediglich um „Bagatellkriminalität“.
Beschwerde der Staatsanwaltschaft
Gegen die Entscheidung des Gerichts legte die Staatsanwaltschaft am 1. August 2007 Beschwerde beim Amtsgericht ein. Das Amtsgericht legte die Beschwerde der Beschwerdekammer des Landgerichts vor.
Zwar hat die dritte große Strafkammer des Gerichts mit Beschluss vom 17. April 2008 die Beschwerde der Staatsanwaltschaft „als unzulässig abgelehnt“. Allerdings hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass nach der ab 1. Januar geltenden, neuen Rechtslage bei der Telekommunikationsüberwachung dynamische IP-Adressen in der Tat als Bestandsdaten zu behandeln seien. Staatsanwaltschaften und Polizei können sie vom Provider verlangen, auch wenn kein Gerichtsbeschluss vorliegt.
Providerdaten auch ohne Gerichtsbeschluss
Das Gericht argumentiert in seiner Entscheidung mit „der Gesetzesbegründung und der Entwicklung des Gesetzesentwurfes“. Zwar habe der Gesetzgeber im Gesetzestext selbst nicht klar geregelt, ob dynamische IP-Adressen Bestandsdaten oder strenger geschützte Verkehrsdaten seien. Jedoch habe sich der Rechtsausschuss des Bundestages in seiner Beschlussempfehlung vom 7. November 2007 dafür ausgesprochen, dass gespeicherte Daten, wie etwa eine dynamische IP-Adressen „auch für eine Auskunftserteilung über Bestandsdaten […] verwendet werden dürfen.“
Das Gericht folgert dann weiter: „Da das Gesetz mit dieser Ergänzung sodann vom Bundestag beschlossen wurde, ist dieser Sinn der in § 113 b Satz 1 Halbsatz 2 TKG eingefügten Worte Wille des Gesetzgebers geworden und somit für die Rechtsauslegung zu berücksichtigen, auch wenn der Wortlaut selbst den beabsichtigten Regelungsgehalt nicht eindeutig wiedergibt.“
Durch die Einstufung von IP-Adressen als Bestandsdaten entfaltet auch die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 zur „Vorratsdatenspeicherung“ keine unmittelbare Wirkung im Hinblick auf die Herausgabe der Providerdaten. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in seiner Entscheidung lediglich auf Verkehrsdaten bezogen. Sollten andere Gerichte der Auffassung des LG Offenburg folgen, dürften die Provider bald mit Auskunftsersuchen nach Nutzerdaten überschwemmt werden.
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