Antrag auf Akteneinsicht in Filesharing-Fall zurückgewiesen
Anfang Januar erstattete eine Inhaberin von Schutzrechten an „erotischen/pornographischen Filmen“ Anzeige bei der Staatsanwaltschaft München I gegen Unbekannt. Anlass: die ungenehmigte Verbreitung von Filmen in Tauschbörsen. Als Beleg legte die Klägerin der Staatsanwaltschaft Verbindungsdaten vor, aus denen hervorging, zu welchem Zeitpunkt unter welchen IP-Adressen die betreffenden Filme via Tauschbörse verbreitet wurden. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein, das später eingestellt wurde.
Die Filmfirma forderte dann – wie in Filesharing-Verfahren üblich – Akteneinsicht, um an die Identitäten der Nutzer zu den IP-Adressen zu gelangen. Auf diese Weise können Nutzer kostenpflichtig abgemahnt und zivilrechtlich wegen Urheberrechtsverletzungen belangt werden. Allerdings verweigerte die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, weil in ihren Augen die schutzwürdigen Interessen der Nutzer schwerer wogen als die der Rechteinhaberin. Gegen diese Entscheidung zog die Rechteinhaberin vor Gericht und verlor.
Die Güterabwägung der zuständigen Staatsanwaltschaft, die das Landgericht München I im vorliegenden Fall bestätigt hat, hebt den Beschluss gegenüber den Entscheidungen anderer Gerichte in ähnlich gelagerten Fällen heraus.
Kein „automatisches“ Recht auf Akteneinsicht
Das Gericht vertritt die Auffassung, dass der Rechteinhaberin keineswegs „automatisch“ ein Recht auf Akteneinsicht zustehe, denn „[e]s ist bereits fraglich, ob ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin gemäß [Strafprozessordnung] besteht“. Weiter heißt es dazu: „Wie aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist, und wie sich auch aus der Antragsbegründung erschließen lässt, richtet sich das Interesse der Antragstellerin nicht auf die Verfolgung von konkreten Urheberrechtsverletzern, sondern auf die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen gegen Inhaber von Netzzugängen, gleich ob diese selbst einen Urheberrechtsverstoß begangen haben oder nicht.“
Keine „Ausforschung“ der Nutzer
Das Gericht weigerte sich, die Staatsanwaltschaft als Erfüllungsgehilfen der Rechteinhaber anzusehen: „Es ist…nicht Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, die Geltendmachung bloßer zivilrechtlicher Ansprüche, ohne daß eine Straftat nachweisbar wäre, zu ermöglichen… Die Gewährung von Akteneinsicht würde damit die Gefahr begründen, daß die Ermittlungsbehörden die Inanspruchnahme zivilrechtlich nicht Verpflichteter durch die Anspruchstellerin begünstigen würde – dies untermauert mit dem Hinweis auf geführte staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.“ Eine Akteneinsicht auf bloßen „Anscheinsbeweis“ (IP-Adresse) hin „liefe […] auf eine auch dem Zivilrechtprozeßrecht fremde ,Ausforschung’ hinaus“, so das Gericht.
Auch das Argument, der Inhaber eines Internetzugangs sei zur Überwachung von dessen Nutzung verpflichtet, beispielsweise im Kreise der Familie, und müsse andernfalls als Störer für einen eventuellen Missbrauch haften, ließ das Münchner Gericht mit Verweis auf einen Beschluss des Frankfurter Oberlandesgerichts nicht gelten: „Anders als die Antragstellerin meint, ist der Inhaber einer Internetanschlusses trotz im Internet häufig vorkommender Urheberechtsverletzungen ohne das Vorliegen weiterer Anhaltpunkte nicht verpflichtet, Familienangehörige bei der Nutzung seines Anschlusses zu überwachen“.
Darüber hinaus könnte die Herausgabe der Identität des Nutzers durch „[d]ie Offenlegung, daß sein Computer solche Werke speicherte […] ganz erheblich in die Intimsphäre und damit sogar in den besonders geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsrechte des Computerbesitzers eingreifen“, denn „[d]ie Nutzung dieser Werke dient der sexuellen Neugier und Befriedigung der jeweiligen Betrachter“.
Keine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses
Das Gericht ist der Auffassung, dass Angaben über die Identität eines Nutzers, die von der Rechteinhaberin gefordert wurde, im vorliegenden Fall eine „dem Fernmeldegeheimnis unterliegende Information“ darstellen, weil daraus hervorgeht, „daß und welche Inhalte zu welchem Zeitpunkt von welchem Computer aufgerufen wurden“. Ein Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis sei aber nicht durch „fragliche zivilrechtliche Ansprüche“ der Rechteinhaberin zu rechtfertigen.
Schließlich problematisiert das Gericht die Frage der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen in Filesharing-Fällen grundsätzlich: „Es ist der Antragstellerin zwar zuzugeben, daß (auch) der Eigentumsschutz durch die öffentliche Gewalt grundsätzlich zu gewährleisten ist. Auf welche Art und Weise, in welcher Intensität und in welcher Priorität gegenüber anderen staatlichen Aufgaben dem nachgekommen wird, unterliegt jedoch nicht der Kontrolle durch dieses Gericht.“
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