Bundestag beschließt „Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums”
Mit der EU-Richtlinie zur „Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums“ (2004/48/EG) soll es den Inhabern von Urheber-, Patent-, Gebrauchsmuster- und Markenrechten erleichtert werden, ihre Ansprüche gegenüber mutmaßlichen Rechtsverletzern EU-weit durchzusetzen.
Rechteinhaber können nun von Dritten, die gar nicht ursächlich ihre Rechte verletzen, Auskunft über Nutzer verlangen, wenn diese Nutzer mutmaßlich Urheberrechte „in gewerblichem Ausmaß“ verletzen. Diese „Dritten“ sind zum Beispiel Internet-Zugangsprovider, wenn die Urheberrechtsverletzung online begangen wird.
Rechteinhaber können so direkt an die Nutzerdaten zu IP-Adressen gelangen, über die beispielsweise Musik- und Filmdateien in Tauschbörsen verbreitet wurden. Bisher mussten sie eine Anzeige erstatten. Daraufhin verlangte die Staatsanwaltschaft vom Internetprovider die Nutzerdaten, stellte aber in den meisten Fällen das Verfahren wegen Geringfügigkeit ein. Die Rechteinhaber verlangten dann Akteneinsicht, um so an die Nutzerdaten zu kommen.
Die Bundesregierung verspricht sich vom zivilrechtlichen Auskunftsanspruch unter anderem, dass die Strafverfolgungsbehörden entlastet werden. Seit 2004 sind sie im Auftrag der Rechteinhaber regelmäßig mit Massenstrafanzeigen überschwemmt worden.
Allerdings ist es notwendig, schutzwürdige Interessen von Rechteinhabern und mutmaßlichen Rechtsverletzern angemessen Rechnung zu tragen. Darum hat die Bundesregierung einen so genannten Richtervorbehalt im Gesetzentwurf vorgesehen. Die entsprechende Formulierung im Gesetz lautet: „Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten…erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist.“
Neu im Gesetz ist auch eine Regelung, die Abmahnkosten auf 100 Euro „für erste Urheberrechtsverletzungen“ begrenzt, wenn sie von Privatpersonen begangen werden.
Regierungsparteien für, Opposition gegen Gesetzentwurf
Gut vier Jahre hat sich die Bundesregierung Zeit damit gelassen, die Richtlinie umzusetzen. Damit wurde die von der EU-Kommission gesetzte Frist um fast zwei Jahre überzogen.
Der Rechtssausschuss des Bundestages hatte dem Gesetzentwurf mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD am Mittwoch zugestimmt. FDP, Linke und Grüne hatten den Gesetzentwurf abgelehnt, weil er ihnen entweder nicht weit genug oder zu weit ging. Der Plenarsaal war während der Beratung und der Abstimmung über das Gesetz weitgehend verwaist.
Justizministerin Zypries ließ sich in der Bundestagsdebatte von ihrem Staatssekretär Alfred Hartenbach vertreten. Er sagte, dass es der Bundesregierung beim Gesetzentwurf darum gehe, „Produktpiraten und Fälscher besser [zu] bekämpfen“. Hartenbach verteidigte den Richtervorbehalt und wies zugleich auf die Grenzen des Auskunftsanspruches hin: „Bei bloßen Bagatellverstößen besteht dieser Anspruch…nicht.“
Jerzy Montag von den Grünen sieht das anders. Montag verwies auf die Begründung des Gesetzentwurfes, in der stehe, dass ein „gewerbliches Ausmaß“ schon dann erreicht sei, wenn ein Täter einen „mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil“ erzielt. In Montags Auslegung heiße das, dass auch bei einem Tauschbörsennutzer, der ja Geld spart, weil er ein Musikstück nicht kauft, sondern kostenlos herunterlädt, ein Auskunftsanspruch besteht. Montag sprach deshalb von einem „Placebo“ im Gesetzentwurf. Dirk Manzewski von der SPD widersprach dem nicht direkt, sondern entgegnete Montag: „Vertrauen Sie unseren Gerichten.“
Für die FDP lehnte die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Gesetzentwurf ab, weil darin die Abmahngebühren begrenzt werden, sagte aber, dass die FDP grundsätzlich „die Zielsetzung des Gesetzentwurfs teilt“. Die Deckelung der Abmahngebühren stellt nach Meinung von Leutheusser-Schnarrenberger einen „Systemwechsel“ dar, „denn bei berechtigten Abmahnungen soll gedeckelt werden“. Die Deckelung werde dazu führen, dass „die Kosten für Abmahnung…nicht gedeckt“ werden könnten. Dass Staatssekretär Hartenbach für die Deckelung sei, sei nicht zuletzt dadurch begründet, dass er in der Vergangenheit „zweimal abgemahnt worden“ sei, betonte Leutheusser-Schnarrenberger.
Hartenbach hatte von „zum Teil verantwortungslose[r] Geschäftemacherei“ mit Abmahnungen gesprochen und auf „eine Flut von Bürgerbriefen“ an das Justizministerium verwiesen. Leutheusser-Schnarrenberger warnte ebenfalls davor, dass die unklare Formulierung „in gewerblichem Ausmaß“ in der Praxis zu Schwierigkeiten führen werde.
CDU/CSU: „Digitale Piraten“ bekämpfen
Günter Krings von der CDU/CSU-Bundestagfraktion rechtfertigte den Gesetzentwurf. Er sprach von „digitalen Piraten“, vom „klammheimlichen Sympathisieren“ und von „romantischen Vorstellungen“, die in den Medien verbreitet würden. Die Aktivitäten der „Piraten“ würden regelrecht zu einem „Kampf David gegen Goliath“ stilisiert. In Anbetracht der „volkswirtschaftlichen Bedeutung“ und der „kulturellen Bedeutung“, die „geistiges Eigentum“ für „ein rohstoffarmes Land“ wie Deutschland hätte, sei da „noch viel Überzeugungsarbeit“ zu leisten. Der vorgesehene Auskunftsanspruch sei notwendig, um dem „Diebstahlsopfer“ die Möglichkeit an die Hand zu geben, herauszufinden, wer ihn „im Internet bestohlen hat“. Dabei habe man „eine ausgewogene Balance“ gefunden.
Die Deckelung der Abmahnungskosten fand Krings „in Ordnung“. Er begründete sie unter anderem damit, dass das „Instrument der Abmahnung…vor Missbrauch geschützt werden [soll]“. Wer die Deckelung wie die FDP ablehne, so Krings, der „gefährdet die gesellschaftliche Akzeptanz der Abmahnung“. Der heute diskutierte Gesetzentwurf sei keinesfalls das Ende und die „Arbeit bei der Verbesserung des Schutzes des geistigen Eigentums noch nicht abgeschlossen“. So sei die CDU/CSU-Fraktion offen für „neue, niederschwellige Verfahren“ nach dem Vorbild Frankreichs.
Dirk Manzewski (SPD) warf Ulla Jelpke von der Fraktion der Linken vor, die Linke würde sich bei Fragen des geistigen Eigentums grundsätzlich desinteressiert zeigen und nicht an den Berichterstatterverfahren teilnehmen. Zuvor hatte Jelpke erklärt, dass ihre Fraktion zwar das „Anliegen des Gesetzentwurfs grundlegend“ teile, aber den Entwurf in seiner Ausgestaltung ablehne. Darin würde „Verhältnismäßigkeit…keine Rolle“ spielen und der Schutz des Eigentums über den Datenschutz gestellt. Der verwendete Begriff vom „gewerblichen Ausmaß“ von Rechtsverletzungen sei ganz im Sinne von Bertelsmann und Sony, profitieren würde davon die „Musik-, Film- und Softwareindustrie“.
Eine solche Position sei populistisch, sagte Manzewski. Er vertrat die Auffassung, dass die Interessenabwägung im Gesetzentwurf gelungen und es notwendig sei, die Stellung der Rechteinhaber im Kampf gegen die Produktpiraterie zu stärken. Im Übrigen habe man sich in den kritischen Punkten auf eine 1:1-Umsetzung der Richtlinie beschränkt. Anderswo in Europa werde „schon viel konsequenter“ vorgegangen.
Nach der Zustimmung des Bundestages muss nun noch der Bundesrat sein Einverständnis. Das wird voraussichtlich Ende Mai der Fall sein, so dass das Gesetz im Sommer in Kraft treten könnte. Sollte der Bundesrat wider Erwarten nicht zustimmen und den Vermittlungsausschuss anrufen, kann es mehrere Monate dauern, bis das Gesetz in Kraft tritt.
Medienindustrien und Verdi kritisieren Gesetzentwurf
Vertretern der Medienindustrien hatten sich von Anfang an gegen den Richtervorbehalt und die Deckelung der Abmahngebühren ausgesprochen und versucht, die geplanten Einschränkungen zu kippen – letztlich erfolglos. Für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels, den Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) und die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) stand deshalb schon gestern fest: „Das geplante Gesetz zur “Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums”…bietet für die Rechte von Autoren und Kreativen im Internet keinen ausreichenden Schutz.“
Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie, beklagte sich in einer Pressemitteilung stellvertretend für die anderen Verbände: „Urheber, Künstler und ihre Verwerter müssen von ihren Leistungen leben können. Wenn eine Dose Cola im Supermarkt mehr juristischen Schutz genießt als Musikalben, Spielfilme, Hörbücher oder Computerspiele im Internet, wird ihnen die Existenzgrundlage entzogen.“
Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisierte den Gesetzentwurf. Der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke erklärte in einer Pressemitteilung: „Im Bundestag macht man sich offensichtlich mehr Gedanken, wie man Urheberrechtsverletzer verschonen kann, als darüber, wie Urheberinnen und ausübende Künstler illegale Kopien und Downloads unterbinden können“. Nach eigenen Angaben werden rund 60.000 Urheberinnen und Urheber von Verdi vertreten.
Deutschland: „Weltweit bester Schutz für geistiges Eigentum”
Im Gegensatz zu den Positionen von Medienindustrie und Gewerkschaft war eine Umfrage des Weltwirtschaftsforums zu dem Ergebnis gekommen, Deutschland habe weltweit den besten Schutz für „geistiges Eigentum”.
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