Kanadische Online-Musikbibliothek geschlossen
Das IMSLP ist ein wiki-basiertes Projekt, auf dem Freiwillige Noten von gemeinfreien Musikstücken veröffentlichen. Der Musikverlag Universal Edition, der in Österreich ansässig ist, beauftragte eine kanadische Anwaltskanzlei gegen das IMSLP vorzugehen. In einem Abmahnungsschreiben wird der Student Xiao-Guang Guo, das IMSLP betreibt und dort unter dem Screennamen Feldmahler schreibt, aufgefordert, entweder das Online-Angebot der Noten ganz einzustellen oder Filter zu installieren, die nationale Urheberrechte durchsetzen. Feldmahler sieht sich mangels Ressourcen weder in der Lage, auf rechtlichem Wege gegen die Forderung vorzugehen, noch, die geforderten Filter zu installieren. Deshalb hat er das IMSLP-Angebot geschlossen. In einem offenen Brief auf der Homepage des Projekts erläutert er seine Entscheidung: „Statt herumzulavieren und die Website früher oder später doch schließen zu müssen, halte ich es für besser, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen und die Anstrengungen der IMSLP-Unterstützer nicht weiter zu vergeuden.“
Konflikt bei Schutzfristen
Universal Edition reklamiert für sich, die Rechte an den Noten für Werke von Bela Bartók, Alban Berg, Gustav Mahler und anderer Komponisten zu besitzen. Diese Rechte verfallen nach kanadischem Urheberrecht 50 Jahre nach dem Tode der Komponisten, nach österreichischem Urheberrecht aber erst 70 Jahre nach dem Tode. In voller Übereinstimmung mit kanadischem Recht hatten die Freiwilligen des IMSLP die Noten, die nach kanadischem Recht gemeinfrei geworden waren, das heißt, deren Urheberrechte abgelaufen waren, online gestellt. Die Noten wurden mit Hinweisen auf die Rechtslage versehen und die Nutzer aufgefordert, die jeweiligen Urheberrechtsgesetze in ihren Ländern zu beachten. Diese Maßnahmen genügten Universal Edition aber nicht.
Experte: „Urheberrechtsmissbrauch“
Der kanadische Urheberrechtsexperte Michael Geist sieht in seinem Blog Universal Edition (UE) im Unrecht: „In diesem besonderen Fall fordert UE, dass die Site IP-Adressen filtert, um Ausländer auszuschließen, weil ansonsten sowohl europäisches als auch kanadisches Urheberrecht verletzt würden. Es fällt schwer, die Behauptung als wahr anzusehen, hat doch das oberste kanadische Gericht entschieden, dass Sites wie IMSLP davon ausgehen dürfen, dass ihre Nutzungsbestimmungen eingehalten werden und sie daher nicht für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden können. Die Site operierte in Kanada gesetzestreu und es gibt hier keine Verpflichtung, Ausländer auszuschließen. Was die Lage in Europa betrifft, verkäme die Idee der Public Domain zu einem reinen Offline-Konzept, sollte UE Recht haben. Werke dürften erst dann online veröffentlicht werden, nachdem die weltweit am längsten gültigen Urheberrechte abgelaufen wären. Das kann nicht richtig sein. Kanada hat sich für eine Schutzfrist entschieden, die seinen internationalen Verpflichtungen entspricht. Jeder Versuch – wie im vorliegenden Fall –, längere Schutzfristen zu importieren, sollte nicht nur zurückgewiesen, sondern als Urheberrechtsmissbrauch behandelt werden.“
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