Tagung zur Ökonomie des Urheberrechts
Wie lang sollte ein optimaler Urheberrechtsschutz dauern? Welche Rolle spielen Verwertungsgesellschaften? Zahlt es sich aus, Schriftsteller zu werden? Treibt die Koexistenz von Open-Source- und Closed-Source-Software das Wirtschaftswachstum an? Mit diesen und weiteren Fragen befassten sich die am Donnerstag und Freitag vergangener Woche in Berlin versammelten Mitglieder und Gäste der Society for Economic Research on Copyright Issues (SERCI) auf ihrer Jahrestagung 2007.
Geistiges Eigentum als geeignetes Mittel zum Zweck?
Den Eröffnungsvortrag hielt Richard G. Lipsey von der Universität Vancouver (Kanada). Er schlug einen weiten Bogen über die Geschichte der Wissenschafts- und Technikentwicklung hin zu der Frage, welche Instrumente der Förderung von Fortschritt und Wachstum angemessen seien.
Er begann mit einer fundamentalen Kritik an der herrschenden Lehrbuchökonomie. Diese sei nicht in der Lage, technologische Fortschritte und Wirtschaftswachstum hinreichend zu erklären. Entsprechend seien die daraus abgeleiteten Instrumente zur Förderung des ökonomischen und technischen Fortschritts mit sehr vielen Problemen beladen. In seinen Ausführungen bezog sich Lipsey ausdrücklich auch auf die Problematik des Urheberrechtsschutzes und der Schutzrechte für geistiges Eigentum im Allgemeinen. Historisch gesehen, wären solche Schutzrechte oft erst nach den wichtigen Innovationen geschaffen worden. Sie hätten also keine große Anreizfunktion gehabt. Andere Instrumente wie beispielsweise die staatliche Förderung hätten in der Entwicklung von „vorwettbewerblichen Technologien“ in der Geschichte oft eine große Rolle gespielt. Diesen solle wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Urheberrechtsschutz: Zu kurz oder zu lang?
Michael Waldman von der Cornell-Universität (USA) stellte zusammen mit seinem Kollegen Nodir Adilov von der Universität Purdue (USA) die Frage, wann ein „ewiger Urheberrechtsschutz“ ökonomisch sinnvoll sein könnte. Unter starker Vereinfachung hat Waldman mit seinem Kollegen modelliert, wie sich Urheberrechtsverlängerungen und Investitionen in geschützte Werke zueinander verhalten. In ihrem Modell „eines Extremfalles“, so Waldman, kommen sie zu dem Schluss, dass ein längerer Schutz für umsatzstarke Werke zu höheren Investitionen und somit zu einem höheren gesellschaftlichen Nutzen führen würde. Ihr Modell traf ob der darin getroffenen Vereinfachungen auf einige Kritik.
Eine Art von Gegenentwurf lieferte im anschließenden Vortrag Rufus Pollock von der britischen Cambridge- Universität. In einer komplexen Modellrechnung die alltägliche Faktoren wie Inflation und Bedeutungsverlust kultureller Güter berücksichtigt, kam er zu dem Schluss, dass die „optimale Dauer“ des Urheberrechtsschutzes „knapp mehr als 14 Jahre“ betragen würde – was der ursprünglichen Schutzdauer entspricht, die in der „Copyright-Klausel“ der US-Verfassung vorgesehen war. Anhand von empirisch ermittelten Daten konnte er die Plausibilität seines Modells zeigen. Ausgehend von seinen Forschungsergebnissen und den vielen Ungewissheiten, die in einer so komplexen Modellrechnung stecken, warnte er eindringlich davor, das Urheberrecht vorschnell zu verlängern.
Welche Rolle spielen Verwertungsgesellschaften?
Vor dem Hintergrund des Vorschlags der EU-Kommission „für die Länder übergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden“ von 2005 diskutierten die in Berlin versammelten Experten die Rolle der Verwertungsgesellschaften aus ökonomischer Sicht. Wozu braucht man heutzutage überhaupt Verwertungsgesellschaften? Sind sie eher als Unternehmen einzuschätzen oder übernehmen sie vielmehr die Rolle von Versicherungen für ihre Mitglieder? Sind sie ihrer Konstruktion nach dazu geeignet, ihren Auftrag zur Kulturförderung wahrzunehmen?
Die Einleitung zur Diskussion lieferte Richard Watt von der Universität Canterbury (Neuseeland). Er spannte den großen Rahmen auf, indem er aus ökonomischer Sicht die Gewissheiten und Ungewissheiten über die Rolle von Verwertungsgesellschaften aufzählte. Im Anschluss daran analysierte Albrecht Schmidt-Bischoffshausen, Doktorand am Max-Planck-Institut für geistiges Eigentum in München die Funktion einer Verwertungsgesellschaft aus ökonomischer Perspektive.
Ruth Towse von der Erasmus-Universität in Rotterdam (Niederlande) und Christian Handke von der Humboldt-Universität Berlin stellten eine Forschungsarbeit vor, die sich Fragen der Regulation von Verwertungsgesellschaften widmet. Neben der Verwaltung und Ausschüttung von Einnahmen aus der Zweitverwertung urheberrechtlich geschützter Werke hätten Verwertungsgesellschaften auch weitere Funktionen. Und es sei wichtig, so Towse und Handke, diese Funktionen angemessen zu berücksichtigen. Dazu gehörten: „ihre Funktion als Autorengewerkschaften, als Instrumente der Kulturpolitik und als eine Art Sozialversicherung […] für ihre Mitglieder“. Die in den EU-Mitgliedstaaten existierende Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften garantiert, dass diese Funktionen erhalten bleiben. Die Pläne der EU-Kommission würden keineswegs zu mehr Wettbewerb führen, aber einen Wegfall der staatlichen Aufsicht bedeuten. Die Wahrnehmung anderer Funktionen als der reinen Rechteverwaltung sei damit gefährdet.
Das Argument, dass Verwertungsgesellschaften die Funktion von Versicherungen für ihre Mitglieder übernehmen würden, stützte Ana Maria Perez Gomez Tetrel von der Universität in Nantes (Frankreich) und Gastwissenschaftlerin am MPI in München. In ihrem Konferenzbeitrag zeigte sie, wie es den Verwertungsgesellschaften durch die Zusammenfassung individueller Risiken bei der Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke möglich sei, ihren Mitgliedern ein stetiges Einkommen mit geringen Schwankungen zu sichern. Für diesen „Transfer individueller Risiken“ auf das Kollektiv der Mitglieder einer Verwertungsgesellschaft zahlten die Künstler im Gegenzug die Verwaltungsgebühr, die jede Verwertungsgesellschaft automatisch aus den Einnahmen einbehält.
Verbraucherschutz und Strafrecht hinterfragt
Bei der Frage des Verbraucherschutzes gehe man in den USA und in der EU unterschiedliche Wege, legte Ville Oksanen von der Technischen Universität Helsinki in seinem Vortrag am Freitagnachmittag dar. Zusammen mit seinem Kollegen Mikko Välimäki hat er untersucht, welche Instrumente des Verbraucherschutzes in den USA und Europa zum Einsatz kommen, und welche Konsequenzen das hat. Am Beispiel des Sony-Rootkit-Falls zeigen die beiden Forscher, wie wirksam die Instrumente in den USA sein können – und wie wenige Anstrengungen die Europäischen Behörden in diesem Fall unternommen haben. Dass die Behörden bei Verletzungen des Verbraucherschutzes durchaus über geeignete Instrumente verfügen, zeigt sich nach Meinung von Oksanen und Välimäki am Vorgehen der deutschen und skandinavischen Verbraucherschützer gegen Apple und die Lizenzbedingungen für die Nutzung des iTunes-Portals.
Aus einer ganz anderen Richtung näherten sich Robert G. Picard, Tobias Dahlström und Edward Humphreys von der Jönköping International Business School (Schweden) der Frage nach der Durchsetzung von Urheberrechten. Ihr Ausgangspunkt war die weltweite Einführung strafrechtlicher Sanktionen für Urheberrechtsverletzungen seit Mitte der 90er Jahre.
Strafrechtliche Maßnahmen sind für ein Land nicht kostenlos zu haben. Es sind nicht unerhebliche Mittel erforderlich, um in Strafsachen zu ermitteln, die Täter zu verurteilen und für die Umsetzung der Strafen zu sorgen. Ökonomisch betrachtet, lässt sich eine Abwägung vornehmen: Wieviel Durchsetzung von Strafrecht ist sinnvoll, und ab wann wird es zu teuer, Rechte an geistigem Eigentum mittels Strafrecht durchzusetzen. Die Antwort der Forscher lautet, dass es besser wäre, nach konstruktiven Ansätzen zu suchen, als immer bloß das Strafrecht zu verschärfen. Ein Vorschlag der Forscher dazu sieht so aus: „Nationen mit Unternehmen, die zu den führenden Produzenten urheberrechtlich geschützter Werke gehören, und solche Unternehmen selbst, könnten…mit Hilfsprogrammen [für Länder mit weniger Urheberrechtsschutz] die dortige Produktion und somit die Durchsetzung [von Urheberrechten] stärken.“
Weitere Konferenzbeiträge befassten sich unter anderem mit der Anreizfunktion des Urheberrechts, der Rolle der „Piraterie“ bei Filmen und Musik, dem Einkommen von Schriftstellern. Die meisten Beiträge sind von der Homepage der Konferenz im PDF-Format zu beziehen (siehe Linkliste).
1 Kommentar
1 Paul-Alexander Wacker am 1. Januar, 2019 um 14:14
Trotz globalen Wettbewerb und ständig sinkender Erfindungsaktivitäten in DE und EU erhöht der Gesetzgeber die Hürden und das Niveau der Erfindungshöhe für den Schutz und die Durchsetzung von Erfindungen, während die Judikative die Schöpfungshöhe beim Urheberrecht mit der Geburtstagszug-Entscheidung auf Null abgesenkt und gleichzeitig die Durchsetzung von Urheberrechten unangemessen verschärft und verlängert hat.
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