Urheberrechtsnovelle auf der Überholspur
Monika Griefahn, Sprecherin der Arbeitsgruppe für Kultur und Medien, im Bundestag, sagte über das Ergebnis der umstrittenen Verhandlungen: „Nach zahlreichen langen und intensiven Verhandlungen ist aus der Gesetzesnovelle tatsächlich ein Gesetz für die Urheber geworden. Was wir als SPD schon im Wahlkampf zusagten, haben wir jetzt erreicht: den Schutz der Urheberrechte.“
Kritik aus der Wissenschaft
Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass die Rechten der Nutzer weiter eingeschränkt würden. So hatte das Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ in einer Pressemitteilung noch gestern davor gewarnt, den Entwurf in der vorgelegten Fassung zu verabschieden, weil darin „Informationsbedürfnisse und Informationsverhalten der in Bildung und Wissenschaft Arbeitenden weitgehend ignoriert wurden.“ Bibliotheken würden in Zukunft „massiv an der Informationsversorgung von Bildung und Wissenschaft im elektronischen Umfeld gehindert werden“ und das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel, ein „bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht“ zu schaffen, sei so nicht zu erreichen.
Gerätehersteller „massiv belastet“
Auch der Branchenverband der Hersteller von IT-Geräten, Bitkom, kritisiert den Gesetzentwurf. Jörg Menno Harms, Vizepräsident von Bitkom, sieht „Hersteller und Nutzer von IT-Geräten […] durch Abgaben massiv belastet“. Anlass für die Kritik ist, dass die Bundesregierung den Verwertungsgesellschaften entgegen gekommen ist. Diese hatten sich im Vorfeld vehement dafür eingesetzt, die vorgesehen Deckelung für Urheberabgaben („Kopierabgaben“) auf elektronische Geräte abzuschaffen. Damit sollen den Urhebern, die Mitglied in einer Verwertungsgesellschaft sind, höhere Einnahmen garantiert werden.
Im Gesetzentwurf war ursprünglich vorgesehen, die Urheberabgaben auf fünf Prozent des Verkaufspreises zu begrenzen. Diese Fünf-Prozent-Kappung ist jetzt gestrichen. Dazu Monika Griefahn: „In Rücksicht auf die Rechte der Urheber gibt es dabei weder eine fünfprozentige Deckelung noch eine zehnprozentige Bagatellregelung, was die Ausschüttung an die Urheber stark reduzieren würde. Stattdessen wollen wir, dass alle Autorinnen und Autoren, Musiker oder Filmschaffende fair und angemessen für ihre Arbeit bezahlt werden.“
Die Gerätehersteller rechnen in der Folge damit, dass die Verwertungsgesellschaften deutlich höhere Abgaben aushandeln und den Kreis der erfassten Geräte ausweiten werden. Für den Endverbraucher bedeutet das höhere Preise. Beispielsweise könnten sich Drucker um 10 bis 300 EUR verteuern. Die Hersteller der Geräte sehen deshalb die Gefahr, dass die Kunden zunehmend übers Internet im Ausland einkaufen könnten.
Privatkopie weiter eingeschränkt
Für die Nutzer urheberrechtlich geschützter Werke sieht die Gesetzesnovelle noch weitere Verschlechterungen vor. Die ursprünglich von Justizministerin Brigitte Zypries geplante Bagatellklausel für Nutzer von P2P-Tauschbörsen ist weggefallen. Auch geringfügige Verletzungen des Urheberrechts, beispielsweise durch das Hochladen einiger weniger geschützter Musikstücke, können demnach verfolgt werden. Die Gefahr dafür wird steigen, denn die Möglichkeiten zur legalen Nutzung von P2P-Tauschbörsen werden weiter eingeschränkt. Privatkopien von „offensichtlich rechtswidrig zugänglich gemachten“ Vorlagen sind in Zukunft unzulässig. Statt wie bisher nur der Upload ist in Zukunft auch der Download geschützter Musik in den meisten Fällen verboten.
Verwertung durch „unbekannte Nutzungsarten“ erleichtert
In einem weiteren Punkt gehören die großen Rechteverwerter zu den Profiteuren der Urheberrechtsnovelle. In der Frage der „Einräumung von Nutzungsrechten für unbekannte Nutzungsarten“ haben sie weitgehend ihre Interessen durchsetzen können. Hintergrund ist die Frage, wie mit archivierten Werken umgegangen wird.
Ohne Genehmigung der Urheber dürfen Werke nur in dem Umfang verwertet werden, wie es der Nutzungsvertrag oder das Gesetz ausdrücklich erlaubt. Sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt durch die technische Entwicklung ein neuer Weg der Verwertung eröffnen, wie beispielsweise durch das Internet, so müsste in jedem Fall ein neuer Vertrag ausgehandelt werden. Sollte der Urheber nicht auffindbar sein, dürfte das Werk nicht genutzt werden.
Die Verwerter hatten ein Widerspruchsrecht der Urheber vorgeschlagen. Sollten diese nicht innerhalb einer kurzen Zeitspanne der neuen Nutzung ihrer Werke widersprechen, so sollte das als Zustimmung und Genehmigung gelten. Eine Pflicht, die Urheber rechtzeitig über die Absicht zur neuen Nutzung zu informieren, hatten die Verwerter nicht geplant.
Der aktuelle Entwurf sieht nun vor, dass die Verwerter verpflichtet sind, die Urheber zu benachrichtigen. Dann beginnt eine Dreimonatsfrist, innerhalb derer die Urheber der neuen Nutzung widersprechen können. Ist die Frist abgelaufen, erlöscht das Widerspruchsrecht. Im Grunde wird also den Verwertern eine gesetzliche Zwangslizenz zur Verwertung in neuen Nutzungsarten eingeräumt. Dafür müssen die Verwerter eine „angemessene Vergütung“ zahlen. Der Vergütungsanspruch soll nur durch die Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden können. Urheber, die nicht Mitglied einer Verwertungsgesellschaft sind, gehen also wieder leer aus, wie schon bei den Kopierabgaben.
Die vorgesehene Neuregelung findet denn auch keinen ungeteilten Zuspruch. Auf einem Symposium zum Thema „Film- und Medienrecht“, veranstaltet vom Institut für Urheber- und Medienrecht in München, erklärte etwa Fred Breinersdorfer, Professor, Drehbuchautor und Produzent: „Die Novellierung zu den unbekannten Nutzungsarten ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht“. Seiner Meinung nach sei die Marktmacht der Verwerter zu groß, als dass die Urheber eine angemessene Vergütung durchsetzen könnten.
Subito vor dem Aus, kein „Open Access“
Die Position der Verwerter wird auch dadurch Einschränkungen bei den Bibliotheken und dem Kopienversand gestärkt. In Zukunft sollen Bibliotheken elektronische Werkskopien nur noch so oft zur Nutzung anbieten dürfen, wie sie gedruckte Exemplare im Bestand haben. Nur bei „Belastungsspitzen“ sind Ausnahmen vorgesehen. Der kostengünstige Versand elektronischer Kopien von Artikeln aus Fachzeitschriften, den die Bibliotheken in der Vergangenheit über den Dienstleister Subito abgewickelt haben, wird der Vergangenheit angehören. Eine Ausnahmeklausel ist dafür nicht vorgesehen und vor Gericht war Subito dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Vereinigung internationaler Fachverlage unterlegen.
Der Kopienversand wird in Zukunft also nur noch per Fax zulässig sein, was die praktischen Nutzungsmöglichkeiten der Kopien drastisch einschränkt. Darüber freuen können sich die Fachverlage, die ihre Artikel kostenpflichtig im Internet anbieten. Einzelne Artikel werden in der Regel zu Preisen um die 25 Euro angeboten, Abonnements kosten nicht selten mehrere tausend Euro im Jahr. Auf Bibliotheken und Wissenschaftler kommen damit hohe Kosten für die Neuanschaffung von Fachzeitschriften zu.
Die Bundesregierung hat in ihrem Gesetzentwurf auch darauf verzichtet, ein Gegengewicht zu schaffen, indem sie die Rolle von „Open Access“ stärkt, wie es der Bundesrat ursprünglich befürwortet, später aber abgelehnt hatte. Der Verband deutscher Schriftsteller hatte zusammen mit dem deutschen PEN-Zentrum und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels im Mai alle Forderungen nach „Open Access“ in einer „Frankfurter Mahnung“ zurückgewiesen. Auf „Open Access“ zu setzen, sei „eine gravierende Fehlsteuerung“, hieß es dort.
Gesetz mit Vorbehalten
Stimmt der Bundesrat im Herbst zu, könnte das neue Urheberrecht noch dieses Jahr in Kraft treten. Angesichts der gravierenden Meinungsverschiedenheiten unter seinen Mitgliedern hat der Rechtsausschuss neben dem Gesetzentwurf einen Entschließungsantrag angenommen. Dieser stellt eine Auffanglösung für den Fall dar, dass sich das Gesetz als nicht ausreichend oder nicht praxistauglich erweist. In dem Entschließungsantrag geht es neben Frage zu Geräteabgaben und „Open Access“ auch darum, wie mit Gebrauchtsoftware gehandelt werden darf und ob Aufnahmesoftware für Internet-Radio-Sender erlaubt sein soll. Was den letzten Punkt anbelangt, fordert die Musikindustrie schon lange, die Privatkopie für diese Zwecke abzuschaffen.
Was sagen Sie dazu?