Kaum Fortschritte beim WIPO-Rundfunkvertrag
Im Januar trafen sich die Mitglieder des für den WIPO-Rundfunkvertrag zuständigen Ausschusses für Urheberrechte und verwandte Rechte (SCCR) zu einer außerordentlichen Sitzung, um den Vertragsentwurf zu überarbeiten. Im Verlauf des Monats März haben nun erste Mitgliedsstaaten der WIPO und die EU-Kommissionen in schriftlichen Kommentaren Position zum überarbeiteten Vertragsentwurf bezogen. Darin zeigt sich ein durchwachsenes Bild mit einigen Überraschungen.
Anfang Oktober 2006 hatte die Generalversammlung der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) beschlossen, dass weitere Verhandlungen über den als „Draft Non-Paper“ bezeichneten Entwurf eines internationalen Vertrages über Schutzrechte für Sendeunternehmen („WIPO Broadcasting Treaty“) nötig seien. Die Widerstände gegen den bis dahin erreichten Verhandlungsstand waren offenbar zu groß für eine Einigung. Auf einem SCCR-Treffen im Januar wurde der Vertragsentwurf gemäß den Vorgaben der Generalversammlung überarbeitet und anschließend zur Diskussion gestellt. Bis jetzt sind 15 Stellungnahmen bei der WIPO eingegangen, die auch online einzusehen sind (siehe Linkliste).
Teils konträre Positionen
Ein Ergebnis der Abstimmung in der WIPO-Vollversammlung Anfang Oktober: die meisten Staaten lehnen es ab, neuer Exklusivrechte für Sendeunternehmen zu schaffen. Stattdessen befürworteten sie den Schutz vor „Signalpiraterie“, der verhindern soll, dass Sendungen illegitim weiter verbreiter werden. Im Rahmen des SCCR sollte in diesem Sinne ein konsensfähiger Vorschlag erarbeitet werden.
Der EU-Kommission geht das nicht weit genug. In ihrem vierseitigen Kommentar heißt es: „Die EU und ihre Mitgliedstaaten möchten noch einmal betonen, dass ein Vertrag basierend auf exklusiven Rechten den angemessendsten und am besten durchsetzbaren Rahmen für den internationalen Schutz darstellen würde.“ Demgegenüber betonen die USA wiederholt, dass die WIPO-Vollversammlung dem Grenzen gesetzt hätte: „Die Generalversammlung hat den Mitgliedstaaten den Auftrag erteilt, ‚sich um eine Einigung auf einen signalbasierten Ansatz’ zu bemühen. Rundfunkunternehmen das exklusive Recht zur Speicherung einzuräumen, überschreitet das Mandat der Vollversammlung.“
In einem Punkt sind sich EU und USA aber weitgehend einig: Vertraglich festgelegte Ausnahmen von den am Ende beschlossenen Schutzbestimmungen soll es möglichst nicht geben. Dabei achten die USA, nicht jedoch die EU, zugleich genau darauf, dass der private Bereich durch den Vertrag möglichst nicht berührt wird. So merken die USA zur Frage des Schutzes vor einer „unerlaubten Weitersendung“ an, dass „eine Weitersendung innerhalb eines Hauses oder persönlichen Netzwerks keine Weitersendung im Sinne dieses Vertrages“ sein solle.
Streitpunkt „Schutz für technische Maßnahmen“
Ein weiterer Streitpunkt unter den WIPO-Mitgliedstaaten ist die Frage, ob und wie Verschlüsselung und andere technische Schutzmaßnahmen geschützt werden sollen, die Sendeunternehmen einsetzen können, um das Weitersenden und Aufzeichnen „ihrer“ Sendungen zu verhindern. Während der Entwurf des SCCR einen Schutz von Verschlüsselungen vorsieht, möchten sowohl die USA als auch die EU eine allgemeinere Formulierung für den „Schutz technischer Maßnahmen“ in den Vertrag aufgenommen wissen.
Einen sehr kurzen Kommentar hat die Schweiz abgeliefert. Auf nicht einmal einer halben Seite werden aber wichtige Fragen aufgeworfen. Im Hinblick auf Aussagen in der Präambel zur Fragen des Zugang zu Wissen und Informationen heißt es: „Was ist unter ‚Freiheit zur Förderung des Zugangs zu Wissen und Information’ zu verstehen? Wie kann diese Freiheit beispielsweise mit der Verpflichtung zum Schutz von Verschlüsselungen in Einklang gebracht werden?“
Was ist „Webcasting“?
Weiterhin wird um die richtige Abgrenzung von Rundfunk („Broadcasting“) und Internet-Sendung („Webcasting“) gerungen. Das Thema Webcasting war im vergangenen Jahr nach heftigem Streit ausdrücklich von den jetzt laufenden Verhandlungen ausgeklammert worden. Verschiedene Länder wollen die Abgrenzung nicht daran festmachen, ob für die Übertragung das Internet-Protokoll IP verwendet wird. So heißt es beispielsweise im japanischen Positionspapier: „Wir weisen darauf hin, dass es nicht korrekt ist, bei allen Übertragungen mittels Internet-Protokoll von Übertragungen in Computer-Netzwerken auszugehen. […] Es sollte daher klargestellt werden, welche Übertragungen mittels Internet-Protokoll ‚Webcasting’ oder ‚Netcasting’ darstellen und deshalb als ‚Übertragung in Computer-Netzwerken’ aus dem Geltungsbereichs dieses Vertrages ausgeschlossen werden sollen.“
Der Iran fordert hingegen konsequent „alle Hinweise auf Computer-Netzwerke in der Art von ‚durch beliebige Mittel’ oder ‚auf beliebige Weise’ aus dem Entwurfstext zu streichen. Eine ähnliche Position nimmt auch Indien ein, das jedoch lediglich eine verbale Klarstellung verlangt.
Kanada beharrt auf eigener Position
Auf klarem Kollisionskurs zu den anderen großen Industrienationen bewegt sich Kanada, das auf seiner Position beharrt, „die Weiterverbreitung unverschlüsselter Sendungen im eigenen Land auch ohne ausdrückliches Einverständnis des ursprünglichen Senders zu gestatten“.
Zu einer schnellen Einigung auf einen endgültigen Vertragstext wird es wohl nicht kommen. Zu unterschiedlich sind die Interessen nicht nur in Detail-, sondern auch in Grundsatzfragen.
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