WIPO will Public Domain stärken
Am Freitag ist die erste von zwei Runden der Beratungen zum so genannten Entwicklungsprogramm (Development Agenda) der WIPO zu Ende gegangen, die in diesem Jahr stattfinden. Die Mitglieder einigten sich darauf, dass „Gesetzgebungsprozesse unterschiedliche Entwicklungsstadien von Ländern berücksichtigen“ und „ein Kosten-Nutzen-Gleichgewicht beachten soll“. Studien sollen untersuchen, wie sich Regulierungen und Gesetzgebung zu geistigem Eigentum wirtschaftlich, sozial und kulturell auswirken.
In der WIPO vereinbaren 184 Mitgliedsstaaten ihr Vorgehen zur gesetzlichen Regulierung von geistigem Eigentum. Ihre Beschlüsse sind für die Mitglieder bindend und müssen in die jeweilige Gesetzgebung des Landes übernommen werden. Public Domain ist der Begriff für den Funds an Werken – künstlerischer und auch wissenschaftliche Natur –, die keinen Schutzrechten – also Patenten, Urheber- oder Markenrechten – unterliegen, und somit von jedem uneingeschränkt genutzt werden können.
„Neuer Tonfall und Denkansatz der WIPO“
James Love, prominenter WIPO-Beobachter und Direktor des Consumer Project on Technology, einer US-Bürgerrechtsorganisation, sagte zu den Beschlüssen, dass sie „einen neuen Tonfall und Denkansatz der WIPO signalisieren. In gewisser Weise tritt die WIPO in ein neues Zeitalter ein und reagiert darauf, dass es immer mehr Forderungen nach Reformen und einem ausgeglichenen Ansatz zum Schutz geistigen Eigentums gibt.“
Die zweite Runde der Beratungen im Juni, in der es um einen Vertrag über „Zugang zu Wissen“ (Access to Knowledge) gehen wird, schätzt Love allerdings als schwieriger ein: „Die Vorschläge dazu sind sehr viel ehrgeiziger und werden von den USA den EU-Staaten abgelehnt“, schreibt er im Online-Magazin „The Huffington Post“, „denn dabei geht es um eine Aufsehen erregende Abkehr von den traditionellen Versuchen der WIPO, geistige Eigentumsrechte zu erweitern und härter durchzusetzen.“
Überraschend waren für viele Beobachter und Aktivisten die Positionen von Ländern wie den USA, die traditionell eher eine harte Linie vertreten, dieses Mal aber eher moderat und kompromissbereit aufgetreten seien – wie auch die Abgesandten Großbritanniens, Deutschlands und der Schweiz. Einzig Kolumbien lehnte den Beschlussentwurf ab, was Eduardo Villanueva Mansilla von der Katholischen Universität Peru mit den Worten kommentierte: „Das ist ein perfektes Beispiel für die politischen Positionen der konservativen Kreise in Lateinamerika, die unter dem Einfluss der USA stehen. Es zeigt auch, wie die Debatte über die Public Domain bei Kreativen und Medienschaffenden erst noch ankommen muss, die meist gar nicht wissen, welche Positionen von den Konservativen vertreten werden, die für unsere Regierungen arbeiten.“
Zufriedenheit, aber auch warndende Stimmen bei NROs
Vertreter von Nichtregierungsorganisationen zeigten sich insgesamt zufrieden mit den Ergebnissen. „Mit diesem Treffen sind wir dem Ziel einen Schritt näher gekommen, die WIPO fit fürs 21. Jahrhundert zu machen“, sagte etwa Vera Franz vom Information Program des Open Society Institutes in Budapest, und weiter: „Noch 2003 hatte die WIPO behauptet, dass ein Treffen zu offenen, gemeinschaftlichen Wissensprojekten nicht in ihr Aufgabengebiet fällt. Heute hat sie dieses Thema deutlich auf ihre Tagesordnung gesetzt und anerkannt, dass in einer gesunden und wettbewerbsorientierten Wissensökonomie mehr Schutzrechte nicht immer besser sind.“
Allerdings gab es auch warnende Stimmen. „Die WIPO hat in dieser Woche wirklich erfrischend viele Fortschritte gemacht“, so Ren Buchholz von der US-Organisation Electronic Frontier Foundation. „Aber es ist entscheidend, dass der kritische Geist dieser Sitzung auch beim Treffen im Juni noch vorhanden ist. Wenn bestimmte Länder verhindern, dass der Rest der Vorschläge – und es gibt viele – fair verhandelt werden, sollten wir uns nicht darüber wundern, wenn der Erfolg dieser Woche leidet.“
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