Urheberrechtsreform: Kabinett antwortet Bundesrat
Mitte Mai hatte der Bundesrat sich mit auffallend scharfer Kritik zum Regierungsentwurf für den „Zweiten Korb“ geäußert (iRights.info berichtete, Link am Ende dieses Textes). Vor allem die Regelungen über Nutzungsfreiheiten (die so genannten Schrankenbestimmungen) für Lehre, Forschung und Bibliotheken gingen der Länderkammer längst nicht weit genug. „Der Bundesrat hält es jedoch für dringend geboten, im Rahmen des Zweiten Korbs ein bildungs- und wissenschaftsfreundlicheres Urheberrecht zu schaffen, das auch den Erfordernissen der durch das Grundgesetz besonders geschützten und nicht kommerziell ausgerichteten Einrichtungen in Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie dem Grundrecht auf Informationsfreiheit der Bürger weit stärker als bisher Rechnung trägt“, hieß es von Seiten des Rates.
Änderungsanträge weit gehend zurückgewiesen
Entsprechend lang war die Liste der vom Bundesrat empfohlenen Änderungen. Nicht weniger als 23 Punkte wurden von den Ländervertretern kritisiert.
Hierunter waren zum Teil nahezu revolutionär anmutende Vorschläge. So wurde unter anderem eine Open-Access-Regelung angeraten, die es Wissenschaftlern ermöglichen würde, Zeitschriftenartikel, die von Verlagen veröffentlicht wurden, sechs Monate nach Erstveröffentlichung auf der eigenen Webseite (oder anderweitig online) zu veröffentlichen. Sogar ein Recht öffentlicher Bibliotheken, ihre Bestände für die Nutzer auch online anbieten zu können, wollten die Ländervertreter in Form einer neuen Schrankenbestimmung in das Gesetz eingefügt wissen.
Schon der ersten Reaktion von Bundesjustizministerin Zypries war allerdings zu entnehmen, dass die Vorschläge bei der Regierung auf wenig Gegenliebe stoßen würden. Dies hat sich nun bewahrheitet. Zwölf der Vorschläge beschied die Regierung abschlägig, sechs Anregungen sollen immerhin im weiteren Gesetzgebungsverfahren überprüft werden. Nur fünf Empfehlungen der Länderkammer hat sich die Regierung zumindest inhaltlich angeschlossen.
Keine maßgebliche Stärkung für Bibliotheken, Wissenschaftler und Bildungseinrichtungen
Abgelehnt wurden vor allem die bereits genannten Vorschläge zur Einführung einer Open-Access-Regelung und einer Befugnis für Bibliotheken, ihre Bestände für die Nutzer online zu stellen. Auch zukünftig wird es den Bibliotheken also nach dem Willen des Kabinetts nicht möglich sein, Ihre Bestände über das Internet einer breiten Öffentlichkeit zur Benutzung bereitzustellen. Der Weg zur nächsten Bibliothek bleibt damit unvermeidlich.
Als Begründung für die Ablehnung dieser und anderer Vorschläge führt die Regierung die nach ihrer Ansicht vorrangigen Interessen der Verlage an ihren „ausschließlichen Verwertungsrechten“ an. Dieses Argument zieht sich im Übrigen wie ein roter Faden durch die gesamte Gegenäußerung. So wäre es „gegen die verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Verlage“ den geplanten neuen § 52b Urheberrechtsgesetz generell auf alle Bildungseinrichtungen zu erweitern. Diese Regelung gestattet es nach bisheriger Ausgestaltung nur Bibliotheken, Museen und Archiven (nicht aber Bildungseinrichtungen allgemein), für ihre Nutzer elektronische Leseplätze bereitzustellen, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke angesehen werden können.
Auch der vom Bundesrat vorgeschlagenen Erweiterung für den elektronischen Kopienversand (die so genannte „SUBITO-Schranke“) hat die Bundesregierung mit Verweis auf die Interessen der Verlage widersprochen. Der elektronische Kopienversand soll öffentlichen Bibliotheken nach dem Willen des Kabinetts nur noch dann gestattet sein, wenn die Verlage den jeweiligen Text nicht selbst zum Versand anbieten. Der Bundesrat hatte kritisiert, dass dies auch gelten soll, wenn die Angebote der Verlage mit öffentlich geförderten Diensten preislich nicht vergleichbar sind. „Da bereits heute elektronische Beiträge von Verlagen für über 30 Euro angeboten werden, ist zu befürchten, dass der schnelle und durch das Grundgesetz garantierte offene Zugang zu Informationen nicht mehr für jedermann zur Verfügung stehen wird“, begründete der Bundesrat seine Kritik. Die Bundesregierung erwiderte hierauf, dass man davon ausgehe, dass die Verlage ihre Konditionen angemessen ausgestalten würden.
In einem anderen Punkt hat sich die Bundesregierung immerhin gegen eine Stärkung der Verlegerinteressen gewendet. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, die Leseplatz-Regelung insoweit zu beschränken, dass Bibliotheken jeweils nur so viele Exemplare eines Werkes gleichzeitig zugänglich machen dürfen, wie im Bestand tatsächlich vorhanden sind. Die Bundesregierung hatte eine solche Einschränkung im ersten (Referenten-)Entwurf zunächst selbst vorgeschlagen, sich im Regierungsentwurf jedoch dagegen entschieden. Noch einmal will das Kabinett seine Meinung hierzu nicht ändern. „Die Bundesregierung hält den Verzicht auf diese Einschränkung für geboten, um die Medienkompetenz der Bevölkerung zu fördern und angemessene Bedingungen für den Forschungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland sicherzustellen“, erläutert die Erklärung.
Keine Verbesserungen für die Urheber bei „neuen Nutzungsarten“
Zurückgewiesen wurde auch ein Vorschlag, der die Interessen der Urheber gegenüber denen der Verwerter stärken sollte. Nach neuem Urheberrecht sollen die Kreativen durch Verträge auch Rechte an „noch unbekannten Nutzungsarten“ übertragen können. Dies ist bislang nicht möglich. Ein Autor hätte zum Beispiel vor zwanzig Jahren keine Internet-Rechte an seinem Beitrag auf einen Verlag übertragen können.
Diese Regel soll die Verhandlungsposition der Urheber gegenüber den Verwertern verbessern, da sich die letzteren in der Regel im Vorteil befinden. Sie soll nun durch den Zweiten Korb abgeschafft werden. Die Urheber sollen nur noch ein Recht haben, die Verwertung in einer neuen Nutzungsart mit einem Widerruf zu verhindern. Der Bundesrat befürwortete diese Rechtsänderung zwar im Grundsatz, kritisierte jedoch deren Ausgestaltung. Denn nach dem Vorschlag der Bundesregierung soll das Widerrufsrecht in dem Moment entfallen, in dem der Verwerter begonnen hat, das Werk auf die neue Art und Weise auszuwerten. Eine Pflicht der Verwerter, den Urheber vorab über ein solches Vorhaben zu informieren, soll es nach dem Regierungsentwurf nicht geben.
Dies kommentierte der Bundesrat wie folgt: „Das Widerrufsrecht ist aber nach der vorgeschlagenen Regelung zu schwach ausgestaltet. Anstelle einer Informationspflicht des anderen Vertragspartners statuiert es eine Erkundigungsobliegenheit des Urhebers. Denn es soll automatisch entfallen, wenn der andere beginnt, das Werk in der neuen Nutzungsart zu nutzen. Der Urheber wird aber von der bevorstehenden neuen Nutzung zumeist keine Kenntnis haben. Er wird auch nicht immer darüber informiert sein, dass sich überhaupt eine neue Nutzungsart entwickelt hat.“ Entsprechend forderte die Länderkammer eine Änderung der neuen Vorschrift, nach der das Widerrufsrecht erst nach einem Hinweis durch den Verwerter entfallen sollte.
Wie geht es weiter mit dem zweiten Korb?
Regierungsentwurf, Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung werden nun in ein offizielles Gesamtdokument aufgenommen, das dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt werden wird. Wie lange es noch dauert, bis das neue Gesetz in Kraft treten wird, ist angesichts der Auseinandersetzungen zwischen Bundesrat und Bundesregierung noch nicht abzusehen. Selbst die Bundesregierung äußert in ihrer Gegenäußerung Zweifel daran, dass dies noch in diesem Jahr geschehen wird.
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