Doch keine Überwachungspflicht für Forumsbetreiber
Der Streit darum, ob Forumsbetreiber für ehrverletzende Beiträge der Teilnehmer haften, geht in eine neue Runde. Nachdem das Landgericht (LG) Hamburg mit seinem Urteil zum Heise-Forum für Furore gesorgt hatte, hat sich nun das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf zu dieser Frage geäußert. Die Richter urteilten: Der Forumsbetreiber muss sein Forum nicht auf rechtswidrige Äußerungen überwachen, sondern ehrverletzende Inhalte erst dann löschen, wenn er davon Kenntnis erhält. Eben dies sahen die Hamburger Richter ganz anders.
Beleidigungen im Forum
Ähnlich wie im „Heise-Foren“-Fall ging es im Düsseldorfer Rechtsstreit um schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Nutzer eines Online-Forums. Der Kläger wurde von – anonym handelnden – Forumsteilnehmern unter anderem als „Pornokönig“ und als „Pleitier“ bezeichnet. Auch die Behauptung, er sei „dumm, dümmer geht”s wirklich nicht“ soll gefallen sein.
Juristisch nennt man solche Aussagen „Schmähkritik“ oder „Formalbeleidigungen“. Das sind Äußerungen mit ehrverletzendem Charakter, die nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, weil hierbei nicht die sachliche Auseinandersetzung, sondern die pauschale Herabsetzung des Betroffenen im Vordergrund steht.
Dem wollte der Kläger einen Riegel vorschieben. Da die Teilnehmer nicht zu identifizieren waren, beantragte er beim LG Düsseldorf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Betreiber des Forums. Dieser solle in Zukunft dafür sorgen, dass es nicht mehr zu solchen Aussagen komme. Er sei – so der Kläger – verpflichtet, die von ihm gehosteten Foren aktiv auf derartige Rechtsverstöße untersuchen. Das LG gab seinem Antrag in erster Instanz statt und erließ die Verfügung.
OLG Düsseldorf: Aktive Überwachungs- und Prüfungspflicht ist unzumutbar
Der Forumsbetreiber legte daraufhin Berufung ein – und gewann. Das OLG Düsseldorf hob die einstweilige Verfügung wieder auf. Zwar seien die ehrverletzenden Beiträge nach Mitteilung des Klägers unverzüglich zu löschen gewesen. Eine darüber hinaus gehende allgemeine Überwachungspflicht bestehe dagegen im konkreten Fall nicht.
Zu dieser Beurteilung kommen die Richter nach der Prüfung verschiedener Kriterien, die bei der Frage, ob eine Überwachungspflicht auf Rechtsverstöße gegeben ist, zu untersuchen seien: „Es ist vielmehr danach zu fragen, inwieweit es dem als Störer in Anspruch Genommenen technisch und wirtschaftlich möglich und zumutbar ist, die Gefahren von Rechtsgutverletzungen zu vermeiden, welche Vorteile der Diensteanbieter aus seinen Diensten zieht, welche berechtigten Sicherheitserwartungen der betroffene Verkehrskreis hegen darf, inwieweit Risiken vorhersehbar sind und welche Rechtsgutverletzungen drohen“, heißt es im Urteil. Und weiter: „Nach diesen Kriterien vermag der Senat eine weitergehende Prüfungspflicht des Verfügungsbeklagten nicht zu erkennen. [Es …] spricht jedoch zum einen entscheidend gegen die Annahme weiterer Prüfpflichten, dass der Verfügungsbeklagte als nicht professioneller Forumsbetreiber tätig war, der – soweit ersichtlich – in keiner Weise von dieser Tätigkeit wirtschaftlich profitierte. […] Zum anderen ist nicht ersichtlich, wie mit zumutbarem Aufwand der Verfügungsbeklagte Vorsorge gegen weitere Rechtsgutverletzungen hätte treffen können. Wirtschaftlich war es unzumutbar, Mitarbeiter in ausreichender Zahl zu beschäftigen, die das gesamte Forum mit seinen verschiedenen Diskussionsforen rund um die Uhr hätten überwachen können. Technisch war die Sperrung der IP-Nummern nicht geeignet, weitere Rechtsverletzungen zu vermeiden, wie der tatsächliche Umgehungserfolg zeigt. Eine Sperrung der Pseudonyme war praktisch ungeeignet, da Pseudonyme gewechselt werden können. Eine Suche nach bestimmten Kennworten (“Pornokönig”, “dumm” etc.) mag technisch ohne großen Aufwand realisierbar und bei Markenrechtsverletzungen auch sinnvoll sein, ist aber angesichts der unübersehbar großen Möglichkeiten, Äußerungen ehrverletzend zu formulieren, bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen ersichtlich ohne großen praktischen Sinn.“
Hamburg versus Düsseldorf: Wesentliche Unterschiede in der Rechtsprechung
Das LG Hamburg hatte im Heise-Forums-Fall die gegenteilige Meinung vertreten (iRights.info berichtete, Link am Ende des Textes). Der Betrieb eines Online-Forums bedeute die Eröffnung einer „erheblichen Gefahrenquelle“, den Betreiber treffe daher verschärfte Haftung. Aufgrund dieser verschärften Haftung müsse der Forumsbetreiber dafür sorgen, dass keine rechtswidrigen Beiträge gepostet werden. Er sei daher verpflichtet, entweder genügend Personal einzustellen oder technische Mittel einzusetzen, damit die Forumsbeiträge auf ihre Rechtmäßigkeit hin geprüft werden können, bevor sie online gehen.
Die Gegensätze in der Begründung sind offensichtlich. Gerade der Unterschied zwischen Überwachungs- und Löschungspflichten ist für Forumsbetreiber elementar. Hätten sie die Pflicht, ihr Forum auf rechtswidrige Inhalte systematisch zu prüfen, wären sie haftbar, sobald etwa ein beleidigender Eintrag im Netz steht. Um dieser Haftung zu entgehen, müssten theoretisch alle Forumsbeiträge zunächst einer juristischen Kontrolle unterzogen werden. Ein Ding der Unmöglichkeit, kritisierte der Heise-Verlag das Hamburger Urteil: “Eine Vorabkontrolle von Nutzerbeiträgen würde das Ende der gewachsenen Forenkultur in Deutschland bedeuten“, äußerte sich dessen Justiziar Jörg Heidrich in einer Stellungnahme.
Besteht dagegen nur eine Haftung nach dem „notice-and-take-down“-Prinzip trifft den Forumsbetreiber lediglich die Pflicht, rechtswidrige Einträge auf Hinweis unverzüglich zu löschen. Erst wenn er dieser Pflicht nicht nachkommt, kann er auf Unterlassung, gegebenenfalls Schadensersatz, in Anspruch genommen werden.
Gefahr gebannt?
Die Frage der Betreiberhaftung für Forumseinträge wird die Gerichte sicherlich noch eine Weile beschäftigen. Immerhin sind die Ansichten der Rechtsprechung zu diesem Thema nach wie vor kontrovers. Nächster Austragungsort für den Streit zwischen den „Marktplätzen der Meinung“ und den „gekränkten Bürgern“ wird wieder Hamburg sein. Der Heise-Verlag hat gegen das Urteil des LG Hamburg Berufung beim OLG Hamburg eingelegt.
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