Bundesrat: Urheberrechtsnovelle setzt falsche Signale
In den vergangenen Wochen hatten der Rechts- und Wirtschaftsausschuss und der Ausschuss für Kulturfragen des Bundesrats den Regierungsentwurf zur zweiten Stufe der Urheberrechtsreform, dem so genannten Zweiten Korb, analysiert. Sie fordern nun, dass das Urheberrecht wissenschaftsfreundlicher wird und „den Erfordernissen der durch das Grundgesetz besonders geschützten und nicht kommerziell ausgerichteten Einrichtungen in Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie dem Grundrecht auf Informationsfreiheit der Bürger weit stärker als bisher Rechnung trägt“.
Im Detail mahnt der Bundesrat (neben anderen) folgende Veränderungen an:
Recht zur Open-Access-Veröffentlichung
Es müsse geprüft werden, wie das Urheberrecht auf die Besonderheiten der Verwertungsmodelle eingehen kann, die durch Open-Source-Software und Open-Access-Veröffentlichungen entstehen. Das soll unter anderem dadurch erreicht werden, dass Urheber wissenschaftliche Beiträge spätestens sechs Monate nach Erscheinen öffentlich zugänglich machen dürfen, also etwa über ihre private oder eine Universitätswebsite, auch wenn sie dem Verlag für die Erstveröffentlichung ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt haben.
Diese Regel soll für wissenschaftliche Veröffentlichungen gelten, die im Rahmen einer überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind“ und dafür sorgen, dass Wissenschaftler und Forscher Zugang zu wissenschaftlichen Informationen zu „wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen“ erhalten. Das Recht zur Open-Access-Veröffentlichung soll vertraglich nicht ausgeschlossen werden dürfen.
Mit dieser Ergänzung „erfolgt ein Paradigmenwechsel im Bereich wissenschaftlicher Veröffentlichungen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, der für einen möglichst freien Zugang zu wissenschaftlichen Informationen die geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen schafft“, wie die Ausschüsse in ihrer Empfehlung schreiben. Wissenschaftsorganisationen stellen vergleichbare Forderungen bereits seit mehreren Jahren, etwa die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft und viele weitere in ihrer „Berliner Erklärung zu Open Access“ aus dem Jahr 2003.
Besserer Zugang zu Unterrichtsmaterial für Schüler und Studierende
Urheberrechtlich geschützte Unterrichtsmaterialien sollen Schülern auch außerhalb der Unterrichtszeiten in Intranets zur Verfügung gestellt werden dürfen. Denn, so die Ausschüsse: „Moderne Unterrichtsformen wie Vor- und Nachbereitung von Lerninhalten in der Schule, klassenübergreifende Projektarbeiten oder die ganztägige Förderung und Betreuung in der Schule bedingen eine Intranet-Nutzung auch über die einzelne Schulstunde hinaus.“
Weiterhin soll es möglich sein, veröffentlichte Werke nicht nur in Bibliotheken, Museen oder Archiven an elektronischen Leseplätzen zur Forschung und für private Studien zugänglich zu machen, sondern auch in den Räumen von Bildungseinrichtungen, „wie etwa die nicht öffentlich zugänglichen Bibliotheken an Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Schulen“. Denn, so der Ausschussbericht: „Zum Bildungsauftrag der Schulen und Hochschulen gehört es, die Medienkompetenz zu fördern und gerade den Schülerinnen und Schülern sowie den Studierenden, die nicht selbst über die erforderlichen Geräte verfügen, die Nutzung digitaler Medien nahe zu bringen.“ An dieser Stelle wird die Kritik am Gesetzesentwurf der Bundesregierung besonders deutlich, denn im Dokument heißt es: „Auch bietet die maßgebliche EU-Richtlinie einen großen Spielraum, den der Regierungsentwurf nicht nutzt.“
Weiterhin Artikel per E-Mail zu günstigen Preisen
Bibliotheken sollen Kopien von Artikeln elektronisch (als grafische Datei) verschicken dürfen, auch wenn ein Verlag die gleichen Artikel kommerziell anbietet. Diese Regelung zielt auf den Subito-Lieferdienst von Bibliotheken, der seit Jahren auf Bestellung Artikel per Post, Fax oder als grafische Dateien verschickt. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass dieser Versand nur noch dann erfolgen darf, wenn ein Artikel nicht in einem kommerziellen Angebot abgerufen werden kann. Da diese Angebote oft ein Vielfaches der Subito-Preise verlangen, war die Regelung als sehr nutzerfeindlich kritisiert worden. Die Bundesrats-Ausschüsse urteilen entsprechend: „Da bereits heute elektronische Beiträge von Verlagen für über 30 Euro angeboten werden, ist zu befürchten, dass der schnelle und durch das Grundgesetz garantierte offene Zugang zu Informationen nicht mehr für jedermann zur Verfügung stehen wird. […] Die Kernaufgaben einer wissenschaftlichen Bibliothek würden zu Gunsten des Marktes beschränkt.“
Der Bundesrat wird seine Stellungnahme am kommenden Freitag abgeben. Dann wird sich zeigen, ob er die Emfpfehlungen seiner Ausschüsse – und damit auch die Kritik an der Bundesregierung – unverändert übernimmt. Danach wird sich der Rechtsausschuss des Bundestags mit der Stellungnahme befassen.
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