Streit um neues Schweizer Urheberrecht
Am 10. März hat der Schweizer Bundesrat den Gesetzentwurf für eine Neufassung des Urheberrechts verabschiedet. Im Mittelpunkt steht das Verbot, technische Schutzmaßnahmen und Zugangsbeschränkungen zu umgehen. Ebenfalls verboten sein soll, technische Mittel zur Umgehung herzustellenn und zu vertreiben (Hardware und Software), oder als Dienstleistung anzubieten, einen solchen Schutz zu umgehen.
Die Schweizer Regierung will mit ihrem Gesetz zwei WIPO-Verträge von Dezember 1996 in nationales Recht umsetzen: den WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) und den WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT). Die EU hatte das mit der Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG „zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“ im Jahr 2001 getan.
Kritik von allen Seiten
Die Schweizer Stiftung für Konsumentenschutz moniert, dass der Gesetzentwurf des Bundesrates den notwendigen Interessenausgleich zwischen Rechteinhabern und Rechtenutzern nicht schaffen würde. Nutzer von Medieninhalten müssten zukünftig mehr bezahlen und würden das Recht auf die Privatkopie verlieren.
Der Dachverband der Kulturschaffenden in der Schweiz, Suisseculture, hatte bereits im Vorfeld Stellung bezogen. Suisseculture hält es für sinnvoll, ein gesetzliches Umgehungsverbot für technische Schutzmaßnahmen einzuführen, erklärt aber zugleich, diese Maßnahemn „dürfen keinesfalls zulasten des geltenden Rechte- und Vergütungssystems für die Berechtigten, und auch nicht zulasten des Zugangs für Konsumentinnen und Konsumenten gehen.“ Daher verlangt Suisseculture klarere gesetzliche Formulierungen dazu, „welche Verwendungen für den privaten Gebrauch zulässig sind und welche nicht.“ Statt den Download für private Zwecke zu verbieten, regt der Verband an, „diese Handlungen zum privaten Gebrauch zu erlauben und zum Ausgleich für die Urheber und Interpreten eine angemessene Vergütung vorzusehen.“
Dem Schweizer Verband der Ton- und Videoträgerhersteller (IFPI Schweiz) geht der Gesetzentwurf nicht weit genug. Die vorgesehene Regelung, dass der Download von Musikstücken aus Tauschbörsen für private Zwecke – im Unterschied zum illegalen Hochladen – erlaubt sein soll, lehnt sie ab: „Die Revision des Urheberrechtsgesetzes in der Schweiz, die derzeit im Entwurf vorliegt und die Legalisierung des Downloads aus illegalen Tauschbörsen und von raubkopierten Angeboten beinhaltet, würde bedeuten, dass Musik immer weniger gekauft wird.“
Der Betreiber der Website anzeiger.ch, Jörg Korner, sieht sein Geschäftsmodell durch die geplante Urheberrechtsnovelle bedroht. Es basiert darauf, dass anzeiger.ch Anzeigen von Verlags-Websites automatisch erfasst, redaktionell aufbereitet und online verfügbar macht. Den Schweizer Zeitungsverlagen ist anzeiger.ch ein Dorn im Auge. Es ist ihnen allerdings auf gerichtlichem Wege nicht gelungen, die Website zu stoppen. Der Bundesgerichtshof hat es abgelehnt, im Verhalten des Betreibers von anzeiger.ch einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu sehen. Nun befürchtet Korner, dass der Urheberrechtsgesetz-Entwurf dazu genutzt werden soll, ihn aus dem Geschäft zu drängen, und droht für diesen Fall mit einem Volksentscheid gegen das Gesetz.
Kopierschutz-Knacken ausnahmsweise zulässig
In der Frage des Kopierschutzes will die Schweiz eigene Wege gehen. Da die Privatkopie auch in Zukunft erlaubt sein wird, soll es – im Unterschied zum Beispiel zur deutschen Gesetzeslage – nicht illegal sein, Kopierschutzmaßnahmen zu umgehen, um eine Privatkopie herzustellen.
Da allerdings geeignete Technologien und Dienstleistungen verboten werden, um den Kopierschutz zu umgehen, dürften die Auswirkungen einer solchen liberalen Regelung überschaubar sein. Nur wenige Nutzer dürften in der Lage sein, etwa die geeignete Software zum Kopierschutz-Knacken selbst zu entwickeln.
Die Gesetzesvorlage muss nun von den zuständigen Fachgremien in Ständerat und Nationalrat beschlossen werden, bevor das Parlament seine Zustimmung erteilen kann. Ein Zeitrahmen dafür ist noch nicht absehbar.
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