Wie funktioniert Open Access in der Praxis?
Herausgeber des Leitfadens ist Professor Gerald Spindler, Rechtswissenschaftler an der Universität Göttingen, der sich bereits in diversen Publikationen mit den Rechtsfragen um Open Source und Open Content auseinandergesetzt hat. Unter seiner Ägide entstand nun die etwa 260 Seiten starke Abhandlung zu dem ähnlich gelagerten Thema Open Access.
Open Access: Freier Zugriff auf wissenschaftliche Publikationen
Im Grundsatz basiert die Idee des Open Access auf den gleichen Gedanken wie die Open-Source- oder Open-Content-Lizenzen. Während diese Lizenzformen jedoch für Computerprogramme und alle Arten von urheberrechtlich geschützten Inhalten (etwa Musik, Filme, Datenbanken) entwickelt wurden, kümmert sich die Open-Access-Bewegung in erster Linie um wissenschaftliche Publikationen. „Der Begriff ‚Open-Access’ bezeichnet das Ziel, wissenschaftliche Literatur und Materialien im Internet frei zugänglich zu machen und so zu verhindern, dass die öffentliche Hand die ohnehin bereits stark subventionierten Forschungsergebnisse der Universitäten anschließend über kommerzielle Verlage zurückkaufen müssen.“, heißt es in einer Pressemitteilung des Lehrstuhls von Professor Spindler.
Die Idee des Open Access wurde in Wissenschaftskreisen entwickelt. Angestrebt wird, wissenschaftliche Veröffentlichungen kostenfrei für jedermann zugänglich zu machen, indem sie in Online-Archiven zur freien Nutzung bereitgestellt werden. Ähnlich den Open-Source-Lizenzen wird zu diesem Zweck ein einfaches Nutzungsrecht an jedermann erteilt, das es gestattet, die Veröffentlichungen in jeder Form zu nutzen (also zu vervielfältigen, zu verbreiten und online zu stellen). Selbst eine Bearbeitung der Publikationen soll nach der Definition des Open Access, wie sie in der so genannten „Berlin Declaration“ formuliert wurde, jedem gestattet sein.
Wissenschaftsorganisationen für Open Access
Die „Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities“ („Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“) wurde im Oktober 2003 im Rahmen einer Initiative der großen deutschen Wissenschaftsorganisationen verabschiedet. Hintergrund waren stetig steigende Preise für Fachpublikationen (vor allem Zeitschriften) und der Unmut darüber, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zwar meist durch staatliche Mittel möglich gemacht werden, die Publikationsrechte für diese Erkenntnisse dann aber an wissenschaftliche Verlage vergeben werden, so dass die veröffentlichten Forschungsergebnisse letztlich sehr teuer in Zeitschriftenform durch die Universitäten – also den Steuerzahler – zurück erworben werden müssen.
Zugleich bietet das Internet alle Möglichkeiten, diese Erkenntnisse kostengünstig zu publizieren. Daher treten die Wissenschaftsorganisationen mit der Berliner Erklärung dafür ein, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zukünftig in frei zugänglichen Archiven durch die staatlichen Wissenschaftsinstitutionen selbst veröffentlicht werden. Dadurch sollen einerseits alle Interessierten einfach und kostengünstig darauf zugreifen können. Zum anderen würden öffentliche Bibliotheken auf diese Art viel Geld sparen.
Die Berliner Erklärung wurde mittlerweile von 157 wissenschaftlichen Institutionen auf der ganzen Welt unterzeichnet, darunter die Helmholtz-Gemeinschaft, die Fraunhofer- und die Max-Planck-Gesellschaft.
Rechtliches Phänomen Open Access
Um wissenschaftliche Werke im Sinne des Open-Access-Gedankens frei zugänglich und nutzbar zu machen, sind etliche rechtliche Hürden zu nehmen. Denn die Werke sind meist urheberrechtlich geschützt. Um zu ermöglichen, dass sie ungehindert verwendet werden können, müssen die Rechteinhaber den Nutzern bestimmte Rechte einräumen. Das tun sie – wie auch bei Freier Software oder Open Content – mit einer so genannten „offenen Lizenz“. Viele Autoren und Institutionen sind jedoch damit überfordert, die Rechtsfragen zu klären, die diese Lizenzen aufwerfen.
An dieser Stelle setzt der Leitfaden der Universität Göttingen an, der im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts entstandenen ist. In der Publikation haben Professor Spindler und seine Mitarbeiter die Rechtsfragen um Open Access umfangreich aufgearbeitet. In acht Kapiteln geht es unter anderem um die rechtlichen Rahmenbedingungen, die allgemeinen urheberrechtlichen Aspekte des Schutzes wissenschaftlicher Werke und Haftungsfragen.
Für Autoren und Wissenschaftsorganisationen, die eine Open-Access-Veröffentlichungsstrategie anstreben, wird das dritte Kapitel besonders interessant sein. Hierin stellt der Autor, Reto Mantz, verschiedene Lizenzmodelle vor, die für eine solche Publikationspraxis in Frage kommen und diskutiert deren Vor- und Nachteile. So findet sich hier eine ausführliche Analyse der Creative-Commons-Lizenzen und der Digital Peer Publishing Licence (DPPL), die auf Basis des deutschen Rechts im Auftrag des Landes Nordrhein Westfalen durch das Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) entwickelt wurde.
Wenn auch nicht jede rechtliche Einschätzung in diesem Abschnitt auf Anhieb überzeugen kann, ist doch die ausführliche Darstellung der verschiedenen Open-Content-Lizenzen eine ebenso verdienstvolle wie bislang einzigartige Leistung. Dem Ratsuchenden wird hier ein guter Überblick über die unterschiedlichen, bereits existierenden Optionen, wissenschaftliche Erkenntnisse frei zugänglich zu machen, gegeben.
Leitfaden kostenlos abrufbar
Zwar wurde die Publikation nicht im Sinne des Open Access unter eine offene Lizenz gestellt. Sie kann jedoch als PDF-Dokument (Link unten) kostenlos von der Webseite der Universität Göttingen heruntergeladen werden. Leider ist es nicht möglich, in dem Dokument über die Suchfunktion gezielt zu recherchieren. Wem das Lesen am Bildschirm zu anstrengend und ein Ausdruck zu aufwändig ist, kann das umfangreiche Werk auch in Buchform kaufen.
Gerald Spindler (Hrsg.)
Rechtliche Rahmenbedingungen von Open Access-Publikationen
Göttingen 2006
ca. 260 Seiten, Hardcover
ISBN 3-938616-45-8
18 Euro
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