Musikwirtschaft kritisiert Urheberrechtsreform
„Die digitale Welt braucht ein starkes Urheberrecht. Nur der effektive Schutz geistigen Eigentums garantiert, dass Inhalte für die sog. ‚Informationsgesellschaft’ zur Verfügung stehen.“ Mit diesen Worten leitet die deutsche Sektion der internationalen Musikverbände ihre Kritik an dem überarbeiteten Referentenentwurf zum 2. Korb ein. Der am 6. Januar dieses Jahres vorgelegte Gesetzesvorschlag genügt diesen Anforderungen nach Meinung der IFPI nicht. Vielmehr bestehe an einigen Stellen Änderungsbedarf.
Einschränkung der Privatkopieschranke
Die Interessenvertreter kritisieren zunächst, dass das Bundesministerium der Justiz (BMJ), das für den Gesetzentwurf verantwortlich ist, die Privatkopieschranke nicht weiter einschränken will. Angesichts massenhaften digitalen Kopierens sei eine Abschaffung der Regelung, nach der Nutzer zu privaten Zwecken einzelne Kopien herstellen dürfen, „insbesondere im digitalen Bereich“ gerechtfertigt. Als Mindestforderung verlangt der Musikverband, dass die Nutzerfreiheit „auf wenige, eng begrenzte Ausnahmefälle begrenzt“ werde. „Es wird zuviel kopiert, nicht zu wenig“, heißt es in der Stellungnahme.
Konkret fordern die Interessenvertreter zunächst, dass private Vervielfältigungen von Tonträgern nur noch vom eigenen Original hergestellt werden dürfen. Damit soll bezweckt werden, dass keine CDs mehr von Freunden kopiert oder Kopien von Kopien gemacht werden können. Die Forderung ist nicht neu; sie wurde von der IFPI im laufenden Gesetzgebungsverfahren stets wiederholt. Der Gesetzgeber hat diese und andere Einschränkungen der Privatkopieregelung jedoch mit der Begründung abgelehnt, der Verbraucher könne bei digitalen Werkexemplaren kaum zwischen Originalen und Kopien unterscheiden.
Auch der erneut von der Phono-Wirtschaft geforderten Einschränkung, die Herstellung von Privatkopien durch Dritte zukünftig zu verbieten, hatte das BMJ schon zuvor eine Absage erteilt. Während die IFPI in der Möglichkeit, zum Beispiel für einen Freund eine CD zu brennen, Missbrauchsgefahren sieht, meint das Ministerium, ein derartiges Verbot sei unkontrollierbar, den Nutzern nicht zu vermitteln und mache somit keinen Sinn.
Wiederholt hat die Musikwirtschaft zudem die Forderung, intelligente Aufnahmesoftware zum Mitschneiden von Internet-Radio und Rundfunk zu verbieten. In diesem Zusammenhang wird auch verlangt, dass einzelne Titel aus dem Rundfunk oder dem Internet-Radio nicht mehr aufgezeichnet werden dürfen, sondern nur noch Aufzeichnungen „des gesamten Programms zur zeitversetzten Wahrnehmung (so genanntes „time shifting“)“ gestattet sein sollen.
Streichung der Bagatellklausel
In § 106 Absatz 3 sieht der neue Referentenentwurf vor, dass die Herstellung von Vervielfältigungen in geringem Umfang nicht strafbar sein soll, wenn diese zu privaten Zwecken erfolgt. Diese Regelung hat das BMJ erstmals im zweiten Referentenentwurf angeregt, der Anfang des Jahres in überarbeiteter Form vorgelegt wurde. Derartige Bagatellverstöße gegen das Urheberrecht sollen nach Ansicht des Ministeriums nicht strafbar sein, da im digitalen und vernetzten Umfeld auch private Endnutzer Urheberrechtsverletzungen in kleinem Umfang begehen würden. „Die Schulhöfe sollten nicht kriminalisiert werden“, heißt es hierzu in der Gesetzesbegründung. Die Ausnahme solle unter anderem gelten, wenn Nutzer rechtswidrig Werke aus Tauschbörsen herunterladen.
Die Regelung wurde von mehreren Seiten heftig kritisiert. Auch die IFPI nimmt in ihrer neuen Eingabe hierzu Stellung und fordert, sie ersatzlos zu streichen. Der Grund: Mit der Straffreiheit von Privatnutzern werde ein falsches Signal gesetzt. Diese würden zukünftig davon ausgehen, in geringem Umfang sei Raubkopieren erlaubt. Zwar wolle man den „bloßen Konsumenten“ mithilfe der eigenen Anti-Piraterie-Aktivitäten nicht verfolgen. Es bestehe jedoch kein Anlass, vorsätzliche Urheberrechtsverletzungen von der Strafbarkeit auszunehmen.
Stellungnahme zur Umsetzung der „Durchsetzungs-Richtlinie“
In einer zweiten Stellungnahme äußert sich die IFPI zur Umsetzung der so genannten Durchsetzungs-Richtlinie. Am 6. Januar hatte das BMJ hierzu einen weiteren Gesetzesentwurf vorgelegt. Durch das hierin entworfene „Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums“ sollen neue Bestimmungen für die Verfolgung von unter anderem Urheber-, Marken- und Patentrechtsverletzungen in das deutsche Recht eingeführt werden. Die EU hatte diese Direktive 2004 verabschiedet, um auf diesem Gebiet eine europaweite Vereinheitlichung zu erzielen.
Ein wesentlicher Gegenstand des Referentenentwurfs ist ein Auskunftsanspruch, der Rechteinhabern gegen Online-Provider gewährt werden soll. Hiermit soll zum Beispiel erreicht werden, dass die Unterhaltungsindustrie Internet-Nutzer, die gegen Urheberrechte verstoßen, ermitteln und auf zivilrechtlichem Weg verfolgen kann. Dies ist den Rechteinhabern nach momentan geltendem Recht kaum möglich. Denn insbesondere von Tauschbörsennutzern können Musik- und Filmhersteller derzeit nur die jeweils zugewiesene IP-Adresse ermitteln. Wem eine IP-Adresse beim rechtswidrigen Anbieten etwa geschützter Musik in einem Filesharing-System zugeordnet war, weiß aber nur der Provider.
Rechteinhaber wie die IFPI fordern daher seit langem die Einführung eines Anspruchs, den sie gegen die Provider geltend machen können, um an die benötigten Informationen zu kommen. Provider und Datenschützer kritisieren dies vehement, wären die Zugangsanbieter doch gezwungen, massenhaft persönliche Daten zunächst auf Vorrat zu speichern und dann an Dritte weiterzugeben.
Dennoch sieht der zuletzt vorgelegte Referentenentwurf des BMJ einen solchen Anspruch vor. Auch in der Richtlinie ist die Vorgabe für eine derartige Regelung enthalten. Der Musikwirtschaft geht der vom Ministerium angebotene Vorschlag jedoch nicht weit genug. Kritisiert wird vor allem, dass der Auskunftsanspruch hiernach in der Regel nur durch einen Richter angeordnet werden kann. Der Verband fordert stattdessen ein System, nach dem die Daten des mutmaßlichen Rechtsverletzers unter Zwischenschaltung einer Behörde generell automatisch an den Rechteinhaber weitergeleitet werden. Nur in Fällen, in denen der von der Weitergabe der Daten Betroffene (also der Internet-Nutzer) widerspricht, soll es zu einem richterlichen Anordnungsverfahren kommen. Die IFPI erhofft sich, mittels eines solchen Systems in der Regel ohne aufwändiges Verfahren an die Daten zu kommen.
Damit diese überhaupt gespeichert werden dürfen, solle der deutsche Gesetzgeber im Übrigen für eine Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung sorgen. Nach geltendem Datenschutzrecht ist es umstritten, ob Provider IP-Adressen vor allem von solchen Nutzern speichern dürfen, die Flatrates verwenden. Nach neueren Gerichtsentscheidungen ist den Zugangsvermittlern eine derartige Datensammlung aus datenschutzrechtlichen Gründen verboten. Dürfen die Daten jedoch nicht einmal gespeichert werden, ginge der Auskunftsanspruch in den weitaus meisten Fällen ins Leere. Denn der Provider müsste Daten herausgeben, die er gar nicht haben darf.
Nicht nur der deutsche Gesetzgeber denkt derzeit über eine Lockerung des Datenschutzes nach. Auch die EU berät momentan über eine Verabschiedung einer entsprechenden Richtlinie, nach der alle Telekommunikations- und Internet-Daten mindestens sechs Monate gespeichert werden müssen.
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