Oberstes Gericht urteilt im Grokster-Fall
MGM und andere Musik- und Filmfirmen hatten Grokster und Streamcast Networks verklagt, da diese für die Urheberrechtsverletzungen, die mit Hilfe ihrer Software begangen würden, verantwortlich wären. Zwei Gerichte unterer Instanz hatten die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass die betreffenden Programme auch rechtmäßig genutzt werden könnten. Dabei bezogen sich die Gerichte auf den so genannten „Betamax-Fall” von 1984, bei dem die Filmindustrie gegen Videorekorder-Hersteller geklagt hatte. Das Oberste Gericht hatte damals entschieden, dass solange eine Technologie auch zu legalen Zwecken genutzt würde, die Hersteller auch dann nicht haftbar gemacht werden könnten, wenn individuelle Nutzer sie zu Urheberrechtverletzungen nutzen würden.
Im Falle von Grokster lägen die Fakten jedoch anders, urteilte das Oberste Gericht, da nicht nur die Technologie in Betracht gezogen werden müsste, sondern auch das Geschäftsmodell der beklagten Firmen. Diese hätten sich explizit als Napster-Nachfolger dargestellt und die Urheberechtverletzungen in Kauf genommen, ja sogar damit Werbung gemacht.
Die Musik- und Filmindustrie begrüßte die Entscheidung: „Wenn man sein Geschäftsmodell darauf aufbaut, dass man Diebstahl begünstigt, dann wird man dafür verantwortlich gemacht”, kommentiert Dan Glickman, Vorstand der Motion Picture Association of America, der Lobbyorganisation der amerikanischen Filmstudios.
Im Vorfeld wurde dem Urteil eine grundsätzliche Bedeutung zugesprochen, da technische Innovationen ausgebremst würden, wenn Firmen für die Nutzungsgewohnheiten ihrer User verantwortlich gemacht würden, da sie dann nicht nur ein finanzielles sondern auch ein legales Risiko eingehen würden.
So einfach hat es das Oberste Gericht der Rechteindustrie aber nicht gemacht. Es reicht nicht, dass eine Firma weiß, dass mit ihrer Software Urheberrechtsverletzungen begangen werden. Sie muss dieses Potential zudem absichtlich einsetzen um ihr Produkt zu verkaufen. „Das reine Wissen um das Potential zum Verstoß oder über tatsächliche Verstöße ist nicht ausreichend dafür, um eine Firma verantwortlich zu machen”, schreibt Richter David H. Souter in der Urteilsbegründung. Grokster und Streamcast Networks hätten die Urheberrechtsverletzungen als Kaufanreiz vermarktet und wären deshalb für die entstandenen Schäden verantwortlich.
Daher könnte der Grokster-Fall nicht mit dem Betamax-Fall verglichen werden, erläutert Michael Merhej, der Gründer von AudioGalaxy, einer großen peer-to-peer Musik-Website, gegenüber dem Business-Dienst MarketWatch. Das sei das wichtigste Ergebnis der Entscheidung: „Das Urteil entwertet den Betamax-Fall nicht und das war die größte Sorge vieler Leute. Firmen, die legitime Produkte verkaufen, können sich immer noch auf das Betamax-Urteil berufen.”
Es gibt aber auch Kritik: Die Electronic Frontier Foundation (EFF), die die Verteidigung von Streamcast Networks übernommen hatte, sieht eine Welle von Klagen auf die amerikanischen Technologie-Firmen zukommen. „Die Entscheidung basiert auf einer neuen Theorie der Copyright-Haftung, nach der ermittelt wird, ob ein Hersteller seine Produkte mit der ‚Absicht” hergestellt hat, seine Kunden zum Urheberrechtsverstoß zu verleiten”, schreibt die EFF in ihrer Presseerklärung.
Wann diese „Absicht” anfängt, ist allerdings nicht klar. Michael Petricone, Vizepräsident der Abteilung für Technologie-Politik der Consumer Electronics Association, äußerte in der New York Times die Befürchtung, dass ohne klare Vorgaben der Gerichte, was eine Firma tun muss, um nicht dafür haftbar gemacht werden zu können, dass sie Urheberrechtsverstöße fördert, die Rechtssicherheit sinken und das Risiko verklagt zu werden steigen wird. Auch der EFF-Anwalt Fred von Lohmann ist überzeugt, dass das Urteil „eine neue Generation von Klagen der Unterhaltungsindustrie gegen Technologie-Firmen einläuten wird. Was aber noch wichtiger ist, ist, dass die Angst vor möglichen Gerichtskosten die Firmen dazu bringt, ihre Produkte so zu gestalten, dass sie Hollywood und nicht den Kunden gefallen.”
Der Fall geht nun an die Gerichte unterer Instanz zurück, wo endgültig über die Klage entschieden wird. Das Oberste Gericht hat nur die Richtlinien erlassen, auf deren Basis das eigentliche Verfahren nun wieder aufgerollt werden muss. Beide Seiten müssen jetzt beweisen, ob StreamCast und Grokster wirklich absichtlich Urheberrechtsverletzungen in Kauf genommen haben. Das kann noch einige Zeit in Anspruch nehmen, sagt der StreamCast-Anwalt von Lohmann voraus.
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