Entscheidung im Grokster-Fall in dieser Woche?
Das Urteil wird mit Spannung erwartet, weil es nicht nur Auswirkungen darauf haben wird, ob und wie Tauschbörsen in Zukunft genutzt werden dürfen. Darüber hinaus geht es darum, welche Verantwortung die Anbieter bestimmter Technologien generell dafür haben, wie Anwender diese Technologien nutzen.
Dabei geht es vor allem um Produkte, die dazu verwendet werden können, um Urheberrechte zu verletzen, in diesem Fall das unerlaubte Anbieten von Musik, Filmen oder Software in Tauschbörsen. Die Richter der unteren Instanzen hatten bisher entschieden, dass Anbieter von P2P-Software für diese Handlungen nicht verantwortlich gemacht werden können.
Diese Urteile liegen auf einer Linie mit der Entscheidung im so genannten „Betamax-Fall“ von 1984. Der Oberste Gerichtshof hatte damals entschieden, dass Anbieter von Videorekordern nicht dafür haftbar gemacht werden können, wenn Nutzer ihre Geräte dafür verwenden, das Urheberrecht zu verletzen, solange diese Geräte auch in substanziellem Maße zu nicht-verletzenden Zwecken verwendet werden können – was beim Videorekorder eindeutig der Fall gewesen war.
Die klagenden Firmen im aktuellen Streit berufen sich darauf, dass fundamentale Regeln einer fairen Wirtschaftsordnung verletzt würden, wenn es Tauschbörsen erlaubt bleibe, so zu arbeiten wie sie es bisher tun. Die P2P-Softwarefirmen „beuten Inhalte aus und ermöglichen Urheberrechtsverletzungen in einem massiven, globalen Maßstab“, sagte der Vorsitzende des Verbandes der US-Filmindustrie RIAA am vergangenen Dienstag in einer Rede. Die Rechteinhaber möchten erreichen, dass es in Zukunft ausreicht, Firmen für die Taten ihrer Kunden haftbar zu machen, wenn deren „vordringliches“ Geschäftsmodell darin besteht, Urheberrechtsverletzungen zu ermöglichen.
Technologiefirmen auf der anderen Seite setzen sich dafür ein, die Betamax-Entscheidung aufrecht zu erhalten. Nicht nur die Anbieter von P2P-Software, sondern auch Firmen wie Intel, der US-Verband der Unterhaltungselektronik-Hersteller oder Risikokapital-Gesellschaften haben sich vehement dafür ausgesprochen, weiterhin den Verkauf von Hard- und Software zu erlauben, die „in substanziellem Maße auf nicht-urheberrechtsverletzende Art“ verwendet werden kann. In der jüngsten Vergangenheit seien neue Technologien in einem vorher nicht gekannten Tempo entwickelt worden. Dieser Fortschritt würde durch ein Urteil im Sinne der Rechteinhaber gefährdet.
Nach Einschätzung des US-Technologie-Informationsdienstes Cnet hatten die Richter des Obersten Gerichts bei der mündlichen Verhandlung im März Sympathien für beide Seiten offenbart. Einerseits hätten einige Richter wenig Neigung gezeigt, es den Rechteinhabern leichter zu machen, durch präventive Gerichtsverfahren Einfluss auf technologische Entwicklungen zu nehmen. „Ich mache mir Sorgen, dass in dem Moment, in dem eine neue Firma aufmacht, augenblicklich die entsprechende Klage aus der Schublade gezogen wird“, zitiert Cnet Antonin Scalia, einen der Obersten Richter.
Andererseits hätten die Richter wenig Verständnis für die Sicht geäußert, Tauschbörsenfirmen hätten überhaupt keine Verantwortung für die Urheberrechtsverletzungen, die ihre Produkte ermöglichen. Wenn Firmen absichtlich derartige Verletzungen ignorieren, dann könnte „rechtswidrig enteignetes Eigentum als Startkapital für ein Produkt genutzt werden“, sagte Scalias Kollege Anthony Kennedy nach Angaben von Cnet. Und weiter: „Aus wirtschaftlicher und juristischer Sicht klingt das in meinen Ohren falsch.“
Das Urteil wird bis Ende Juni erwartet, kann aber bereits vorher an jedem Montag oder Donnerstag veröffentlicht werden. Da viele global agierende Firmen, die von diesem Urteil betroffen sein werden, in den USA ihren Sitz haben, wird es auch weltweit einen großen Einfluss haben.
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