WIPO-Forum lädt zum Diskutieren über „geistiges Eigentum“ ein
Erstmals können sich alle Internetnutzer an prominenter Stelle über die Ausgestaltung des geistigen Eigentums äußern. Die WIPO ist die für urheber-, marken- und patentrechtliche Fragen zuständige Fachorganisation der Vereinten Nationen (UN). Sie ist unter anderem verantwortlich für internationale Urheberrechtsverträge wie den WIPO Copyright Treaty (WCT) und den WIPO Phonograms und Performances Treaty (WPPT) aus dem Jahr 1996.
In diesen Vereinbarungen wurden maßgebliche Weichen für die Zukunft des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft gestellt. Auf den beiden Abkommen basieren sowohl die späteren Reformen des europäischen Urheberrechts (insbesondere die so genannte InfoSoc-Richtlinie von 2001), als auch der „1. Korb“, die erste Stufe zur Reform des deutschen Urheberrechts in der Informationsgesellschaft. Da die Ausgestaltung geistiger Eigentumsrechte zunehmend auf internationalem Parkett entschieden wird, ist die WIPO erste Adresse für Anregungen und Kritik zu diesem Thema.
Dass nun Bürgerinnen und Bürger sich direkt zu diesen Themen äußern können, wird durch das Forum der WIPO möglich gemacht, das allerdings ausschließlich auf Englisch angelegt ist. Zu den vorgegebenen Diskussionsthemen gehören neben anderen: das Verhältnis von geistigem Eigentum zu Äußerungsfreiheit und kreativer Entfaltung; die Zusammenhänge zwischen dem freien Zugriff auf wissenschaftliche Veröffentlichungen (Open Access) und dem System der geistigen Eigentumsrechte; die Auswirkungen des Urheberrechts auf Bildung und Forschung; die Verantwortung der Rechteinhaber und die Möglichkeiten und/oder Gefahren neuer Vertriebsmodelle.
Das Forum scheint eine Reaktion der WIPO auf massive Kritik zu sein, die aus verschiedenen Richtungen an der Vorgehensweise der Organisation geübt wurde. Geistiges Eigentum spielt in der Informationsgesellschaft eine zunehmend wichtige Rolle. Das gilt sowohl für Staaten, Politiker und Unternehmen als auch für den einzelnen Nutzer. Entsprechend wächst das Interesse aller Betroffenen, sich zu den heiklen Themen, etwa dem Zugang zu Informationen und kulturellen Gütern, zu äußern.
Bislang fanden solche Debatten meist hinter verschlossenen Türen statt. Hörbar äußern konnten sich in der Regel nur Vertreter aus Politik und Wirtschaft. Die internationalen Verhandlungen über die Zukunft des geistigen Eigentums wurden von Wirtschafts- und Politdelegationen der Industriestaaten beherrscht. Vor allem Entwicklungsländer und Bürgerrechtsorganisationen aus der ganzen Welt kritisieren daher zunehmend, dass die Belange der Nutzer und wirtschaftlich schwacher Staaten zu wenig Gehör und Berücksichtung bei den Verhandlungen der WIPO finden würden.
Erste Reaktionen auf diese Kritik sind inzwischen erfolgt. Bei den letzten Sitzungen der WIPO waren erstmals auch Nichtregierungs-Organisationen als Teilnehmer zugelassen. Auch das WIPO-Forum kann als Anzeichen dafür gewertet werden, dass die WIPO sich einer breiteren Diskussion öffnen will. So heißt es auf der Eingangsseite: „Das WIPO Online Forum dient dazu, eine offene Debatte über immaterialgüterrechtliche Themen in der Informationsgesellschaft zu eröffnen“.
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