Die VG Print/Online kommt
Die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Verleger könnte auf eine „Verleger-GEMA für Online-Texte” hinauslaufen. Darauf wies im Juni dieses Jahres erstmals der Medienjournalist Robin Meyer-Lucht hin. Auf den Münchner Medientagen sickerte dann durch, dass die Presseverleger tatsächlich die Neugründung einer solchen Verwertungsgesellschaft im Auge haben.
Am 12. November wurde es schließlich konkret: Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs beim Axel-Springer-Verlag, kündigte in einem Gastbeitrag in der Financial Times eine ,,Verwertungsgesellschaft Print/Online” an. Diese solle zukünftig, so erklärte Keese gestern bei einer vom Institut für Medien- und Kommunikationspolitik veranstalteten Diskussion, auf Basis des neuen Gesetzes für ,,gewerbliche Nutzungen” der von Zeitungsverlagen bereitgestellten Inhalte Abgaben kassieren. Wofür und von wem genau, blieb ebenso unklar wie die Frage nach der konkreten technischen Umsetzung. Auf entsprechende Rückfragen reagierte Keese ausweichend – all dies solle ja gerade Gegenstand der parlamentarischen Debatte sein.
Verleger nicht an Zweitverwertung beteiligt?
Brauchen aber Presseverleger eine eigene Verwertungsgesellschaft? Schließlich gibt es auch heute schon die Verwertungsgesellschaft Wort, die für ,,Sprachwerke” das tut, was die GEMA für Musikwerke leistet: Urheberrechtsabgaben erheben, Lizenzen für verschiedene Arten der Werknutzung vergeben. Aber in der VG Wort, so erklärte Keese bei der gestrigen Diskussion, seien Presseverleger, im Gegensatz zu den Buchverlegern ja gar nicht vertreten.
Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass Presseverleger an sämtlichen Ausschüttungen, die dort als Entschädigung für unkontrollierbare Vervielfältigungen an die Journalisten fließen, in hohem Maße beteiligt sind. Da wäre zunächst die Reprographieabgabe zu nennen. Die VG Wort kassiert von Geräteherstellern und Copyshops Abgaben, mit denen die Rechteinhaber dafür entschädigt werden, dass legale private Kopien von ihren Texten angefertigt werden – indem ein Text aus einer Zeitung kopiert oder von einer Webseite ausgedruckt wird. Ein Teil dieser Reprographieabgabe entfällt auch auf die Publikumspresse, und von jenem Teil erhalten die Autoren 70 Prozent. Die übrigen 30 Prozent fließen an die Verbände der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger, die damit die Ausbildung des journalistischen Nachwuchses finanzieren sollen.
Bis zur Hälfte der VG-Einnahmen gehen an Verlage
Auch Texte, die im Internet erscheinen, werden von der VG Wort vergütet, über die so genannte METIS-Tantieme. Sofern an der Veröffentlichung ein Presseverlag beteiligt ist, verbleiben etwas über 58 Prozent des Ausschüttungsbetrags bei den Autoren, mehr als 41 Prozent verbleibt bei den Verlegern. Das Geld stammt aus dem Wissenschafts-Topf, also einem anderen Teil der Reprographieabgabe, aus dem sonst Zweitnutzungen von Fachbüchern und Fachzeitschriften vergütet werden. Für letztere verbleiben standardmäßig 50 Prozent der Einnahmen bei den Verlegern. Dann sind da noch die Abgaben, die große Firmen und Behörden für intern verwendete Pressespiegel entrichten. Wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter darüber auf dem Laufenden halten möchte, was über die Firma in der Zeitung geschrieben wird, kann es einen Presseausschnitt-Dienst beauftragen, die Artikel zu sammeln. Bei der Vervielfältigung für den internen Gebrauch werden dann Abgaben an die VG Wort fällig, die vollständig an die Autoren ausgeschüttet werden. Das haben die Gewerkschaften, die die Interessen der fest angestellten Journalisten vertreten, tariflich ausgehandelt.
Allerdings nur für solche Pressespiegel, die in Papierform erscheinen. Wenn sie elektronisch erstellt werden, vergeben die Verleger entsprechende Lizenzen selbst, nämlich über die Presse-Monitor GmbH (PMG). Nachdem der Bundesgerichtshof vor einigen Jahren entschieden hat, dass auch für elektronische Pressespiegel eine Vergütung an die VG Wort zu zahlen ist, bekommt die VG Wort zwar auch Geld von der PMG. Aber nur, wenn die Artikel ,,politische, wirtschaftliche oder religiöse Tagesfragen” betreffen. Für Texte, die sich mit ,,wissenschaftlichen, kulturellen oder unterhaltenden Themen” beschäftigen, erhält die Verwertungsgesellschaft keine Zahlungen. Auch wenn der Abnehmer dafür zahlt, in den digital verfügbaren Quellen eine Volltextsuche durchführen, Suchergebnisse in Trefferlisten anzeigen oder die Texte länger als eine Woche speichern zu können, fließt kein Geld an die Autoren. Diese Einnahmen verbleiben vielmehr zu 100 Prozent bei den Verlegern.
Konkrete Zahlen bleiben geheim
Mit der Abrechnung nimmt man es ohnehin nicht so genau. In der Praxis halten VG Wort und Presse-Monitor-GmbH sich gar nicht an ihre veröffentlichten Verträge. Vielmehr haben die beiden Beteiligten zur Vereinfachung eine prozentuale Beteiligung an allen Pressespiegel-Einnahmen der PMG pauschal vereinbart. VG-Wort-Justitiarin Sabine Richly teilt mit, ,,aus Gründen der Vertraulichkeit privater Verträge” dürfe sie zu deren Höhe keine Angaben machen. Nachlesen kann man immerhin, dass die Verwertungsgesellschaft Wort allein im Jahr 2008 Urheberrechtsabgaben in Höhe von knapp 118 Millionen Euro eingenommen hat. Und Ende Januar 2008 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sie auch bei so genannten Multifunktionsgeräten, die nur teilweise zum privaten Kopieren verwendet werden, Herstellerabgaben erheben darf.
Diese Entscheidung hat der Verwertungsgesellschaft kurzfristig einen warmen Regen von 32 Millionen Euro beschert. Im Geschäftsbericht von 2008 heißt es, es sei nach wie vor ,,die wirtschaftlich wichtigste Aufgabe der VG Wort, Vergütungsansprüche für digitale Vervielfältigungsgeräte durchzusetzen.” Dabei wird sie zukünftig Konkurrenz erhalten: von der neuen Verwertungsgesellschaft Print/Online. Denn ihre Anteile an den Ausschüttungen der VG Wort erhalten die Presseverleger bislang nur deshalb, weil sie sich urheberrechtliche Nutzungsrechte von den Autoren abtreten lassen. Wenn sie zukünftig eigene Leistungsschutzrechte geltend machen können, können sie jedoch im Bezug auf die Abgaben der Gerätehersteller mit der VG Wort in Konkurrenz treten.
Alle Einnahmen an die Verlage?
Ist das schlimm? Nicht unbedingt. Ob Autoren und Verleger in ein und derselben Verwertungsgesellschaft zueinander in Konkurrenz treten oder in zwei verschiedenen, ist letztlich gehupft wie gesprungen. Womöglich hätte eine klare Trennung sogar für beide Seiten ihr Gutes – vorausgesetzt, die Verleger würden sich zukünftig mit den Abgaben für Leistungsschutzberechtigte begnügen, und die Urheberrechtsabgaben würden zu 100 Prozent bei den Autoren verbleiben. Dafür wäre es allerdings nicht damit getan, dass ein verlegerisches Leistungsschutzrecht geschafffen wird. Vielmehr müsste der Gesetzgeber dann zugleich dafür Sorgen, dass die Verleger nicht zukünftig doppelt profitieren: einerseits von abgeleiteten Urheberrechten, andererseits von ihrem eigenen neuen Recht.
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