Und der Zukunft zugewandt?
Das Urheberrecht war schon immer eine komplizierte und für Laien schwer durchschaubare Materie. Doch auch interessierte und informierte Leser verlieren leicht den Überblick, wenn sie herausfinden möchten, wie es zu bestimmten Änderungen beim Urheberrecht gekommen ist. Welche Akteure haben sich in der öffentlichen Debatte wann zu Wort gemeldet? Wie hat die Politik darauf reagiert? Mit welchen Positionen haben welche Verbände und Interessenvertreter sich in den gesetzgeberischen Prozess eingebracht? Mit dem Verfahren der sogenannten kooperativen Gesetzgebung, das das Bundesjustizministerium im Zuge der Urheberrechtsreform des „Zweiten Korbs“ eingeführt hat, ist eine demokratische Teilhabe unterschiedlicher Akteure an der Gesetzgebung erreicht worden. Aber das Verfahren ist auch unübersichtlicher als je zuvor.
Das Bundesjustizministerium hat seine Dokumentation mit dem Abschluss des Zweiten Korbs beendet. Das Müchner Institut für Urheberrecht präsentiert zwar hervorragende Linksammlungen zu urheberrechtlichen Entwicklungen, zielt damit jedoch auf ein Fachpublikum ab.
Hier soll der Versuch unternommen werden, die Entwicklung des deutschen Urheberrechts seit 2000 chronologisch darzustellen, ohne dabei den Bezug zur Entwicklung der tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Kreativen zu vernachlässigen, als deren Einkommensgrundlage das Urheberrecht gilt. Was das „Stärkungsgesetz“ in den Verhandlungen von Urhebern und Verwertern über eine „angemessene Vergütung“ bewirkt hat, spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Frage, wie es zur jüngsten Diskussionen um ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger kam. Diese chronologischen Darstellung soll zum einen eine genaue Datierung erlauben, zum anderen einzelne Aspekte der Diskussion möglichst exakt zusammenfassen. Der vorliegende Text ist ein „work in progress“ und soll fortlaufend ergänzt werden.
Derzeitiger Stand: Februar 2010
Das „Stärkungsgesetz“
Am 22. Mai 2000 legt eine Arbeitsgruppe von fünf Urheberrechtlern (Prof. Dr. Adolf Dietz, Prof. Dr. Ulrich Loewenheim, Prof. Dr. Wilhelm Nordemann, Prof. Dr. h.c. mult. Gerhard Schricker, Dr. Martin Vogel) ihren Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern (PDF) vor.
Die Verleger starten daraufhin eine groß angelegte Anzeigenkampagne, um die Politik von ihrem Vorhaben abzubringen (Informationsblätter des Börsenvereins des deutschen Buchhandels: Kampagne zum Urhebervertragsrecht, PDF). Nicht ohne Erfolg: Bereits am 3. Dezember 2001 fordern beispielsweise die Justizminister der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Prof. Dr. Ulrich Goll und Herbert Mertin, Änderungen an dem Gesetzesentwurf, da dieser in die Vertragsfreiheit „als tragende Grundlage unserer Wirtschaftsordnung“ eingreife. Und Erwin Huber (CSU), Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, spricht 2002 im Vorfeld der Bundestagsabstimmung sogar von einer drohenden "Zwangskollektivierung", die freien Autoren und Unternehmern schaden werde.
Dennoch beschließt der Bundestag das Stärkungsgesetz (PDF) am 22. März 2002. Am 1. Juli 2002 tritt es in Kraft, womit das am 1. Januar 1966 in Kraft getretene Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (PDF) vom 9. September 1965 neugefasst wird. Die wesentlichen Neuerungen sind:
– der Anspruch des Urhebers auf angemessene Vergütung (§ 32 UrhG); „angemessen” im Sinne des Gesetzes ist eine Vergütung dann, wenn sie üblich und redlich ist, genauer gesagt: „dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist“ (§32 Abs. 2)
– Vorschriften zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln (§§ 36, 36a UrhG).
Die Interessenverbände beider Seiten sollen sich also darüber einigen, was unter „angemessen” zu verstehen ist. Doch im Vertrauen auf die Versprechen der Verwerter, man werde in konstruktiven Gesprächen mit den Urheberverbänden zu einer gemeinsamen Lösung finden, ist das Gesetz im Vergleich zum ursprünglichen Professorenentwurf (PDF) bereits stark abgeschwächt: Ursprünglich war für den Konfliktfall ein Schlichtungsverfahren mit bindendem Ergebnis vorgesehen. Nachdem jedoch die Verwerter mit einer groß angelegten Medienkampagne gegen den Gesetzentwurf Sturm gelaufen waren, wurde der entsprechende Paragraph entschärft. Das Ergebnis der Schlichtung ist nun nicht mehr bindend. Das bedeutet: Solange die Verbände sich nicht einig geworden sind, bleibt dem einzelnen Urheber – Journalist, Schriftsteller oder Übersetzer – nichts übrig, als seinen individuellen Vertragspartner zu verklagen. Dieser Vertragspartner ist der Verwerter, sprich der Verlag.
Bislang ist es außer bei den Schriftstellern, die in ihrer Regel den Status quo festschrieben, in keiner der betroffenen Kreativbranchen zu einer Einigung über „gemeinsame Vergütungsregeln“ gekommen. Die Enquete-Kommission Kultur empfiehlt in ihrem Abschlussbericht (PDF) vom Dezember 2007 der Bundesregierung, „erneut zu prüfen, mit welchen Regelungen und Maßnahmen im Urhebervertragsrecht eine angemessene, an die wirtschaftlichen Verhältnisse angepasste Vergütung für alle Urheber und ausübenden Künstler erreicht werden kann, da die bisherigen Regelungen im Urhebervertragsgesetz unzureichend sind.”
Im Folgenden wird ein Überblick über den Stand der derzeitigen Verhandlungen über eine „angemessene Vergütung“ in den unterschiedlichen Branchen gegeben. (Diese Übersicht ist unvollständig und wird laufend ergänzt. Betroffene Verbände sind herzlich eingeladen, uns über neue Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Über den Stand der Dinge informiert auch das Bundesjustizministerium.)
Gemeinsame Vergütungsregeln für Autoren belletristischer Werke in deutscher Sprache (PDF) sind am 9. Juni 2005 in Kraft getreten. Sie sehen im Wesentlichen eine Beteiligung von 8 bis 10 Prozent am Nettoladenpreis gebundener Ausgaben und 5 Prozent an verlagseigenen Taschenbuchausgaben vor (progressiv gestaffelt: ab 20.000 Exemplaren 6 Prozent, ab 40.000 Exemplaren 7 Prozent, ab 100.000 Exemplaren 8 Prozent).
Wenn vom Verlag Nebenrechte an Dritte vergeben werden, erhält der Autor bei buchfernen Nebenrechten (Medien- und Bühnenrechte) 60 Prozent, bei buchnahen Nebenrechten (Übersetzung, Hörbuch) 50 Prozent. Die Vergütung vom Verlag selbst genutzter Nebenrechte bleibt einer gesonderten Vergütungsregel vorbehalten. Beispielsweise für E-Book-Ausgaben hat sich noch kein Standard etabliert, die Autorenbeteiligung beträgt hier derzeit ca. 20 bis 25 Prozent vom Nettoverlagserlös.
Im Dezember 2007 kommen Martin Kretschmer und Philip Hardwick von der Bournemouth University in einer Studie über Authors’ earnings from copyright and non-copyright sources (PDF) allerdings zu dem Ergebnis, dass deutsche Autoren, genau wie ihre Kollegen in England, in aller Regel ihren Lebensunterhalt aus anderen als urheberrechtlichen Quellen bestreiten. Die Autoren hegen insofern grundsätzliche Zweifel an der These vom Urheberrecht als Lebensgrundlage der Kreativen.
Der Übersetzerverband VdÜ legt am 22. Juni 2002 seinen Entwurf einer gemeinsamen Vergütungsregel (PDF) vor. Nach ersten ergebnislosen Verhandlungen bestellt das Berliner Kammergericht 2004 einen Schlichter für das gesetzlich vorgesehene Schlichtungsverfahren, zu dem die Übersetzer den Börsenverein des Deutschen Buchhandels bewegen möchten. 2006 lässt dieser sich gerichtlich bestätigen, nicht verhandlungsbefugt zu sein. Rund 20 Übersetzer reichen daraufhin Klagen ein.
Anfang 2006 kommt es durch Vermittlung des Bundesjustizministeriums zu einer Mediation mit einer Reihe von Publikumsverlagen, die am 20. April 2007 scheitert. Im Januar 2007 legt eine Reihe von Publikumsverlagen ein erstes eigenes Vergütungsmodell vor, das Münchner Modell (PDF), im Juni 2008 legt Random House ein zweites Modell vor, das Berliner Modell (PDF), beide werden von den Übersetzern abgelehnt.
Am 18. Juni 2009 werden fünf Fälle vor dem BGH verhandelt. Bisherige Urteile hatten Übersetzern zwischen 1,0 und 3,2 Prozent Beteiligung am Nettoladenpreis des verkauften Buches sowie zwischen 10 und 25 Prozent bei den Nebenrechten zugesprochen. Teilweise gingen die Gerichte jedoch davon aus, dass diese Beteiligungen bei der Bemessung einer „angemessenen Vergütung“ mit dem Grundhonorar, das Übersetzer pro Seite erhalten, zu verrechnen seien. Marktübliche Beteiligungssätze variieren je nach Verlag zwischen 0,5 Prozent ab 30.000 Exemplaren bei Konzernverlagen und 1 Prozent ab 10.000 Exemplaren bei kleineren Verlagen, Nebenrechtsbeteiligungen sind eher die Ausnahme als die Regel.
Der BGH verkündet sein Urteil am 7. Oktober 2009 und spricht den Übersetzern 0,8% Beteiligung am Nettoladenpreis im Hardcover sowie 0,4% im Taschenbuch zu. Für Überraschung sorgt in der Branche die Entscheidung zur Nebenrechtsbeteiligung: 50% vom Nettoverlagserlös aus allen Nebenrechten halten die Richter hier für angemessen.
Wegweisend ist das Urteil auch deshalb, weil es einen Hinweis darauf enthält, dass die „Vereinbarung einer vom Umfang der Nutzung des Werkes unabhängigen Pauschalvergütung“ als unangemessen zu betrachten ist, wenn „bei objektiver Betrachtung nicht ausreichend zuverlässig vorausgesagt“ werden könne, dass die Übersetzung „bis zum Erlöschen des Urheberrechts siebzig Jahre nach dem Tode der Klägerinnen“ nur in einem der Honorierung entsprechenden Umfang genutzt werde.“
Mehr Infos beim Literaturübersetzerverband.
Die Journalistengewerkschaften dju und djv haben im August 2002 ihren Entwurf für „Gemeinsame Vergütungsregeln für freie Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen und Zeitschriften“ sowie für Bildjournalistinnen und Journalisten an die Verlegerverbände BDZV und VDZ übermittelt. Seit 2003 wird darüber verhandelt. Die Vorschläge differenzieren nach Druckzeilenhonorar in Kombination mit Auflagenhöhe.
Ausgangspunkt ist bei Zeitungen ein Basissatz von 60 Cent für das Erstdruckrecht für Nachrichten und Berichte bei einer Auflagenhöhe bis 25.000 Exemplare. Eine Zeitung mit einer Auflage von mehr als 200.000 Exemplaren soll dafür bereits 135 Cent zahlen. Anspruchsvollere Genres sollen höher honoriert sein, die Sätze für Reportagen liegen beispielsweise 20 Prozent höher.
Bei Zeitschriften gehen die Verbände von 300 Euro pro Druckseite für das Erstdruckrecht bei einer Auflage bis 25.000 Exemplaren aus. Auch hier sind anspruchsvollere Genres teurer, und die Sätze steigen mit der Auflagenhöhe. Exklusive Rechte sollten grundsätzlich extra kosten und Zweitverwertungen im Internet stets zusätzlich honoriert werden. Für die Erstveröffentlichung in Online-Publikationen wird ein Basissatz von 2 Cent pro Zeichen bei bis zu 100.000 Visits im Monat vorgeschlagen.
Fotojournalisten sollen bei Tageszeitungen zwischen 40 Euro für ein zweispaltiges Abbildungsformat bei einer Auflage bis 25.000 Exemplaren und 220 Euro für ein Foto auf der Titelseite einer Zeitung mit einer Auflage von über 1 Million erhalten. Das Erstdruckrecht soll grundsätzlich 30 Prozent mehr kosten. Bei Zeitschriften reicht die Spanne von 80 Euro für 1/8-Seite für Auflagen bis 50.000 bis hin zu 1.500 Euro für die Titelseite bei einer Auflage von über 3 Millionen. Fachzeitschriften oder PR-Nutzungen sind grundsätzlich teurer. Online-Zweitverwertungen sollen zusätzlich honoriert werden.
Nach Angaben der Verbände fußt der Entwurf auf den zum Zeitpunkt seiner Erstellung gültigen Honorarempfehlungen. Die real gezahlten Honorare liegen weit unter den genannten Sätzen und reichen für Texte aller Art von 15 Cent pro Zeile bei Lokalzeitungen bis hin zu etwa 1,30 Euro bei überregionalen, renommierten Blättern. Bei den Bildhonoraren reicht die Spanne entsprechend von fünf bis etwa 60 Euro, je nach Medium.
Am 3. Februar 2005 teilen dju und djv mit, dass sich an den Honorarempfehlungen aufgrund „der aktuellen Entwicklung“ (gemeint ist die schlechte Wirtschaftslage der Zeitungen) nichts geändert habe.
Bei den Verhandlungen der Kommissionen von DJV und dju mit Vertretern des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger BDZV über den Tageszeitungsbereich kommt es am 26. Mai 2006 zu einer ersten Annäherung, wie die „Initiative Urheberrecht“ meldet: „Es gibt Übereinstimmung z.B. in der Frage, welche Nutzungen mit der Grundvergütung abgegolten sein sollten und hinsichtlich der Honorarbemessung, die in erster Linie nach der Art des Beitrags und der verkauften Auflage der Zeitung erfolgen soll. In der nächsten Runde dürften die Verhandlungen kritisch werden, weil mit einem materiellen Angebot der Verlage zu rechnen ist.“ Auch hätten Gespräche mit dem Verband der Zeitschriftenverleger stattgefunden, die „hinsichtlich der vertraglichen Rahmenbedingungen bereits zu schriftlich fixierten Regelungen geführt“ hätten.
Auch hier soll „im nächsten Schritt die Frage der Rechtseinräumung und deren Abgeltung diskutiert und möglichst abschlussreif fixiert werden.“ Diese Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Durch die seit 2007 in mehreren Fällen erzielten Erfolge mit einstweiligen Verfügungen gegen allgemeine Geschäftsbedingungen (siehe unten bei „Klagen gegen AGB“) sehen die Interessenvertreter der Urheber jedoch ihre Position derzeit wieder gestärkt.
Am 16. November 2008 gründet sich in Berlin ein neuer Berufsverband freier Journalisten unter dem Namen Freischreiber, der in seinen Gründungsleitlinien (PDF) eine Anti-Total-Buyout-Klausel aufnimmt und laut Satzung (PDF) „Regelwerke zur Professionalisierung der Zusammenarbeit zwischen freiberuflichen Journalistinnen und Journalisten und ihren Auftraggebern […] entwerfen und deren Anwendung […] propagieren“ möchte.
Am 17. Dezember 2009 einigen sich die Journalistengewerkschaften DJV und dju überraschend mit dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) auf gemeinsame Vergütungsregeln für freiberufliche Journalisten an Tageszeitungen (PDF), die sie am 5. Januar 2010 veröffentlichen. Der unabhängige Verband Freischreiber lehnt die Vereinbarung tags darauf in einer Stellungnahme ab.
Er kritisiert vor allem, dass mit Zeilenhonoraren zwischen 47 Cent und 1,65 Euro „umfangreiche Nutzungsrechte und die Weiterverwertung in anderen Publikationen abgegolten“ sein sollen – nicht zuletzt „die für die Zukunft besonders bedeutsame digitale Nutzung zum Beispiel im Internet […]– zeitlich unbegrenzt und übertragbar.“ Im Laufe des Januar 2010 stimmen dennoch zunächst dju und DJV, dann auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) der Regel zu.
Zweitverwertung journalistischer Texte in Datenbanken
Weil die Verleger, um die als „Zeitungskrise“ bekannt gewordene Anzeigenflaute zu kompensieren, die Texte der freien Journalisten zunehmend auch online, auf CD-ROM und in Datenbanken nutzen wollen, warten die Verleger zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr ab, was bei Verhandlungen mit Gewerkschaften herauskommt, sondern beginnen stattdessen, ihren freien Mitarbeitern Total-Buyout-Verträge ins Haus zu schicken, mit denen diese sämtliche Rechte an ihren Texten gegen ein Pauschalhonorar abtreten sollen.
Den Anfang macht der Süddeutsche Verlag, Herausgeber der „Süddeutschen Zeitung“, der bereits im Dezember 2000 seinen freien Mitarbeitern ein unmissverständliches Schreiben zustellt: „… kaufen wir Ihre Werke nur unter der Voraussetzung, dass Sie uns neben dem Recht zur herkömmlichen Veröffentlichung in der Süddeutschen Zeitung, nebst dem Recht zur Bearbeitung, Umgestaltung und Übersetzung, ein umfassendes, räumlich und zeitlich unbefristetes Nutzungsrecht an Ihren Werken auch für elektronische/digitale Verwertung gleich in welcher Form und auf welchem Trägermedium … einräumen.“ Wer zu unterschreiben ablehnt, bekommt keine Aufträge mehr.
Andere Zeitungsverlage ziehen bald nach: neben dem Berliner Verlag (Berliner Zeitung, Berliner Kurier, TIP-Stadtmagazin) auch die Verlagsgruppe Holtzbrinck (Handelsblatt, Die Zeit, Tagesspiegel, Wirtschaftswoche), Gruner und Jahr (damals Hamburger Morgenpost, Sächsische Zeitung) und viele andere, wie Matthias Spielkamp berichtet. Wer den Brief der SZ schlichtweg ignoriert, erhält ein paar Jahre später ein weiteres Schreiben (PDF), diesmal mit Frist bis zum 30. Juni 2004.
Tatsächlich erschließen sich die Zeitungen zunehmend Erlöse durch den Einzelverkauf über Artikel in Datenbanken. 2005, kurz vor der Fusion von GBI mit Genios zu GENIOS, einem Gemeinschaftsprojekt von FAZ und Handelsblatt, erreichen die Proteste von freien Journalisten gegen den Anbieter „GBI – the contentmachine“ ihren Höhepunkt. Verschiedene Freie verlangen gemäß einem von dju und ver.di empfohlenen Protestschreiben (PDF) Rechenschaft über den Rechteerwerb und die Erlöse der Nutzung, werden aber an die Verlage zurückverwiesen.
Einzelne Journalisten klagen, die meisten einigen sich außergerichtlich mit den Verlagen, wobei in der Regel hohe Summen gezahlt werden. Am weitesten geht dabei der Sportjournalist Andreas Singler, der am 9. August 2006 vor dem Landgericht Frankenthal zunächst unterliegt, weil das Gericht nicht GBI/GENIOS, sondern die Verlage für verantwortlich hält. Singler einigt sich mit der FAZ und der SZ außergerichtlich, die Frankfurter Rundschau wird am 18. Dezember 2007 vom Landgericht Frankenthal dazu verurteilt, ihre Erlöse aus der Zweitverwertung von Singlers Artikeln offenzulegen.
Die Zeitung geht zunächst in Berufung, zieht diese nach einem Hinweisbeschluss des Pfälzischen OLG vom 28. August 2008 jedoch zurück. Trotz des rechtkräftigen Urteils hat sie bislang noch nicht offengelegt, welche Artikel Singlers sie wo gehostet hat, sodass der Journalist seine Schadensersatzansprüche noch nicht beziffern konnte. Im August 2009 zahlt der Bonner Generalanzeiger im Zuge einer außergerichtlichen Einigung einem freien Journalisten, der neun Jahre lang für das Medium tätig war, für die Nutzung von etwa 4.000 Artikeln in Online-Datenbanken 17.500 Euro netto.
Datenbanken sind nach wie vor ein Millionengeschäft: Die taz teilte 2008 auf Anfrage mit, dass sie 2007 durch die Verwertung ihrer Texte in Datenbanken (Lexis-Nexis, GBI/Genios, ZDF, Presse-Monitor, Reuters und anderen) 228.019 Euro eingenommen hat. Die Frankfurter Rundschau hat mit der Zweitverwertung in Datenbanken zwischen 1998 und 2007 über 2 Millionen verdient. GENIOS hat 2008 einen Jahresumsatz von 4 Millionen (Quelle: Creditreform Datenbank, siehe unter www.genios.de)
Klagen gegen AGB
Da zu wenige Journalisten bereit sind, die Total-Buyout-Verträge nicht zu unterschreiben, versuchen die Gewerkschaften seit 2007, rechtlich gegen diese Verträge selbst vorzugehen, mit dem Argument, diese seien nach dem für allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Recht zu behandeln und dürften insofern nach §307 BGB den Urheber nicht unangemessen benachteiligen.
Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung ist die gemeinsame Klage von ver.di, dem Fotografenverband Freelens und der Journalistengewerkschaft djv gegen die im Januar 2007 eingeführten allgemeinen Geschäftsbedingungen des Axel-Springer-Verlags. Am 5. Juni 2007 untersagt das Landgericht Berlin dem Verlag per einstweiliger Verfügung wichtige Passagen dieser AGB (Az. 16 O 107/107). Die Entscheidung wird in der Hauptsache mit Urteil vom 9. Dezember 2008 bestätigt (Az 16 O 8/08). Die Berufung liegt nun beim Kammergericht in Berlin.
Nicht nur Springer, auch die klagenden Verbände sind in Revision gegangen. Sie betrachten das Urteil als positiv im Hinblick auf Weiterverwertungen und Ausfallhonorare, sind aber unzufrieden damit, dass in der Frage des Umfangs der eingeräumten Rechte kein Fortschritt erfolgt ist. Möglicherweise läuft das Verfahren weiter, bis es in ein paar Jahren beim Bundesgerichtshof angelangt ist, der dann, so hoffen die Interessenvertreter der Urheber, auch die Intention der Urhebervertragsrechtsreform („Stärkungsgesetz“) von 2002 berücksichtigen wird. (Mehr Infos: FAQ zum Thema Springer-AGB beim djv)
Am 22. Juli 2009 untersagt das Landgericht Hamburg auf Antrag des Fotografenverbands Freelens eine Formulierung im „Rahmenvertrag“ des Bauer-Verlags. djv und Verdi gehen daraufhin ihrerseits gegen die Bauer-AGB vor und erreichen am 22. September 2009, dass das Landgericht Hamburg mit einer weiteren einstweiligen Verfügung über die frühere sogar hinausgeht. Mit einem Pauschalhonorar dürfen demnach nicht sämtliche Leistungen und Rechte abgegolten sein; ebenso wenig dürfen damit Nutzung durch Dritte sowie zukünftig entstehende verwandte Schutzrechte bereits bezahlt sein.
Über einen weiteren Antrag der djv auf einstweilige Verfügung gegen den Nordkurier entscheidet das Landgericht Rostock am 31. Juli: Ihm wird in allen wesentlichen Punkten stattgegeben, weil das Gericht in der Rahmenvereinbarung zahlreiche Verstöße gegen das Urhebervertragsrecht erkennt. So darf unter anderem nicht mehr verlangt werden, dass der freie Mitarbeiter dem Verlag unbeschränkte Nutzungsrechte an seinen Werken und Leistungen für alle Nutzungsarten einräumen muss. (Mehr zu den genannten drei Fällen bei Mediaphon.
Am 6. November 2009 unterzeichnet der Berliner Verlag (Berliner Kurier, Berliner Zeitung) eine Unterlassungserklärung gegenüber Verdi und verpflichtet sich, seine bisherigen AGB für freie Journalisten und Fotografen fortan nicht mehr zu verwenden. Mit dem Text- oder Fotohonorar, so teilt die Gewerkschaft mit, seien bisher auch Vermiet- und Verleihrechte, Datenbankrechte und sogar Werberechte abgegolten gewesen. „Die aus der jeweiligen Vermarktung und Verwertung der Rechte erzielten Erlöse stehen allein demjenigen zu, der sie erzielt.“ – Diese Formulierung ist fortan unwirksam. Der Verlag hat eine Überarbeitung seiner AGB angekündigt.
Es ist bereits der vierte Fall, in denen Verbandsklagen von Journalistenverbänden dazu führen, dass Verlagen Teile ihrer Standardverträge gestrichen wurden, teils aus urheberrechtlichen, teils aus vertragsrechtlichen Erwägungen heraus.
In der Branche Film/Fernsehen werden ab Frühjahr 2003 Verhandlungen mit den drei Film-/Fernsehproduzentenverbänden geführt. Freilich haben nicht alle in der Filmbranche Beschäftigten einen Urheberstatus: Für Produktionsleiter, Continuity oder Leute, die im Kopierwerk arbeiten, ist der §32 nicht relevant. Drehbuchautoren, Komponisten und Regisseure haben im Sinne des Gesetzes jedoch ebenso einen Anspruch auf urheberrechtliche Beteiligung wie Kameraleute, Cutter, Szenenbildner, Filmarchitekten und Kostümbildner. Die drei letztgenannten Gruppen gehören demselben Verband an, während Cutter, Regisseure und Kameraleute in jeweils eigenen Verbänden organisiert sind. Und dann gibt es noch die Gewerkschaft Verdi, die hauptsächlich festangestellte Filmschaffende repräsentiert.
Der Tarifvertrag der Filmbranche besteht zu diesem Zeitpunkt aus zwei Teilen: dem Manteltarifvertrag, welcher die Arbeitsbedingungen regelt, und dem Gagentarifvertrag, welcher die tarifliche Bezahlung je nach Tätigkeit regelt. Hinzukommen soll nun neben einer Ergänzung, die ein sogenanntes „Arbeitszeitkonto“ für vorübergehend tariflich Beschäftigte einführt, auch eine Einigung über angemessene Nutzungsvergütungen kommen.
Das wurde auch Zeit, denn Ziffer 3 des Tarifvertrags, wo es um die „Rechte an Film, Foto und Namen“ geht, war seit dem 1. Januar 1995 gekündigt. „Die Tarifvertragsparteien verpflichten sich, mit dem Ziel einer Neuregelung unverzüglich in Verhandlungen zu treten“, heißt es dort seither. 2003 ist es endlich soweit, und es werden Verhandlungen über eine „angemessene Vergütung“ aufgenommen. Mit am Tisch sitzen dabei die Drehbuchautoren, Kameraleute, Cutter, Szenenbildner, Filmarchitekten, Kostümbildner und Komponisten, außerdem Vertreter der Gewerkschaft Verdi, die vor allem die leistungsschutzberechtigten Schauspieler vertritt.
Diese die urheberrechtliche Komponente der Kreativschaffenden betreffenden Gespräche werden unabhängig von den sonstigen Tarifverhandlungen geführt. Die Urheberverbände gehen davon aus, dass mit der tarifvertraglichen Gage die Arbeit ihrer Mitglieder im Rahmen einer 50-Stunden-Woche abgedeckt ist. Die urheberrechtliche Verwertung wollen sie zusätzlich honoriert sehen, je nach tatsächlicher Nutzung. Kameraleute, Regisseure, Cutter und andere wollen also nicht nur für ihre Arbeitsleistung bezahlt werden, sondern auch für jede Nutzung des Werks nach der Erstsendung eine Folgevergütung (Wiederholungsvergütung, Erlösbeteiligung) bekommen und auch an den Erträgen aus Video- bzw. DVD-Vermarktungen partizipieren.
Die Produzentenseite (Bundesverband Deutscher Fernsehproduzenten, Verband deutscher Spielfilmproduzenten, Arbeitsgemeinschaft neuer deutscher Spielfilmproduzenten) favorisiert hingegen ein Buy-Out-Modell: Mit der Zahlung der Gage, gegebenenfalls aufgestockt durch einen Buyout-Zuschlag, soll der urheberrechtliche Anspruch mitabgegolten sein. Die Spielfilmproduzenten schlagen sogar vor, dass bei Low-Budget-Produktionen bis 2,8 Millionen Euro die „angemessene Vergütung“ Verhandlungssache bleiben soll.
Übergangstarifvertrag
Bereits 2004 zeichnet sich ab, dass die Parteien sich nicht verständigen können. Man entschließt sich, einen „Übergangstarifvertrag“ (der eigentlich nur ein „ergänzendes Protokoll“ ist) abzuschließen, um wenigstens die Einführung des Arbeitszeitkontos sicherzustellen, die die Lage der Filmschaffenden im Hinblick auf die Arbeitslosenversicherung verbessert. Die Frage der Urhebervergütung wird einstweilen ausgeklammert.
Der Übergangstarifvertrag tritt am 1. Juni 2005 in Kraft. Zu einer „Gemeinsamen Vergütungsregel“ kommt es aber nicht. Zum 31. Dezember 2005 beendet der Bundesverband Regie seine Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Verdi: „Die Regisseure sehen sich in ihrem Kampf um angemessene Vergütungen und Arbeitsbedingungen von der Gewerkschaft nicht ausreichend unterstützt. Das fehlende Verständnis liegt nach Ansicht des BVR auch daran, daß Verdi selbst praktisch keine Mitglieder unter den Film- und Fernsehregisseuren hat. Eine Unterstützung für die künstlerischen Rechte der Regisseure, die als Filmemacher ganz überwiegend in freiberuflicher Selbständigkeit als Autorenfilmer oftmals in Personalunion als Regisseur, Autor und Produzent arbeiten, war seitens der Dienstleistungsgewerkschaft […]nicht zu spüren“, heißt es in einer Erklärung der Regisseure.
Wenige Wochen später ziehen die Kameraleute nach. Das Branchenblatt Professional Production zitiert am 21. Januar 2006 Geschäftsführer Michael Neubauer, Verdi sei nicht in der Lage, „die Interessen der Filmschaffenden kompetent und nachdrücklich zu vertreten. Der Berufsverband könne die mangelhafte Umsetzung des Tarifvertrages durch die Tarifpartner nicht länger akzeptieren. Dass man für die Unfähigkeit der Gewerkschaft, hier für klare Verhältnisse zu sorgen, auch noch einen Verbandsbeitrag an Verdi zahlen müsse, sei eine den Mitgliedern des bvk nicht länger vermittelbare Zumutung.“
Die „Initiative Urheberrecht“ meldet 2006, die Verhandlungen in der Filmbranche seien ins Stocken geraten: „Es gibt bei den Produzenten – und ihren Auftraggebern – erheblichen Klärungsbedarf, nachdem in der letzten Verhandlungsrunde in wesentlichen Punkten (Vergütung und Folgevergütungen für Autoren und Regisseure, grundsätzlich Anerkennung urheberrechtlicher Folgevergütungsansprüche für Kamera, Kostümbild, Schnitt und Szenenbild) eine Einigung erreichbar schien. Ein neuer Verhandlungstermin ist nicht vereinbart.“
Reorganisation der Verwerterverbände
Die Verwerterseite steckt zu diesem Zeitpunkt in einem Reorganisationsprozess, der darauf hinausläuft, dass die Verbände sich auflösen, um sich als „Allianz Deutscher Produzenten Film und Fernsehen“ sowie „Verband Deutscher Filmproduzenten“ neu zu formieren. Zudem wollen die Produzenten zunächst mit ihren Auftraggebern, den Sendern, eigene „Terms of Trade“ aushandeln, bevor sie den Urhebern gegenüber Verpflichtungen eingehen.
In der Folge wendet sich 2006 der Verband Deutscher Drehbuchautoren an einzelne Fernsehproduzenten, nämlich die Maran Film GmbH, eine Tochter des SWR, sowie die NDR-Tochter Studio Hamburg, und fordert diese zur Aufnahme von Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregeln auf. Neben den Drehbuchautoren sitzen zu diesem Zeitpunkt auch Vertreter von Verdi und anderer Filmschaffendenverbände mit am Tisch.
Die Produzenten vertreten jedoch die Auffassung, sie seien keine „Werknutzer“ im Sinne des § 36 Abs. 1 UrhG und folglich zu entsprechenden Verhandlungen nicht legitimiert, wie der Verband in seiner Stellungnahme (PDF) zum „Dritten Korb“ mitteilt. Im Rahmen von Auftragsproduktionen verfügten nämlich nicht die Produzenten, sondern nur die auftraggebenden Sender über die erforderliche wirtschaftliche Freiheit, um über den Umfang der einzuräumenden Rechte und die Höhe der zu zahlenden Vergütungen zu bestimmen.
Die Drehbuchautoren fordern alsdann im Sommer 2007 den NDR zu Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregeln nach § 36 UrhG auf, doch auch dieser erklärt gegen Ende des Jahres, kein unmittelbarer Vertragspartner der Drehbuchautoren zu sein. Die Verträge würden schließlich mit den Produzenten geschlossen, also sei der NDR seinerseits kein Werknutzer. Produzenten und Sender spielen sich also den Ball gegenseitig zu. Im Winter 2007 möchten die Drehbuchautoren Bundesjustizministerin Brigitte Zypries dazu bewegen, als Mediatorin zwischen NDR und Urhebern aufzutreten, was diese jedoch ablehnt
Den Regisseuren ergeht es genauso: Am 25. Februar 2008 fordert der Bundesverband Regie das ZDF zu Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregeln nach §36 UrhG auf. Im September 2008 findet ein Kontaktgespräch statt, bei dem das ZDF jedoch darauf besteht, dass es sich um keine Verhandlungsaufnahme nach §36 handelt. Stattdessen bietet der Sender den Regisseuren eine sogenannte „Verbandsabsprache“ an, deren rechtlicher Status ungeklärt bleibt.
Im August 2008 gelingt es den Drehbuchautoren zumindest, Vertreter des ZDF zu Gesprächen zu bewegen. Seit Anfang 2009 nehmen auch Abgesandte der Produzentenallianz und des Produzentenverbands sowie Vertreter der ARD daran teil, namentlich des WDR und des SWR, wie der Verband in seinem Newsletter mitteilt. Die Drehbuchautoren sind grundsätzlich bereit, den Vertragspartnern alle Nutzungsrechte am Drehbuch einzuräumen, wollen allerdings ebenso grundsätzlich an sämtlichen Erlösen aus den Verwertungen beteiligt werden.
Die Nebenrechte am Drehbuch (das Druck- und Verlagsrecht, das Hörbuch-, das Hörspiel- und das Bühnenrecht) sollen in der Regel beim Autor verbleiben. Bei den Gesprächen, bei denen es sich nach Auskunft von Prof. Dr. Paul Hertin, dem Justitiar des Verbands, lediglich um eine „Verbandsabsprache“, jedoch nicht um Verhandlungen im Sinne des §36 UrhG handelt, kommt es jedoch zu heftigen Meinungsverschiedenheiten. Ergebnisse liegen bislang nicht vor.
Am 5. Februar 2009 findet im Rahmen der Berlinale die Mitgliederversammlung des Bundesverbands Regie statt, der nun von seinen Mitgliedern autorisiert wird, nötigenfalls das gesetzlich vorgesehene Schlichtungsverfahren einzuleiten. Die Regisseure wiederholen die Aufforderung nach §36 im Februar 2009, das ZDF lehnt erneut mit Verweis auf mangelnde Passivlegitimation ab, es hält sich also nicht für den richtigen Ansprechpartner.
Nach Ansicht des ZDF müssten die Fernsehproduzenten in Gestalt der ProduzentenAllianz eingebunden werden. Daraufhin verlangen die Regisseure die Einrichtung einer Schlichtungsstelle nach §36a, was das ZDF Anfang August wiederum ablehnt. Die Regisseure haben daraufhin die Schlichtung beim zuständigen Oberlandesgericht in München beantragt. Eine Entscheidung ist derzeit noch nicht gefallen.
Entwicklungen im Jahr 2009
Am 8. Juni 2009 fordert die Produzentenallianz, also der Verband der deutschen Film- und Fernsehproduzenten, in seiner Hamburger Erklärung zum Schutz der Produzentenrechte in der digitalen Welt, zum „Schutz des geistigen Eigentums“ solle „ein eigenes Produzentenurheberrecht“ gesetzlich verankert werden. „Der Produzent ist nicht nur organisatorisch und wirtschaftlich für ein Filmwerk verantwortlich, ihm kommt bei dem schöpferischen Entwicklungsprozess große Bedeutung zu“, heißt es in der Begründung. „Er bringt eigene Kreativität in das Werk ein, ohne hierfür einen Schutz zu erhalten.“ Auch für Fernsehformate müsse es einen urheberrechtlichen Schutz geben, und schließlich sollten Produzenten ein Recht auf „eine angemessene Vergütung für ihre Gesamtleistung als Produzenten“ erhalten.
Am 13. Juli 2009 gibt der Bundesverband Kamera in einer Pressemeldung bekannt, dass die Kameraleute den Verband Deutscher Filmproduzenten auffordern, „einem differenzierten Modell für „gemeinsame Vergütungsregeln“ (§ 36 UrhG) zuzustimmen.“ Notfalls wolle der Verband über das Oberlandesgericht die Schlichtung behördlich auf den Weg bringen. Als vorsitzende Schlichterin schlagen die Kameraleute die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin vor. Am 3. August wendet der Verband sich erneut an die Presse und teilt mit, dass die Filmproduzenten, obwohl jahrelang an entsprechenden Verhandlungen beteiligt, eigener Auskunft zufolge „zu einer urheberrechtlichen Schlichtung über angemessene Nutzungsvergütungen für Bildgestalter nicht ermächtigt“ seien.
Am 7. Oktober 2009 einigen die Allianz Deutscher Produzenten Film & Fernsehen und der Verband Deutscher Filmproduzenten sich mit der Gewerkschaft Verdi auf einen neuen Tarifvertrag, der bis Ende 2011 gelten wird. Die tägliche Höchstarbeitszeit wird auf 13 Stunden beschränkt, und es gibt eine Tariferhöhung, die im Gesamtvolumen knapp 2 Prozent ausmacht. Am 4. Dezember 2009 wendet sich IMAGO, der Dachverband der europäischen Kameraleute, mit einem Appell an die Gewerkschaft Verdi und verlangt von dieser, den Tarifvertrag nicht zu unterzeichnen, da eine „Beschränkung“ der Arbeitszeit Filmschaffender auf 13 Stunden dem Bemühen um faire Arbeitsbedingungen abträglich sei. „A union willingly acting this way is undermining the legitimate rights of its members and all other emloyees“, heißt es in der Erklärung. Verdi ignoriert den Appell und schließt den Tarifvertrag trotzdem ab. Eine Regelung zur „angemessenen Vergütung“ für solche Film- und Fernsehbeschäftigten, die nicht nach Tarif bezahlt werden, steht weiter aus.
Die Kameraleute fordern im Herbst 2009 die Produzentenallianz („Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen“, mit Sitz in Berlin und München) zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren auf. Da die Produzentenallianz nicht reagiert, beantragt der Bundesverband Kamera die Einleitung des Schlichtungsverfahrens beim OLG München und schlägt mit deren Einverständnis die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin als vorsitzende Schlichterin vor. Daraufhin erklärt die Produzentenallianz Anfang Dezember 2009 gegenüber dem Gericht, auch sie sei zu derartigen Verhandlungen nicht ermächtigt. Ein nächster Schritt des Gerichts steht derzeit aus.
Einzelne Filmurheber sind vor Gericht erfolgreich
Parallel zu den fruchtlosen Vergütungsverhandlungen ziehen seit etwa 2006 einzelne Filmurheber vor Gericht, um eine höhere Vergütung einzuklagen:
Mit Urteil vom 13. September 2006 entscheidet das Landgericht München I, dass nicht nur die Autorin und Erfinderin der literarischen Figur Pumuckl, sondern auch deren Zeichnerin eine Urheberin ist – und entsprechend gefragt werden muss, wenn ihre Arbeit wirtschaftlich verwertet wird. Der Bayerische Rundfunk und die Produktionsgesellschaft Infafilm werden zu Nachzahlungen an die Zeichnerin verurteilt und dürfen einen Spielfilm sowie eine Fernsehserie vorerst nicht mehr ausstrahlen. Das Oberlandesgericht lässt die Revision nicht zu, eine Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten beim Bundesgerichtshof wird abgewiesen.
Am 7. Mai 2009 gibt die 7. Zivilkammer des Landgerichts München I einer Klage des Kameramannes Jost Vacano weitgehend statt. Vacano hatte für seine Arbeit an dem weltbekannten Kassenschlager „Das Boot“ von der Bavaria Film, dem Westdeutschen Rundfunk und EuroVideo keinerlei Erfolgsbeteiligung erhalten, obwohl der Film in vielfachen Nutzungsarten erst- und zweitverwertet wird. Damit er seinen Anspruch auf „angemessene Vergütung“ beziffern kann, müssen die Produktionsfirma Bavaria Film, der Sender WDR und der Video-/DVD-Vertrieb EuroVideo nun umfassend offenlegen, in welcher Weise die Produktion „Das Boot“ seit 2002 ausgewertet worden ist und wie viel Geld dabei geflossen ist. Beide Seiten sind gegen das Urteil in Berufung gegangen. Die Berufungen sind jetzt beim Oberlandesgericht München anhängig.
Am 16. Dezember 2009 findet beim Landgericht München I eine weitere Verhandlung nach dem sogenannten „Bestseller“-Paragraphen 32a statt, der dem Urheber eine Nachzahlung garantiert, falls sein Honorar „in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes“ steht. Geklagt hat die Urheberin des seit Jahrzehnten verwendeten, jedoch nur mit einem Honorar von 1278 Euro bezahlten „Tatort“-Vorspanns. Eine Urteilsverkündung steht noch aus.
Ein Urteil des Berliner Landgerichts vom 19.05.2009 (Az. 16 O 8/07) wird am 13. Januar 2010 vom Kammergericht Berlin aufgehoben: Das Buyout-Honorar für den Drehbuchautor und Erfinder der Fernsehserie „Der Bulle von Tölz“, immerhin knapp 500.000 Euro, ist zu niedrig, da es Anhaltspunkte für einen Bestseller nach §32a handelt. Der Autor hat also voraussichtlich Anspruch auf eine Nachzahlung – zunächst muss ihm Auskunft über die Erlöse erteilt werden.
Kurz vor dem deutschen „Stärkungsgesetz“, nämlich am 22. Mai 2001, tritt die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (PDF) in Kraft, mit welcher der WIPO-Urheberrechtsvertrag und der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger in europäisches Recht umgesetzt wird.
Deutschland beschließt daraufhin am 13. September 2003, also etwa ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Stärkungsgesetzes, das 1. Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (PDF). Umgesetzt werden dabei zunächst die zwingenden, fristgebundenen Vorgaben der EU-Richtlinie. Andere Fragestellungen, bei denen die EU-Mitgliedsländer mehr Entscheidungsspielraum haben, werden dem „Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ vorbehalten, auch bekannt als „Zweiter Korb“.
Am 29. April 2004 wird die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums (PDF) verabschiedet. Sie tritt am 20. Mai 2004 in Kraft. Das Ziel der Richtlinie ist, die zivilrechtliche Verfolgung von Verletzungen der Rechte an geistigem Eigentum zu erleichtern, so auch Urheberrechtsverletzungen.
Zu den wichtigsten Fragestellungen des geplanten Gesetzes gehören die Ausgestaltung fakultativer Schrankenbestimmungen, insbesondere der Privatkopie, die Anpassung des pauschalen Vergütungssystems sowie eine Regelung des Umgangs mit sogenannten „unbekannten Nutzungsarten“.
Nach der schlechten Presse rundum das „Stärkungsgesetz“ hat das Justizministerium sich ein neues Verfahren überlegt, das es kooperative Gesetzgebung nennt. Statt hinterher über einen Gesetzentwurf zu meckern, sollen die Lobbyverbände schon im Vorhinein widerstreitende Interessen und mögliche Kompromisse erkunden, also bereits den Gesetzentwurf mitgestalten. Von Oktober 2003 bis Juni 2004 kommen zu diesem Zweck unter dem Dach des BMJ elf thematische Arbeitsgruppen zusammen.
Am 27. September 2004 legt Ministerialdirektor Elmar Hucko den Ersten Referentenentwurf für das Gesetz vor. Am 2. November 2004 findet in München ein Symposion mit dem Titel „Urheberrecht in der Informationsgesellschaft – der Referentenentwurf zum Zweiten Korb“ statt, mit dem die interessierte Öffentlichkeit angesprochen werden soll. Bis Ende November legen etliche Interessenvertretungsverbände Stellungnahmen zu den geplanten Änderungen im Urheberrecht vor.
Hucko arbeitet all diese Wünsche in seinen zweiten Referentenentwurf ein, den das BMJ am 26. Januar 2006 veröffentlicht. Am 22. März 2006 wird er als „Gesetzentwurf der Bundesregierung“ veröffentlicht und am 15. Juni 2006 in den Bundestag eingebracht (Bundestag Drucksache 16-1828). Bis einschließlich November 2006 geben wiederum diverse Lobbyverbände ihre Stellungnahmen ab. Auf den Seiten des Bundesjustizministeriums sowie des Instituts für Urheberrecht finden sich jeweils umfangreiche Sammlungen dieser Stellungnahmen.
Der „Zweite Korb“ wird im Juli 2007 vom Bundestag verabschiedet. Am 1. Januar 2008 tritt das Gesetz in Kraft. Die wichtigsten Änderungen, die hier (PDF) und hier zusammengefasst sind, sind die Folgenden:
• Urheber können zukünftig Rechte an „unbekannten Nutzungsarten“ abtreten, haben dann aber einen Anspruch auf „angemessene Vergütung“. (§ 31a)
• Aus Schulbüchern darf nicht mehr für den Unterrichtsgebrauch kopiert werden – die Kultusministerien werden gezwungen, Lizenzverträge mit den Schulbuchverlagen abzuschließen. (§53 Absatz 3)
• Werke dürfen auf Leseplätzen von Bibliotheken und Forschungseinrichtungen zugänglich gemacht werden, aber nur, wenn dem keine vertraglichen Regelungen entgegen stehen und nicht mehr Exemplare elektronisch angeboten werden, als gedruckt vorhanden sind. (§52b)
• Private Kopien geschützter Werke sind nur noch zulässig, soweit nicht „eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird.“ Neu ist die Formulierung „oder öffentlich zugänglich gemacht“, die auf den Download rechtswidrig in Tauschbörsen eingestellter Werke abzielt. (§53)
• Bibliotheken dürfen zu privaten Zwecken angeforderte Kopien verschicken, allerdings nur per Post oder Fax; ein Mailversand ist nur für den Unterrichtsgebrauch und die wissenschaftliche Forschung zulässig, sofern die Verlage nicht eigene faire Angebote bereithalten. (§53a)
• Die Geräteindustrie wird weitgehend von Urheberrechtsabgaben entlastet (z.B. „Die Vergütung darf Hersteller von Geräten und Speichermedien nicht unzumutbar beeinträchtigen; sie muss in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts oder des Speichermediums stehen.“) (§54a)
• Ein jahrelang währender Streit in der VG Wort über die Verteilung der Kopiervergütung wird durch eine Neufassung des §63a zuungunsten der Urheber entschieden.
• Urheber verlieren unter bestimmten Voraussetzungen ihre Nutzungsrechte an vormals unbekannten Nutzungsarten auch rückwirkend. Sie fallen automatisch dem Erstverwerter zu, sofern die Urheber nicht bis Ende des Jahres 2008 Widerspruch einlegen. So soll vor allem den Rundfunksendern die Online-Nutzung ihrer Archive ermöglicht werden, ohne dass die Urheber ihr Einverständnis erklären müssen. (§ 137l)
Am 11. April 2008 beschließt der Bundestag das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des Geistigen Eigentums, das am11. Juli 2008 im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht wird und zwanzig Tage später in Kraft tritt, also am 1. September 2008.
Damit wird die EU-Richtlinie 2004/48/EG vom 29. April 2004 in deutsches Recht umgesetzt und erstmals ein Auskunftsanspruch des Rechteinhabers gegen an Rechtsverstößen unbeteiligte Dritte eingeführt – dies zielt auf Internetprovider ab. Andererseits werden Abmahngebühren auf 100 Euro gedeckelt.
Zu den Diskussionen über das stark umstrittene Gesetz mehr in einem Artikel von Heise Online.
Am 19. Februar 2009 legen Michael Söndermann, Christoph Backes, Dr. Olaf Arndt und Daniel Brünink eine im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie erstellte Studie (PDF) zur „Kultur- und Kreativwirtschaft“ vor, in der sie die volkswirtschaftliche Bedeutung der Kreativbranche unterstreichen.
Am selben Tag verschickt das BMJ an verschiedene Interessenvertretungsverbände einen Fragebogen zur „Prüfung weiteren gesetzgeberischen Bedarfs im Bereich des Urheberrechts“. Die Antwort der Verbände wird bis zum 15. Juni 2009 erbeten. Die Initiative geht auf Entschließungen von Bundestag und Bundesrat in der Beschlussempfehlung zum „2. Korb“ (siehe PDF S. 3-4), auf Anmerkungen im Abschlussbericht der „Enquetekommission Kultur“ sowie auf Prüfbitten der Europäischen Kommission zurück. Fragebogen im Original.
Bei den Prüfbitten des Bundestages handelt es sich um folgende Punkte:
• Ist es sinnvoll, die Privatkopie auf Kopien vom Original zu beschränken und die Herstellung von Kopien durch Dritte zu verbieten?
• Ist ein Verbot sogenannter intelligenter Aufnahmesoftware für Webradios sinnvoll?
• Wie könnte eine sinnvolle Regelung zum Zweitveröffentlichungsrecht von Wissenschaftlern aussehen?
• Müssen die bestehenden Regelungen der Kabelweitersendung überarbeitet werden?
• Soll der Erschöpfungsgrundsatz für gebrauchte Software gelten, die unkörperlich vertrieben wird, sprich bedarf der Gebrauchthandel mit Lizenzen einer gesetzlichen Regelung?
• Sollte Filmurhebern ein Widerspruchsrecht bezüglich unbekannter Nutzungsarten eingeräumt werden?
Bei den Prüfbitten des Bundesrates handelt es sich um folgende Punkte:
• Wie kann den Besonderheiten von Open-Access- und Open-Source-Verwertungsmodellen Rechnung getragen werden?
• Soll die Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen neben Bibliotheken, Museen und Archiven auch sonstigen Bildungseinrichtungen erlaubt werden?
• Soll die Begrenzung des elektronischen Kopienversands durch Bibliotheken aufgehoben werden?
• Wie wirkt sich das Kopierverbot für Schulbücher aus?
Bei den Empfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ geht es unter anderem um folgende Punkte:
• Soll für Kunstwerke, die im öffentlichen Raum gewerblich gezeigt werden, eine Vergütung gezahlt werden, etwa an eine Verwertungsgesellschaft?
• Sollen die Verwertungsgesellschaften verpflichtet werden, ihre Gegenseitigkeitsverträge öffentlich zu machen?
Bei den Prüfbitten der Europäischen Kommission geht es unter anderem um folgende Punkte:
• Sollen verwaiste Werke zukünftig nach dem Vorbild des kanadischen Modells vermarktet werden, gemäß einem von der VG Wort entwickelten Lizensierungsmodell, oder gibt es noch andere Möglichkeiten des Umgangs mit verwaisten Werken?
• Benötigen die Verwertungsgesellschaften bessere Kontrollinstrumente zur Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber der Geräteindustrie?
Verschiedene Verbände haben ihre Stellungnahmen öffentlich gemacht:
• Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft (PDF)
• BIKT – Bundesverband Informations- und Kommunikationstechnologie e.V. (PDF)
• BITKOM – Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (PDF)
• Börsenverein des Deutschen Buchhandels (PDF)
• Bundesrechtsanwaltskammer (PDF)
• Bundesverband der Fernseh- und Filmregisseure. e.V. (PDF)
• Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V. (BVDW) (PDF)
• Deutscher Bibliotheksverband e.V. (PDF)
• Deutscher Journalisten-Verband e.V. (djv) (PDF)
• Deutscher Kulturrat (PDF)
• Deutscher Richterbund – Bund der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte
• Deutsches Studentenwerk e.V.
• eco Verband der Deutschen Internetwirtschaft e.V. (PDF)
• Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht (PDF)
• Verband Deutscher Drehbuchautoren e.V. (VDD)
• Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. – vzbv (PDF)
• Die Verwertungsgesellschaft WORT hat nach eigener Auskunft ebenfalls eine Stellungnahme abgegeben, aber bisher nicht veröffentlicht. Eine erste Zusammenfassung bei golem.de.
Sobald ein erster Referentenentwurf zum „Dritten Korb“ vorliegt, werden wir ihn hier dokumentieren.
Am 13. März 2009 erscheint ein im Auftrag der deutschen und europäischen Grünen erstelltes Gutachten zur „Zulässigkeit einer Kulturflatrate nach nationalem und europäischem Recht“, die insgesamt bejaht wird. SPD und Grüne nehmen das Thema in ihren Wahlkampf auf. Börsenverein, Verband Deutscher Schriftsteller und Verband Deutscher Übersetzer reagieren am 23. Juli 2009 erkennbar skeptisch mit 16 Fragen zur Kulturflatrate.
Auch der Bundesverband der Fernseh- und Filmregisseure e.V. spricht sich in seinen am 16. Oktober 2009 veröffentlichten film-, medien- und urheberrechtspolitischen Thesen gegen eine Kulturflatrate aus und fordert stattdessen eine graduated response nach dem Modell des französischen HADOPI-Gesetzes.
Am 22. März 2009 veröffentlichte die FAZ den vom Literaturwissenschaftler Roland Reuß initiierten Heidelberger Appell, der sich gegen die Google Buchsuche und Open Access richtet. Bis zum August 2009 fand er 2.648 Unterzeichner. Am 24. April 2009 erklärte Justizministerin Brigitte Zypries ihre Zustimmung zu dem Appell. Am 26. April 2009 bekundet auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann in der Bild-Zeitung seine Solidarität.
Im Kielsog des „Heidelberger Appells“ erneuern die deutschen Zeitungsverleger ihre alte Fordernung nach einem Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Den Auftakt dazu macht der Jurist Jan Hegemann am 9. April 2009 mit einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Kurz darauf wendet sich der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) mit einer entsprechenden Forderung an die Politik.
Ein Leistungsschutzrecht, das die Inhalte der Verlage unabhängig vom Urheberrecht der Autoren schützen würde, würde es den Verlagen ermöglichen, gegen unerlaubte Nutzungen im Internet auch ohne die Zustimmung der Urheber rechtlich vorzugehen und gegebenenfalls Schadensersatzforderungen geltend zu machen oder Gebühren zu erheben. Auf diese Weise möchten die Printverleger, die sich mit eigenen Webangeboten schwer tun, am wirtschaftlichen Potenzial des Internets partizipieren.
Am selben Tag signalisiert Bundesjustizministerin Brigitte Zypries im Rahmen einer in Berlin veranstalteten internationalen Konferenz zur Zukunft des Urheberrechts ihren Willen, in der nächsten Legislaturperiode ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage einzuführen. In ihrer Rede sagt sie wörtlich: „Die Buch- und Presseverlage erbringen ebenso wie die Hersteller von Tonträgern und Filmen eine ganz erhebliche eigene organisatorische und wirtschaftliche Leistung. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass auch die Verlage in Zukunft ein eigenes Leistungsschutzrecht bekommen. Dabei geht es nicht darum, den Autoren und Journalisten Konkurrenz zu machen oder ihre Rechte zu schmälern. Es geht darum, das Urheberrecht insgesamt zu stärken.“
Ebenfalls noch am 9. April 2009 krisiert der Medienjournalist Robin Meyer-Lucht Hegemanns FAZ-Artikel im Internetmagazin CARTA als „Zitier-Gema für Inhalte“, die im Netz niemand brauche, „außer vielleicht Verlage in Geschäftsmodellnot“.
Am 4. Juni 2009 erweitern die Verlage ihre Forderungen und verlangennun ein „umfassendes Leistungsschutzrecht“.
Auf der Jahreskonferenz der „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“ am 16. Juni 2009 in Berlin gibt nun auch Bundeskulturminister Bernd Neumann bekannt, dass die Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode ein „Leistungsschutzrecht für Presseverlage“ anstrebe. Presseverlage seien „bislang mangels ausreichender Rechte an ihren Presseerzeugnissen in weiten Teilen der Verwertungskette nicht in der Lage, ihre Rechtsposition angemessen zu schützen.“
Am 26. Juni 2009 unterzeichnen zahlreiche deutsche Printverlage die Hamburger Erklärung zu Schutz des geistigen Eigentums. Wenig später schließen sich ihr zahlreiche internationale Verlage an.
Am 30. Juni 2009 verlangt der Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, Hubert Burda, in der FAZ, Presseverleger müssten an den Werbeeinnahmen von Internetsuchmaschinen beteiligt werden. Unter der Überschrift „Wir werden schleichend enteignet“ schreibt Burda: „Onlinewerbung funktioniert. Aber sie landet vor allem bei Suchmaschinen wie Google oder Yahoo. Dort werden online weit höhere Umsätze erzielt als mit den Websites der Verlage. […] Wir debattieren daher in zunehmendem Maße darüber, ob wir es weiter akzeptieren können, wenn andere kommerzielle Anbieter aus unseren Angeboten und damit von unserem originären journalistischen Handwerk einen größeren wirtschaftlichen Nutzen ziehen, als wir selbst es tun.“
Till Kreutzer, Rechtsanwalt und Ressortleiter Recht bei iRights.info, veröffentlicht in EPD-Medien, Heft Nr. 76 vom 26. September 2009, eine Einschätzung zum Leistungschutzrecht: „Man sollte sich auch darüber bewusst sein, dass es eine rückwärtsgerichtete Entscheidung wäre.“ ?
Am 7. Oktober 2009 erscheint in „Message – Internationale Zeitschrift für Journalismus“ ein Hintergrundartikel von iRights-Projektleiter Matthias Spielkamp. Er legt dar, wie seitens der Verlage versucht wird, einzelne Bundestagsabgeordnete sowie die öffentliche Meinung zum Thema Leistungsschutzrecht zu beeinflussen, während konkrete Regelungsentwürfe noch ausstehen.
Am 8. Oktober 2009 veröffentlicht der BDZV auf seinen Internetseiten einen Text (PDF) von Burkhard Schaffeld zum Leistungsschutzrecht, in dem unter anderem erklärt wird, welche „Erlösquellen aus dem Leistungsschutzrecht“ den Presseverlegern vorschweben: „Zum einen sollen effektiver als heute unbefugte Nutzungen verfolgt werden können, zum zweiten ist an die Lizenzierung gewerblicher Nutzungen (die private Nutzung soll weiterhin kostenfrei bleiben) gedacht und zum dritten an die Lizenzierung von Aggregatoren, die Medieninhalte sammeln und aufbereiten und für eine Zielgruppe neu zusammenstellen.“
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