Urheberrecht, Kunst und Kultur: Initiative und Gegen-Initiative in Österreich
Ein Gastbeitrag von Leonhard Dobusch
Nach längerer Vorlaufzeit hat sich diese Woche in Wien die Initiative “Kunst hat Recht” der Öffentlichkeit präsentiert. Die selbsternannte “Initiative für das Recht auf geistiges Eigentum” listet eine Reihe von Kunstschaffenden als Initiatoren – unter ihnen die ehemalige grüne EU-Parlamentarierin Mercedes Echerer – und führt als Partner auf ihrer Homepage bislang ausschließlich Verwertungsgesellschaften wie zum Beispiel das österreichische GEMA-Pendant AKM an. In der Gründungsdeklaration singt die Initiative das altbekannte Klagelied von der Gratiskultur im Netz:
Es hat sich die Meinung verbreitet, dass die Durchsetzung unseres Rechts „falsch“ wäre. Teile der Internet-Industrie leben gut von der „Gratiskultur“, die ein Missbrauch unserer Werke ist. Die massenhafte Enteignung der Kunstschaffenden hat nichts mit Informationsfreiheit zu tun. Wir Kunstschaffenden können das nicht länger hinnehmen.
Bereits zwei Tage nach Veröffentlichung dieser Plattform hat sich nun über einen Gastbeitrag in der Tageszeitung “Der Standard” eine, ebenfalls von Kunstschaffenden getragene, Gegeninitiative konstituiert. Die Initiatoren aus dem Umfeld des Wiener World Information Institutes argumentieren, dass sich Kunstschaffende mit einer Forderung nach einer Stärkung geistiger Eigentumsrechte ins eigene Fleisch schneiden. Sie warnen, dass bereits der bisherige Ausbau insbesondere von Urheberrechten der Mehrheit der Kunstschaffenden mehr geschadet als genützt hat:
Global wie national wurden die Urheberrechte massiv ausgebaut, dennoch wurden die Arbeitsbedingungen und Lebensgrundlagen für freie Kulturschaffende immer schlechter. Wie kann das sein? Der Ausbau der Urheberrechte schafft neue Einkommensquellen, vor allem aber neue Kosten. Leider sind diese nicht gleichmäßig verteilt. Die zunehmend verschärfte und unübersichtliche Rechtslage nützt vor allem Großkonzernen und ihrem juristischen Personal. Kleine und unabhängige Produzenten hingegen sind in mehrfacher Weise benachteiligt. Für nicht industriell auf den Massenmarkt orientierte Produkte werden finanzielle und administrative Barrieren errichtet, die neue und experimentelle kulturelle Praxen schon im Keim ersticken.
Diese Dimension von Urheberrechten nicht nur als Einkommensquelle sondern auch als Kostenfaktor für Kunst- und Kulturschaffende ist in der Debatte in Deutschland bislang noch völlig unterrepräsentiert. Einer der Mitautoren des Gastbeitrags, Felix Stalder, hat sich aber bereits vor längerer Zeit etwas ausführlicher diesem Thema in einem englischen Beitrag für Eurozine gewidmet. Dessen angesichts der hitziger werdenden Urheberrechtsdebatte durchaus programmatischer Titel: “Relax!”
Der Beitrag steht unter der Lizenz CC BY-NC-SA: Leonhard Dobusch, Netzpolitik.org
4 Kommentare
1 Sophie am 26. Januar, 2012 um 22:17
Nachdem in der letzten Zeit so wahnwitzige Gesetzes Vorschläge wie Sopa / Pipa zur Sprache gekommen sowohl International als nun auch National wie ich heute erst gelesen hatte echt ein gutes Zeichen.
2 Peter W. am 27. Januar, 2012 um 13:39
Ich stimme der Kritik an der “Kunst hat Recht” Initiative vollauf zu, würde aber ein positiveres Fazit ziehen, denn obwohl es stimmt, dass die kleinen und unabhängigen Produzenten durch das Urheberrecht oft benachteiligt sind, so finde ich im Netz doch immer wieder viele experimentelle kulturelle Praxen, die sich eben nicht im Keim ersticken lassen, sondern mit offenen Lizenzen arbeiten und Werke schaffen, die viele andere nicht mehr hinzubekommen scheinen (weil sie ihre ganzen Ressourcen in Abwehrkämpfe stecken). Allein im Bereich der Literatur gibt es da Wunderbares zu entdecken. Etwa die Callasbox (http://etkbooks.com/edition/callasbox) oder den neuen Roman von Francis Nenik (http://www.the-quandary-novelists.com/xo/das-buch-kapitelweise-durcheinanderlesen/) Hier wurden und werden Experimente gewagt, die (vielleicht) finanziell nicht lukrativ sind, aber zu einer lebendigen Kultur mehr beitragen als jede Initiative von Besitzstandswahrer und Lobbyorganisationen.
3 Bera am 9. März, 2012 um 12:50
Dass Urheberrecht nicht immer vorteilhaft für Künstler ist, wird auch in folgendem Artikel über Internetabmahnungen bei Künstlern deutlich. http://bit.ly/x731As. Hier sieht man welche Folgen es haben kann, wenn Urheberrecht greift. Künstler dürfen nicht mal Zeitungs-Rezensionen auf ihrer Website veröffentlichen.
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