Überwachung oder Steuerung? Eine andere Sicht auf das chinesische Sozialkreditsystem
Das chinesische Social Credit System (SCS) nur als dystopisches Überwachungsszenario zu verstehen, das greife zu kurz und werde seiner Komplexität nicht gerecht. Zu diesem Schluss kommt Marc Püschel in seinem längeren Artikel für die Junge Welt. Zwar seien Skepsis und die Sorge vor umfassender Überwachung durch digitale Technologien nicht vollkommen unbegründet, doch zugleich lohne ein genauerer Blick auf die Hintergründe.
In der lesenswerten Bestandsaufnahme legt der Autor ausführlich dar, wie sich das SCS in China historisch entwickelt hat und welche politischen, gesellschaftlichen und technischen Voraussetzungen für seine Etablierung notwendig waren. Das SCS sei dabei nur als Ineinandergreifen von wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Elementen zu verstehen, das zukünftig durch Big Data-Analysemethoden noch komplexer werde.
Indirekt macht Püschel damit auf die heimischen Bewertungs- und Ratingtechnologien aufmerksam, etwa die Bonitätseinschätzungen der deutschen SCHUFA oder anderen Ratingagenturen – und natürlich auf datenkapitalistische Unternehmen wie zum Beispiel Facebook.
Interessant ist Püschel zufolge auch, dass das chinesische SCS als wirtschaftliches Anreiz-, Kontroll- und Steuerungsinstrument für Unternehmen dient, beispielsweise um bei Umweltverschmutzungen oder verspäteten Lohnzahlungen negative Sanktionen zu erteilen oder gezielt Wirtschaftsförderung zu betreiben – ein Aspekt, der seiner Ansicht nach in der hiesigen Berichterstattung zumeist unberücksichtigt bleibe.
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