Eigene Artikel erneut veröffentlichen: Portfolio kann zum Stolperstein werden
Viele Verlage verfolgen seit vielen Jahren sehr aufmerksam, was mit ihren Inhalten im Netz geschieht und ob Urheberrechte verletzt werden. Vor einigen Jahren etwa häuften sich Fälle, in denen der Süddeutsche Verlag und die FAZ Abmahnungen verschickten, wenn Artikel ohne Erlaubnis auf anderen Webseiten veröffentlicht wurden. Die Forderungen betrugen häufig 300 bis 500 Euro pro Artikel. So weit, so bekannt.
Immer wieder trifft es dabei auch Autorinnen und Autoren, die ihre eigenen, an Verlage gelieferten Artikel noch einmal zur Eigenwerbung auf ihrem Blog oder einer Webseite veröffentlichen. So erhielt eine freie Journalistin Anfang dieses Jahres eine Abmahnung, in der ein vierstelliger Euro-Betrag gefordert wurde.
Es ging dabei um ein ganzes Bündel von Artikeln, das die Journalistin online gestellt hatte. Die Abmahnsumme hätte sie leicht in Existenznot gebracht. Später einigten sich die Journalistin und der Verlag auf die Zahlung einer dreistelligen Summe. Aus Rücksicht auf die Beteiligten wird vom Fall hier nur anonym berichtet.
Nutzungsrechte an eigenen Artikeln
Sind solche Abmahnungen gegenüber Autoren und Journalisten gerechtfertigt? Zeitungs- und Zeitschriftenartikel sind meist urheberrechtlich geschützt. Ohne Erlaubnis des jeweiligen Rechteinhabers darf man sie nicht übernehmen und selbst veröffentlichen. Nur für manche Nachrichtentexte gilt die Ausnahme, dass sie gar nicht geschützt sind und weitgehend unbeschränkt verwendet werden können.
Die Autoren bleiben zwar immer Urheber ihrer Artikel, entscheidend ist aber, welche Verwertungs- oder Nutzungsrechte sie Verlagen eingeräumt haben und in welchem Umfang. Das muss nicht dazu führen, dass sie ihre eigenen Texte nicht mehr nutzen dürfen. Aber es kann.
Haben Journalisten „ausschließliche“ Nutzungsrechte eingeräumt, kann der Verlag jede Veröffentlichung des Werks an anderer Stelle verbieten – auch durch den Urheber selbst. Von solchen Fällen weiß der Hamburger Rechtsanwalt Stephan Zimprich. Zimprich berät im Auftrag des Journalistenverbands Freischreiber dessen Mitglieder und kennt eine Reihe solcher Vorkommnisse. (Offenlegung: Ich bin Mitglied des ehrenamtlichen Vorstands der Freischreiber.)
Verträge entscheidend – solange sie wirksam sind
Allerdings, erläutert Zimprich, muss in einem Vertrag zwischen Verlag und Autor etwa geregelt sein, in welchem Zeitraum ein Verlag die ausschließlichen Nutzungsrechte erhält, damit die jeweilige Abmachung rechtsgültig ist. In vielen Rahmenverträgen, wie sie etwa große Verlage standardmäßig ihren Autoren vorlegen, sei das auch geregelt. In dieser Zeit dürfen Autoren ihre Artikel dann weder anderen Verwertern anbieten noch ohne weiteres selbst veröffentlichen.
Es genüge auch nicht, wenn in einem Vertrag zum Beispiel von „sämtlichen Rechten“ die Rede sei, die der Verlag erhalte. Vielmehr müssten einzelne Nutzungsarten ausdrücklich aufgeführt werden. Etwa die Verbreitung in gedruckten Zeitungen oder Magazinen oder für bestimmte Online-Nutzungen. Sind bestimmte Nutzungsarten nicht ausdrücklich genannt, gibt der jeweilige Vertragszweck vor, wie weit der Verlag Rechte erhält.
Die meisten verbreiteten Verträge listen eine ganze Reihe unterschiedlicher Nutzungsarten auf. Valentin Döring, Medienjurist bei der Gewerkschaft Verdi, weist darauf hin, dass seine Organisation bereits erfolgreich gegen unklare, für die Autoren nachteilige Musterverträge vorgegangen sei: „Bei kollektiv auszuhandelnden Regelungen legen wir großen Wert darauf, dass die unterschiedlichen Nutzungsarten explizit berücksichtigt und möglichst gesondert vergütet werden.“
Im Zweifel entscheidet das Gesetz
Für Autoren und Autorinnen gilt es damit, zuerst den Vertrag oder die Vereinbarungen mit dem Verlag zu prüfen, bevor sie eigene Artikel erneut veröffentlichen: Welche Nutzungsarten und -rechte werden aufgeführt? Werden „ausschließliche“ (also exklusive) oder „einfache“ (nicht-exklusive) Nutzungsrechte eingeräumt?
Wenn Autoren keine solchen Vereinbarungen eingegangen sind oder keine genauen Regelungen dazu finden, dann gelten die gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechts. Sie finden sich vor allem in Paragraf 38 Urheberrechtsgesetz. Dabei unterscheiden sich die Regelungen für Zeitungen und Zeitschriften.
- So gilt für Zeitschriften und ähnliche Publikationen (sogenannte „periodisch erscheinende Sammlungen“), dass der Verleger oder Herausgeber im Zweifel ein „ausschließliches Nutzungsrecht“ erhält. Es berechtigt ihn laut Gesetz zur „Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung“ des Werks. „Verbreitet“ werden Werke auf Medien wie Papier, „öffentlich zugänglich“ gemacht im Internet. Erst nach einem Jahr darf der Autor seinen Text laut Gesetz anderweitig erneut veröffentlichen, gedruckt und online. Auch hier: Solange nichts anderes vereinbart ist.
- An Zeitungsbeiträgen dagegen erwirbt ein Verlag oder Herausgeber „einfache“ (nicht-exklusive) Nutzungsrechte, wenn es nicht anders vereinbart ist. Doch auch, wenn der Autor ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, darf er den Beitrag laut Gesetz „sogleich nach Erscheinen“ anderweitig vervielfältigen und verbreiten. Allerdings: Nicht genannt wird an dieser Stelle im Gesetz, dass der Autor den Text auch im Internet „öffentlich zugänglich“ machen darf. Das läuft darauf hinaus, dass Autoren ihre Zeitungsartikel nur auf der eigenen Website verwenden können, wenn es eine Erlaubnis oder Vereinbarungen dazu gibt.
Spezielle Regelungen: Arbeits- und Tarifverträge, wissenschaftliche Beiträge
Daneben gibt es weitere häufige Konstellationen, die darüber entscheiden, ob und wann Autoren eigene Artikel erneut veröffentlichen dürfen: Arbeiten Autoren für Rundfunksender, greift meist ein Tarif- oder Rahmenvertrag, der auch Regelungen zu den Nutzungsrechten enthält. Ihnen bleibt dann mitunter wenig Raum für eigene Verwendung. Wer für Buchverlage schreibt, wird meist für längere Zeit auf Nutzungsrechte verzichten oder Sonderregeln aushandeln müssen.
Auch fest angestellte Redakteure sind normalerweise durch den Arbeitsvertrag verpflichtet, ihrem Verlag oder Sender weitgehende Nutzungsrechte einzuräumen, sodass sie über ihre Beiträge nicht mehr frei verfügen können. Solche Regelungen in Tarifverträgen betreffen dann oft auch die sogenannten „festen Freien“. Autoren wissenschaftlicher Beiträge haben es manchmal leichter, seit 2014 gibt es für sie spezielle Regelungen zur Zweitveröffentlichung.
Eigene Artikel im Portfolio veröffentlichen: Fünf Tipps
- Bevor Autoren eigene Artikel erneut veröffentlichen, sollten sie zuerst in Autoren- oder Verlagsvereinbarungen, Rahmen- oder Tarifverträgen nachsehen, welche Nutzungsrechte sie wofür und wie lange eingeräumt haben.
- Es empfiehlt sich für Autoren, schriftlich mit Verlagen zu vereinbaren, dass sie ihre Werke auf der eigenen Webseite oder für Eigenwerbezwecke veröffentlichen dürfen. Ansonsten gelten die beschriebenen Regelungen, die online nur begrenzt Raum für eigene Verwendung lassen.
- Wer komplette Magazin- oder Zeitungsseiten veröffentlichen will, sollte darauf achten, ob fremde Texte, Fotos oder Illustrationen zu sehen sind und sie gegebenenfalls unkenntlich machen. Auch Koautoren eines Beitrages müssen bei einer Veröffentlichung gefragt werden.
- Manche Verlage meinen, dass ihr Markenrecht verletzt wird, wenn Autoren die Bildmarke der Publikation verwenden. Im Zweifel können Autoren die Publikation nennen und nur den nackten Text online stellen.
- Auch die Veröffentlichung von längeren Textauszügen kann manchmal problematisch sein. Das Zitatrecht gilt nur unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn mit dem Auszug eigene Ausführungen erläutert werden und die Länge verhältnismäßig bleibt.
1 Kommentar
1 Julia Stellmann am 7. Mai, 2021 um 15:49
Vielen Dank für den spannenden Artikel! Hat mir sehr weitergeholfen! Eine Frage hätte ich aber noch: Muss eine Zweitveröffentlichung eigener Beiträgen, die unentgeltlich für Online-Magazine oder Blogs geschrieben wurden, ebenfalls vorher abgeklärt werden?
Was sagen Sie dazu?