iRights singt ein Ständchen
Freitag, 10 Uhr, Teamsitzung im Raum Snowcrash des iRights-Headquarter. Tagesordnungspunkt: Termine. Der Deutsche Juristentag diskutiert übers Urheberrecht, Netflix kommt, die EU-Kommission benennt neue KommissarInnen. So weit, so alltäglich. Aber: Wikimedia Deutschland wird 10. Da muss man doch was machen! Zum Beispiel: Den Kolleginnen und Kollegen ein Ständchen singen. Kein Problem. Zumindest, wenn man nicht allzu lange drüber nachdenkt…
Der Song ist schnell gefunden, (Musik-)Redakteur und Hardcore-Prince-Fan Henry erklärt sich bereit, den Text umzudichten. Aufnehmen geht mit dem Smartphone, Schnitt auf dem PC, wir leben schließlich im Jahr 50 nach Beginn der Digitalisierung (gefühlt). Sogar ein Termin ist gefunden, spät zwar, zwei Tage vor der Feier, aber das ist ja kein Problem. Denken wir.
Der Tag kommt; immerhin haben sich acht iRightsler eingefunden, die keine Angst davor haben, sich für Wikimedia öffentlich zum Horst zu machen. Frauen- und Männerstimmen sind gleich verteilt. Das muss ja ein Erfolg werden. Kurze Frage in die Runde: Wie zeigen wir Wikimedia denn dann eigentlich das Video?
Betretenes Schweigen.
Dann: Naja, die Rechte an dem Song haben wir nicht. Aber ist ein Cover, das wir da machen. Für die 100 Euro Lizenzgebühren für die Cover-Version können wir doch den Hut rumgehen lassen.
Popkulturbeauftragte Valie, die gerade das iRights-Buch Generation Remix herausgegeben hat, wendet ein: Das ist keine Cover-Version, das ist eine Bearbeitung, wir singen das Lied schließlich mit neuem Text. Dafür braucht man die Zustimmung der Rechteinhaber.
Bekommt man die nicht auch bei der GEMA?
Nee, sagt Valie. Beim Autor. Oder seinem Label. Oder wer auch immer die Rechte hat. Und das könnte jeder sein.
Oh Mann, wir wollen das doch nicht auf CD verkaufen!
Nützt nix.
Aber wir müssen doch auch noch das Video schneiden und bearbeiten!
Nützt nix.
Ok. Henry, guck doch mal, wer das lizenzieren kann.
Grummel. Mach’ ich.
Matthias schneidet, bearbeitet und untertitelt, Henry recherchiert.
Um 14:39 Uhr die erste Mail von Henry:
Hi Matthias,
der Komponist der Titelmelodie, Christian Bruhn, lebt noch (wird im Oktober 80) und ist ein echter Titan der deutschen Musikbranche. Der hat mehr Schlager-Hits und TV-Serien-Ohrwürmer geschrieben als Dieter Bohlen und Ralph Siegel zusammen. Zudem hat er eine sehr gut aufgeräumte und technisch recht aktuell gebaute Webseite (mit viel Multimedia-Content) http://www.christianbruhn.de/cb/soundtracks-film-tv/ und scheint ohnehin noch gut beieinander.Noch habe ich nicht herausgefunden, ob er die Rechte an der Komposition überhaupt noch hat oder haben könnte, diese Recherche kommt jetzt dran.FRAGE:Gleichwohl frage ich mich: Soll ich ihn mit unserer Anfrage, das Lied in einem Video (mit anderem Text) singen zu dürfen überhaupt belästigen – oder wollten wir lediglich den Pfad nachzeichnen, den wir gehen müssten, um das Video online zu stellen (ohne ihn wirklich zu gehen)?Indes sind noch die Rechte für dieses Karoake-Kling-Kling zu klären, wofür ich jedoch am wenigsten Chancen sehe. Aber ich probiere es.Gruß, Henry
Öh. Äh. Mh. Weitermachen!
Matthias schneidet, bearbeitet, untertitelt, Henry recherchiert.
Um 17:24 die nächste Mail von Henry:
Hallo Matthias und Jan,
folgendes habe ich zum Wickie-Lied herausgefunden:1) Der Komponist ist bekannt, lebendig und via Web (offenbar) erreichbar.2) Der (Haupt-)Rechteinhaber ist (wohl) ein Musikverlag in München, er bewirbt die Lizenz aktiv.3) Die Rechte an der TV-Serie (sowie Derivaten, Merchandising-Rechten und mehr hat (offenkundig) eine Vermarktungs-, Vertriebs- und Produktionsform in München, auch sie arbeitet aktiv mit der Lizenz, vertreibt sowohl die alte 2D-Trickfilmserie, wie sie auch eine neue 3D-Anime-Serie samt Kinofilm produziert/erstellen lässt und vermarktet; dies alles KÖNNTE bedeuten, dass sie auch die Rechte am Titelsong hat, wenn es um Video (generell) geht, dazu müsste aber der Musikverlag mehr sagen können.4) Zu den Produktionsfirmen der (in Japan als Auftragsarbeit hergestellten) Trickfilmserie gehörte damals das ZDF, das auch zu den ausstrahlenden Sendern und damit (vorübergehenden) Inhabern von Sendelizenzen gehört.Natürlich sind damit nicht alle Fragen geklärt, denn die Anfragen bei den genannten Firmen/Personen könnten zu Tage fördern, dass es (weitere/mehrere) Sub-Lizenzen oder Sonder-Regelungen gibt …Bevor ich da Zeit reinstecke, meine Fragen/Bitte um Antwort oder Mithilfe:A) Sollen wir uns jetzt wirklich bei diesen Stellen nach den Rechten für unser Geburtstagsliedchen als Video im Web erkundigen? (Quasi Angebote einholen?)B) Welche Erkundigungen oder Anmeldungen wären noch erforderlich?GEMA, GVL und weitere?Was denkt ihr?Thanx, Gruß, Henry
Öh. Äh. Mh. Mmmhhhh.
Matthias schneidet. Und zwar den Ton raus.
War eigentlich ‘ne schöne Idee. Aber worüber sollen wir uns jetzt mehr ärgern – dass wir, die Urheberrechtsexperten, nicht daran gedacht haben, dass man nicht einfach so einen Remix machen und veröffentlichen kann? Oder dass man im Jahr 50 nach dem Beginn der Digitalisierung nicht einfach so einen Remix machen kann?
Wir beschließen, uns gar nicht zu ärgern. Sondern uns darüber zu freuen, dass jetzt jeder von uns seinen Freunden und seiner Familie das Video auf dem Smartphone zeigen kann. Darüber, dass wir einen Riesenspaß hatten. Und darüber, dass wir eine kuriose Geschichte mehr zu erzählen haben. Ach so, und natürlich darüber, dass der eine oder andere bei Wikimedia sich vielleicht auch darüber freut. Ohne Ton. Aber das muss nicht das schlechteste sein.
Hier also der Rechtskonform-Remix
Und für die, die jetzt noch keine Vorstellung davon haben, wie’s geklungen hätte, hier ein kleiner Tipp:
Was sagen Sie dazu?