Geistiges Eigentum ist eben auch ein Eigentum
Ein Debattenbeitrag im Rahmen der Sendereihe „U-Ton. Urheberrecht im Digitalen Zeitalter“.
„Sharing is caring“ hörte ich bei einem Symposium über Urheberrecht.
Als Urheberin stelle ich also alles zur Verfügung – „sharing“ – und wenn es der Konsumentin gefällt, schickt sie mir dafür etwas – das ist dann „caring“? Wie? Ich bekomme 2 Euro? Vielleicht… oder auch nicht. Mit der Post oder soll ich meine Kontonummer gleich mitveröffentlichen?
Aber im Ernst: Die Urheberrechtsdebatte läuft gegen die Urheber, die noch dazu von „bösen“ Verwertungsgesellschaften vertreten werden. Natürlich passt es mir auch nicht, dass Großverwerter abkassieren, und den eigentlichen Urheber am Ende der Nahrungskette nur wenig bleibt. Aber warum arbeitet man nicht an einer gerechteren Verteilung der Abgeltungen, sondern will sie ganz abschaffen, damit der Urheber das Wenige, was er bisher einnehmen konnte, nicht bekommt?
Ich als Urheberin soll alles teilen. Gratis natürlich, und wer meine Arbeit konsumiert oder für die eigene Arbeit verwendet, wird es mir danken. Eventuell. Leben kann ich dann wohl von einer anderen Arbeit, denn auch ich muss meine Miete zahlen.
Erschreckende Unkenntnis der künstlerischen Realität
Ich versuche, geförderte Filme zu machen. Und die sollen nach einigen Vorschlägen allen gehören. Das schlagen sogar manche Politiker oder Experten vor, die aus öffentlichen Geldern ihr Gehalt beziehen. Gehören mir dann ihr Haus oder ihr Auto? Weil sie aus öffentlichen Geldern, Steuern, bezahlt wurden? Und Firmen, die vom Staat unterstützt werden oder die Steuernachlässe bekommen, erzeugen die Güter zum allgemeinen Gratisgebrauch? Warum sollen gerade Urheber für die Nutzung ihrer Arbeiten nichts bekommen?
Die Vorstellung, dass mit einer Förderung alle Ausgaben abgegolten werden und ein üppiges Honorar dabei abfällt, zeugt von einer erschreckenden Unkenntnis der künstlerischen Realität: Dass für eine Einreichung Vorarbeiten notwendig sind, die niemand bezahlt, dass es bei jeder Filmproduktion einen Eigenmittelanteil von mindestens 20 Prozent gibt – und dass man bei den Low-Budget-Filmen, die Leute wie ich machen, eher auf Honorare verzichtet und eigenes Geld (das man eigentlich nicht hat) in die Produktion steckt, davon spricht niemand. Ich vermute, dass jene, die diese Vorschläge machen, sich vorstellen, dass geförderte Kunst zu machen, ein Leben in Saus und Braus bedeutet. Dass große Teile der Arbeit an einem Film nicht entlohnt werden können, davon spricht niemand.
Verantwortung für die Dargestellten
Es gibt aber noch einen wichtigen Aspekt, abseits vom Monetären, der völlig außer Acht gelassen wird.
Ich mache Dokumentarfilme. Leute, über die ich drehe, verlassen sich darauf, dass sie erstens nur in dem Film vorkommen werden, für den sie schriftlich – per Vertrag – ihr Einverständnis gegeben haben, und dass ich nichts tue, was ihnen irgendwie schaden könnte. Ich habe beispielsweise zwei lange Dokumentarfilme über eine Roma-Großfamilie in einer Elendssiedlung in der Ostslowakei gemacht. Die Familie kannte mich schon lange, sie vertraute mir, und ließ mich alles filmen was ich wollte. Als dann der Film „Romane Apsa – Zigeunertränen“ im Kino lief, erreichte mich ein Mail einer Frau, die – nach eigenen Worten – auch einen Film über Roma machen wollte. Sie wollte eine DVD haben, um mein Material verwenden zu können. Sie schrieb, sie habe keine Lust in die Ostslowakei zu fahren.
Abgesehen davon, dass es nicht reicht, „einfach hinzufahren“ und dann werden die Leute sich schon bereitwilig „drehen lassen“: Zum Zeitpunkt des eigentlichen Drehs hatte ich drei Jahre Recherche und Vertrauensbildung geleistet, alles auf eigene Kosten. Hätte ich mein Material zur Verfügung gestellt, würde ich keine Kontrolle mehr über die Art der Verwendung haben.
Die genannten Darsteller könnten sich vielleicht in einem rassistischen Machwerk wieder finden. Oder im Fall einiger österreichischer Schauspielerinnen, deren Nacktszenen sich im Internet auf Pornoseiten wiederfinden. Aber wir brauchen gar nicht so weit zu gehen. Eine Schauspielerin wird für die Arbeit an einem Film mit einem bestimmten Drehbuch und einem bestimmten Regisseur vertraglich verpflichtet. Und dann taucht sie in einem anderen neuen Filmwerk auf, mit dem sie gar nicht einverstanden ist, in einem Zusammenhang, der ihr nicht passt. Die Argumentation, dass alles was im Internet herum schwirrt, müsse auch frei sein für die Verwendung in Remixes und Mashups, ignoriert, dass jeder – Filmemacher oder Darsteller – das Recht haben muss, über die Verwendung des eigenen Bildes, der eigenen Arbeit zu bestimmen.
Das geistige Eigentum ist auch ein Eigentum, wenn auch immateriell
Es ist schwierig genug, die Finanzierung eines Films auf die Beine zu stellen. Wieso soll jemand, der sich diese Arbeit – und die Kosten – ersparen will, das Recht haben, diese Arbeit für sich zu verwenden, einfach nur deshalb, weil es von jemandem hochgeladen wurde, weil es im Netzt ist, weil es greifbar ist?
Werden jene, die „sharing is caring“ rufen, ihre Wohnung mit mir teilen, wenn ich die Miete nicht mehr zahlen kann? Weil ich für die Verbreitung meiner Arbeit kein Entgelt mehr bekomme? Für mich kommt es einer Enteignung gleich, denn das geistige Eigentum ist auch ein Eigentum, nur eben immateriell.
Und noch etwas: Ich werde mich dafür, dass ich für meine Arbeit bezahlt werden will, und dass ich von jenen, die die Arbeit konsumieren etwas für diesen Genuss haben will, nicht entschuldigen. Ich lasse mir kein schlechtes Gewissen einreden. Ich finde Argumente wie: Dann können Kinder im Kindergarten kein Theaterstück aufführen, oder: Die armen Kinder in Afrika haben auch ein Recht auf Bildung absurd. In Österreich gibt es ein Recht auf Privatkopie. In Wirklichkeit geht es aber um viel Geld – Geld, das sicher nicht bei uns, den Urhebern der Werke, landet, sondern eher bei diversen Kim dot.coms. Ich will, was mir für meine Arbeit zusteht.
Zuzana Brejcha ist als Cutterin bei zahlreichen Filmproduktionen tätig. Sie ist Vorstandsmitglied im Dachverband der österreichischen Filmschaffenden sowie Vertreterin desselben im Filmrat. Des Weiteren sitzt sie im Beirat des „Team 4“-KünstlerInnenservices. Brejcha war Vorstandsmitglied im Kulturrat Österreich und ist seit 2007 Vertreterin desselben im European Council of Artists. Sie lebt und arbeitet in Wien.
Die Audiodatei steht unter folgenden Lizenzen: Wortbeiträge CC BY-NC-ND 3.0 AT (nicht-kommerziell, keine Bearbeitung); Musik: Musik für Klavier c-moll (1998, rev. 2013) von Joachim Losehand CC BY-NC-SA 3.0 AT (nicht-kommerziell, Weitergabe unter denselben Bedingungen)
2 Kommentare
1 Thomas Leske am 4. Dezember, 2013 um 00:11
“Ich will, was mir für meine Arbeit zusteht.”
Niemandem steht durch Arbeit etwas zu, wenn er es nicht vertraglich vereinbart hat.
2 Verena am 11. September, 2021 um 20:47
Dass das Stehlen geistigen Eigentums mit einer Enteignung gleichgestellt werden kann, ist tatsächlich plausibel. Schließlich sind die Eigentümer darauf angewiesen, dass ihre Ideen, aus denen sie Profit schlagen, nicht kopiert werden. Sehen sich Eigentümer jedoch in ihrem Urheberrecht verletzt, so können sie sich an einen Anwalt wenden, welcher sich mit gewerblichem Rechtsschutz fachlich auskennt.
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