Warnhinweise: Six-Strikes-System startet in den USA
Angekündigt wurde es schon im Sommer 2011, immer wieder wurde der Start dann wegen neuer Schwierigkeiten verschoben. Diese Woche startet das „Six-Strikes”-System gegen Urheberrechtsverletzer beim Filesharing nun wirklich, wie das neu gegründete „Center for Copyright Information” (CCI) bekannt gegeben hat, ein Zusammenschluss von Rechteinhabern und Providern.
Worum es bei dem Modell – offiziell „Copyright Alert System” genannt – geht: Rechteinhaber suchen im Netz nach Urheberrechtsverletzungen ihrer Werke, Provider schicken abgestufte Warnhinweise an ihre Kunden. Später folgen dann weitere Sanktionen, allerdings ohne dauerhafte Zugangssperren wie etwa beim französischen Hadopi-Modell.
Wie das System im Detail funktionieren wird, ist noch nicht in jedem Fall bekannt, von Provider zu Provider kann es unterschiedlich implementiert werden. AT&T etwa will häufig besuchte Webseiten sperren (zum Beispiel Facebook) und die Nutzer zu einer Art Copyright-Crashkurs verpflichten, andere Provider wollen das Surfen verlangsamen oder temporär abstellen.
Das CCI erklärt die Funktionsweise selbst so:
In einem Blogpost zum Start will die Chefin des neuen „Copyright Information Center”, Jill Lesser, das neue System als modellhaften „kooperativen Multistakeholder-Ansatz” verstanden wissen. Im Beirat des Zentrums sitzt mit Gigi Sohn, Chefin und Mitgründerin der NGO Public Knowledge auch eine Vertreterin der Zivilgesellschaft. Sie schreibt in einem Blogpost, das neue System sei schon wegen der Mitwirkung der Provider, die ihre Kunden nicht verlieren wollen, relativ ausgewogen.
Dennoch äußerte sich Public Knowledge auch deutlich kritisch zum neuen System. Vizechef Sherwin Siy beschrieb es mit den Worten:
It’s like a privately funded Kafka novel. You have a nongovernmental bureaucracy on top of the public one.
Ähnlich Corynne McSherry von der Electronic Frontier Foundation gegenüber dem Guardian: Das System sei teuer, treffe vor allem Gelegenheits-Filesharer und komme einer Art Privaturheberrecht ohne Interessenausgleich nahe. Auch sei das von der Copyright Alliance entwickelte „Curriculum” einseitig an den Vorstellungen von Urheberrechtsmaximalisten orientiert, so die EFF.
Dem ersten Eindruck nach ist das neue Six-Strikes-System – verglichen mit früheren Strategien der Rechtsdurchsetzung – tatsächlich vergleichsweise freundlich, möglicherweise aber auch relativ wirkungslos. Es wirkt wie das Abbild einer Pattsituation, in der die Rechteinhaber keine drakonischen Maßnahmen mehr durchsetzen können, die Provider das Ärgste verhindern, die Industrie aber noch glaubt, ihre Nutzer erziehen zu müssen.
Kollateralschäden werden allerdings für kleinere öffentliche WLAN-Anbieter befürchtet, die Internetzugänge nicht über spezielle Dienstleister, sondern einfache Endkunden-Anschlüsse bereitstellen. Offen ist natürlich auch, wie gut das System in der Praxis überhaupt funktionieren wird. Automatisierte Prozeduren haben ihre Tücken, wie etwa die „Takedown”-Benachrichtigungen mit ihren regelmäßigen (und manchmal unterhaltsamen) Fehlalarmen zeigen.
Falls sich Urheberrechtsverletzungen weiter von Torrent-Netzwerken auf Filehoster verlagern und Filesharing-Nutzer neue Werkzeuge finden – viele werden jetzt wohl VPN buchstabieren lernen – könnte das neue Warnsystem die eigene Wirkungslosigkeit noch beschleunigen.
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