Neue Publikation: „Digitalpolitik – Eine Einführung“ erläutert Themen, Akteure und Foren
Eine neue Publikation von iRights.international und Wikimedia Deutschland gibt Entscheidungsträgern aus Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft einen Überblick über die Themen, Akteure und Foren, die die digitale Dimension des Politischen beeinflussen.
Politik hat eine digitale Dimension: Gesundheit, Verkehr, Presse und Öffentlichkeit, Urheberrecht, Sicherheit, Arbeit, Grundrechte, Wirtschaft und Finanzen – alle Felder sind davon betroffen. Gesetze müssen angesichts der Entwicklungen auf nationaler oder auf EU-Ebene angepasst werden. Doch die politischen Argumente und Agenden des digitalisierten Zeitalters werden in Foren abseits der Bundestags- und Kabinettsdebatten ausgetauscht und geschmiedet.
So entscheiden Standardisierungsgremien auf internationaler Ebene über die technische Gestaltung von Dienstleistungen und Prozessen weltweit, die dann sowohl in der Wirtschaft, als auch in Politik und Verwaltung eingesetzt werden. Im UN-mandatierten Internet-Governance-Prozess verständigen sich verschiedene Akteure (Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, technische Community) auf Best Practices, die in nationale Gesetzgebung einfließen. Damit sind auch diese Gremien und Foren Teil der Regulierungsprozesse. Es findet eine Verschiebung der Akteure und Strukturen statt, in denen politischen Entscheidungen und Meinungen durchgesetzt werden.
Die digitale Dimension im Politischen hat eine eigene Akteurs- und Forenlandschaft, die bisher nur in Fachforen präsent ist. Entscheider in Deutschland, die sich auf spezifische politische Themen fokussieren, müssen diese Akteure und Gremien kennen und verstehen, wollen sie neue Themen, Risiken und Chancen erkennen, ihre Strategien effektiver gestalten und den Prozess der Meinungs- und Entscheidungsbildung prägen. Einführung in die Digitalpolitik“ (PDF) erläutert verständlich und praxisorientiert, wo diese digitale Dimension der Politik stattfindet, wer sie vorantreibt, und wie man sie mitgestalten kann.
Algorithmen und künstliche Intelligenz
Speicher- und Rechenkapazität ermöglichen die Ausbreitung von Automatisierungsprozessen. Automatisierung war lange Zeit im Finanzsektor (Aktienhandel), in der Industrie (Robotik) und in den Wissenschaften zu finden. Mit der durchgehenden Digitalisierung der Gesellschaft verbreiten sich Algorithmen und Automatisierungsprozesse in Verwaltung und allen Wirtschaftszweigen. Das Spektrum der involvierten Interessensgruppen und der Regelungsbedarf sind exponentiell gestiegen.
Breitbandausbau
Der Ausbau von Breitband-Internetverbindungen ist ein umstrittenes Thema – sowohl auf politischer, als auch auf technischer Seite. Während die Bundesregierung in ihrer Digitalen Agenda flächendeckende Anschlüsse mit 50 Mbit/s als Breitbandziel ausgibt, verlangen Verbände und Netzaktivisten einen flächendeckenden Glasfaserausbau und symmetrische Datenraten von 1 Gbit/s im Up- und Downstream. Nicht nur Telekommunikationsunternehmen prägen die Diskussionen, sondern auch Online-Plattformen und Non-Profit-Organisationen.
Cybersecurity
Der technische – und damit grundlegendste – Aspekt von Cybersicherheit liegt seit der Entstehung des Internets in den Händen von Ingenieuren. Diese haben sich immer international in losen Netzwerken ausgetauscht. Digitale Notfallteams für Organisationen oder ganze Länder, sogenannte Computer Security Incident Response Teams (CSIRTs), kooperieren seit Ende der 1980er Jahre miteinander, um das Internet gegen Cyberangriffe zu verteidigen. Auch in internationalen Standardisierungsgremien und in großen Technologiekonzernen setzen technische Experten Standards, um das Internet sicherer zu machen. Cybersicherheit ohne Einbeziehung nicht-staatlicher Akteure wird zunehmend unmöglich.
Datenpolitik und Datenschutz
Aus dem Datenschutzkontext ist das Politikfeld Datenpolitik entstanden. Ein neues Feld, das sich nicht nur dem Datenschutz widmet, sondern den gesamten politischen und ökonomischen Kontexten des Datenmanagements und der Datenverarbeitung. Es erfasst ebenfalls die Frage, ob Daten als Entgelt oder als Eigentum betrachtet werden sollten und erweitert den Kreis der bisherigen Interessensgruppen und Foren, die sich dem Datenschutz gewidmet haben.
Internet der Dinge (Internet of Things, IoT)
Schon auf Regierungsebene zieht sich das Internet der Dinge als Querschnittsthema durch mehrere Ministerien, die die Etablierung und Weiterentwicklung von Regulierungen maßgeblich vorantreiben: Datenschutz, Verbraucherschutz, Wettbewerbsrecht, technische Sicherheitsstandards und noch weitere Gesetzesvorhaben und Co-Regulierungen stehen im Fokus verschiedenster Interessensgruppen. Sie führen weitgehend unkoordiniert primär auf EU- und internationaler Ebene Diskussionen und treffen Entscheidungen zu Standardisierung, Marktregeln und Menschenrechten.
Intermediäre
Der Zugang zum Internet ist die Voraussetzung dafür, online aktiv zu sein, zu kommunizieren oder einzukaufen. Zugang alleine reicht aber nicht: Eine diverse Gruppe von Akteuren ermöglicht es uns erst, das Internet sinnvoll zu nutzen: die Internet-Intermediäre. Sie verbinden User mit dem Internet, hosten und indexieren Inhalte, ermöglichen das Suchen, vermitteln Angebote Dritter, ermöglichen Käufe und Zahlungen. Gleichzeitig können allgemeine Geschäftsbedingungen und Community-Guidelines nationales und regionales Datenschutzrecht unterlaufen oder die Meinungsäußerungsfreiheit einschränken. Die Formen der Regulierung und Praktiken bei Intermediären sind vielfältig und stehen nicht selten in Konflikt zueinander.
Netzneutralität
Netzneutralität erfasst mehr als bloß die Neutralität der „Kabel“: etwa Medienpolitik und die Priorisierung von Inhalten, Infrastrukturgewährleistung und daran anknüpfend die Frage der Innovationspolitik.
Urheberrecht
Die Frage der Verwertung im digitalisierten Zeitalter ist seit Anfang der Kommerzialisierung des Internets eines der Themen, die das disruptive Potential des Internets bei Regulierungsfragen verdeutlichen: freie und Open-Source-Software, Creative Commons und andere freie Inhalte waren Entwicklungen, die nicht durch die Gesetzgebung intendiert und staatlich gefördert wurden. Sie waren eine Reaktion von Teilen der Wirtschaft und Zivilgesellschaft auf das Urheberrechtsregime.
Autoren
Jürgen Geuter, Ralf Grötker, Jörg Heidrich, Lorena Jaume-Palasí, Matthias Kettemann, Paul Klimpel, Julia Pohle, Martin Schallbruch, Isabel Skierka, Matthias Spielkamp
„Digitalpolitik – Eine Einführung“, herausgegeben von Lorena Jaume-Palasí, Julia Pohle und Matthias Spielkamp, wurde veröffentlicht von Wikimedia Deutschland und iRights.international mit freundlicher Unterstützung von ICANN.
Eine Printfassung ist auf Anfrage bei politik at wikimedia.de erhältlich.
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