„Bei Bedarf erledigt die Arbeit die Regelstruktur“: Was man über die Öffentlich-Rechtlichen erfährt, wenn man nach Creative Commons fragt

Arbeitsame Regelstruktur oder träges Gefüge? Bild: Mikael Hvidtfeldt Christensen, CC BY
Am 18. Februar bat Simon Weiß, für die Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, den Senat um Auskunft dazu, wie er den Bericht der Arbeitsgruppe „Creative Commons in der ARD“ bewertet. Bei aller Klage über mangelnde Staatsferne der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hat der Senat dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) zwar nichts zu sagen, geantwortet hat er dennoch.
Die Fragen hat der Senat aber folgerichtig nahezu komplett an den RBB weitergegeben. Aus der jetzt veröffentlichten Antwort (PDF) erfährt man, dass sich die Onlineredaktionskonferenz des RBB im März 2014 mit dem Bericht befasst habe. Unter welcher Fragestellung, mit welchem Ziel, mit welchem Ergebnis, erfährt man hingegen nicht. Allerdings erfährt man weiterhin, dass das
Justitiariat des rbb […] mit Fragen zu konkreten Umsetzungsvorhaben im Zusammenhang mit CC-Lizenzen bisher nicht betraut [war], sondern nur mit allgemeinen Fragen nach den rechtlichen Voraussetzungen von CC-Lizenzen. Der Rundfunkrat des rbb hat sich nicht mit den Ergebnissen des Papieres [sic] beschäftigt.
Das ist ja auch schon mal eine Auskunft. Es ist also seit dem Bericht vor einem Jahr beim RBB nichts passiert. So kann man Empfehlungen auch umsetzen.
Wer jedoch ein wenig Übung darin hat, Anfragen zu formulieren, kann eventuell auch noch weitere Informationen herauskitzeln. Folglich fragt Weiß:
Sollte der rbb bisher noch keine CC-Lizenzen verwendet haben, welche Gründe waren für die Nicht-Nutzung ausschlaggebend?
Und die Antwort auf diese Frage ist dann schon aufschlussreicher:
Wie aus dem Papier der AG Creativ [sic] Commons hervorgeht, ist die urheberrechtliche Umsetzung eines Creativ [sic] Commons-Angebotes aufwändig. Standardmäßig erwirbt der rbb die Rechte an den von ihm eingesetzten Produktionen für Rundfunkzwecke. Eine Freigabe im Rahmen der CC-Lizenz setzt jedoch voraus, dass der rbb auch das Recht erwirbt, eine Produktion an Dritte zur weiteren Verwendung von Nutzungszwecken freizugeben, die nichts mit Rundfunk zu tun haben. Hierfür muss die Einwilligung der betroffenen Rechteinhaber eingeholt werden. Sofern ein Rechteinhaber nicht ausdrücklich mit einer kostenfreien Nutzungsrechtsfreigabe für außerrundfunkmäßige Zwecke einverstanden ist, ist er nach den Grundsätzen der angemessenen Vergütung zusätzlich zu vergüten.
Nun kann man von diesem Argument halten, was man will, es wird von den Produzenten der Inhalte mit Vehemenz vorgebracht. Heißt: Wenn die Sender Inhalte nicht unter CC-Lizenzen veröffentlichen, sind die Zuschauer sauer. Wenn sie aber den Produzenten die Rechte dafür abknöpfen, Inhalte unter Creative-Commons-Lizenzen veröffentlichen zu können, sind die Produzenten sauer. Und damit nicht genug:
Die Klärung und der Erwerb der Rechte für eine Verbreitung unter CC-Lizenz können insofern – insbesondere wenn viele Rechteinhaber beteiligt sind – erhebliche Zusatzaufwände und -kosten verursachen. Die Intendanten der ARD haben sich vor diesem Hintergrund auf einer Sondersitzung im Oktober 2014 in einer gemeinsamen Beschlussfassung dafür ausgesprochen, den Einsatz von Creativ [sic] Commons-Lizenzen im Einzelfall zu unterstützen, sofern die damit verbundene Mehrarbeiten von den Redaktionen erbracht werden können.
Nicht nur Zuschauer und Produzenten sind sauer, sondern auch noch die Mitarbeiter. Weil sie nämlich Zusatzaufwände (Plural! Offenbar gleich mehrere) leisten sollen. Das macht natürlich niemand gern. Wobei: Vielleicht sind die Mitarbeiter gar nicht sauer. Zusatzaufwände sind im öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Allgemeinen nur gegen Zusatzhonorare zu bekommen. Und da es kein Geld für Zusatzhonorare gibt, gibt es auch keine Zusatzaufwände. Und wo keine Zusatzaufwände, da keine Creative-Commons-Inhalte.
Es ist also so, wie wir uns das immer vorgestellt haben: Im Topf der Öffentlich-Rechtlichen mit insgesamt 7.681.218.209,65 Euro (2013) ist nicht genug Geld für CC-lizenzierte Inhalte.
Das ist bitter. Doch wer genau hinschaut, darf Hoffnung schöpfen. In den Auskünften des RBB verbirgt sich die Lösung. Die Antwort auf Frage 5 b) – “Gibt es innerhalb des rbb eine Arbeitsgruppe, die mit dem Thema betraut ist?” – lautet:
Nein, bei Bedarf erledigt die Arbeit die Regelstruktur.
Die Regelstruktur! Erledigt. Die Arbeit. Da haben wir die Lösung doch am Wickel. Irgendwie muss es dem RBB lediglich gelingen, die Arbeit, die zur CC-Lizenzierung notwendig ist, der Regelstruktur aufzuhalsen. Schon wird sie ohne Mehrkosten erledigt. Falls die Regelstruktur keinen Betriebsrat hat, der sich dagegen wendet.
2 Kommentare
1 dot tilde dot am 19. März, 2015 um 19:54
“cc-lizenz” ist stets eine einladung, nachzufragen, welche gemeint sei. und ohne diese möglichkeit ein qualitätsmerkmal.
.~.
2 David Bernet am 20. März, 2015 um 06:41
Die entscheidende Antwort des rbb ist diese:
“Eine Freigabe im Rahmen der CC-Lizenz setzt jedoch voraus, dass (…) ein Rechteinhaber(…) ausdrücklich mit einer kostenfreien Nutzungsrechtsfreigabe für außerrundfunkmäßige Zwecke einverstanden ist.”
Das bedeutet, dass der Sender einfach nicht bereit ist, für den Erwerb der zusätzlichen Rechte zu zahlen. So simpel.
Was viele nicht wissen ist, dass die Sender sich an der Mehrhreit der Produktionen, die von unabhängigen Urhebern hergestellt werden, nur als Ko-Finanzierer oder Ko-Produzenten beteiligen. Sie erwerben damit auch nur einen Teil der Verwertungsrechte (Zum Verständnis: Urheberrechte kann man nicht erwerben, aber die Rechte an deren Verwertung). Die Sender versuchen zwar dennoch in Verhandlungen standardmäßig möglichst alle Verwertungsrechte zu erstreiten, aber eben gratis.
Creative Commons Lizenzen sind also erst dann möglich, wenn die Urheber ihre Investitionen wieder reingeholt haben. Denn so gut wie keine deutsche Produktionsfirma ist in der Lage, Verwertungsrechte zu verschenken. Sie sind also nicht einfach “sauer”, sondern gehalten, die Investitionen, die oft auch nicht nur sie selbst leisten, sondern weitere an Produktionen beteiligte wie Autoren, Regisseure, Schauspieler, Kameraleute, etc. durch Rückstellungen, wieder einzunehmen.
Ein anderes Thema hingegen ist, dass die Öffentlich-Rechtlichen Sender die Verwertungsrechte ihrer durch Gebühren vollfinanzierten Eigenproduktionen, wie etwa Nachrichten, tatsächlich äußerst gewinnbringend verkaufen. Und zwar zu Preisen, die zu den höchsten weltweit gehören. Wer zum Beispiel ein paar Sekunden ARD-Tagesthemen für eine freie Produktion nutzen möchte zahlt dafür bis zu 6000 Euro.
Wer also über Creative Commons mit den Sendern diskutieren will, sollte diese Unterscheidung sehr ernst nehmen.
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