Transmediale-Festival untersucht den „Full Take“ unserer Daten
Geheimdienste, Firmen, Staaten, Individuen – alle sammeln sie Daten. „Quantified Self“, „algorithmic society“ und „full take“ sind Begriffe, mit denen das Medienfestival Transmediale die Entwicklung beschreibt. Es untersucht, wie Künstler, Theoretiker und Aktivisten damit umgehen. Zum 28. Mal findet es derzeit in Berlin statt.
Die Transmediale versteht sich in diesem Jahr als Ort, an dem Strategien gegen die Totalüberwachung des Individuums und der Gesellschaft entwickelt und präsentiert werden können, so der Festivalleiter Kristoffer Gansing in seiner Eröffnungsrede. Im Anschluss forderte Peter Sunde, Mitgründer und ehemaliger Sprecher von The Pirate Bay, dass Regierungen und Internetkonzerne aufhören sollten, das Internet zu zerstören.
Peter sunde (founder of piratebay). Internet is being destroyed #tm15 pic.twitter.com/qsP93DHsIV
— danimon (@danimon) 28. Januar 2015
Mit zwei Ausstellungen, einer Konferenz, einem Filmprogramm und einem Foyerprogramm ist das Programm bis zum kommenden Sonntag im Berliner Haus der Kulturen der Welt und an weiteren Orten voll und unübersichtlich. Das Berliner Stadtmagazin Zitty gab den Tipp: „Am besten ist es, sich im Vorfeld eine Veranstaltung herauszusuchen und sich dann einfach treiben zu lassen.“ Wahrscheinlich ein guter Vorschlag.
„Post-digitale“ Arbeit
Anfangen kann man zum Beispiel am Donnerstag um 17.30 Uhr mit dem Vortrag der Wissenschaftlerinnen Judy Wacjman und Tiziana Terranova über Arbeit in der „post-digitalen“ Welt. Dabei soll es um Prekarisierung, das Verwischen der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit und neue Organisationsformen von Arbeitern gehen. Auch die Gastausstellung „Time and Motion: Redefining Working Life“ beschäftigt sich damit. Darin kann man etwa sehen, wie lange verschiedene Menschen brauchen um einen Euro zu verdienen: Während der CEO von „Procter & Gamble“ den Euro schon in einer Sekunde in der Tasche hat, braucht der Baumwollpflücker mehr als eine Stunde („One Euro“ von Oliver Walker).
Im Anschluss an die Keynote von Judy Wacjman und Tiziana Terranova zeigt The Pirate Cinema in einer Liveperformance im Auditorium, wie Medienkonsum in Echtzeit funktioniert. Was die Medienkünstler zeigen, basiert auf den Daten, die gerade im Peer-to-Peer-Verkehr durch die Torrent-Netzwerke schwirren.
Daten und Wissen
Der Medienkritiker Byung-Chul Han („Im digitalen Panoptikum“) spricht am Freitag Abend über das scheinbare Paradox, dass mehr Daten nicht gleich mehr Wissen bedeuten. Die von ihm beschriebene Entwicklung zur „Transparenzgesellschaft“ könne vielmehr in einen digitalen Totalitarismus führen. Han ist Professor an der Universität der Künste in Berlin, gilt als einer der wichtigsten Philosophen Deutschlands. Sein Vortrag wird leider nicht im Livestream übertragen, wie sonst die meisten der Veranstaltungen.
Wer sich informieren möchte, wie sich Künstler, Wissenschaftler und Aktivisten in der Gegenwart mit Big Data, Überwachung, Monopolbildung und Zentralisierung des Internets auseinandersetzen, bekommt mit der Transmediale 2015 einen guten Querschnitt. Bei den Konzerten des CTM, dem angeschlossenen Festival für elektronische Musik, kann man zusätzlich noch „abenteuerliche“ Musik erleben.
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